8. Kapitel

4 0 0
                                    


Mimi rannte an vielen Menschen vorbei und schauderte jedes mal bei der Vorstellung, von einem Menschen gestreichelt zu werden. 

Irgendwann wurde Mimi langsamer. Sie beschloss, nach rechts ab zu biegen, da sie ziemlich weit zurück gelaufen war, aber eigentlich ja weiter suchen wollte. Doch um abzubiegen, musste sie erst einmal eine große Straße überqueren. Sie wollte warte, bis die Straße frei war. 

Währenddessen dachte sie durchgehend an die fremde Kätzin. 

Mimi stand lange am Straßenrand während die Sonne stetig sank. Sie wurde müde und  brauchte bald einen Übernachtungsplatz.

Irgendwann sah sie kein Auto mehr, was auf sie zu kam. Sie rannte los. Dabei hielt sie die Ohren gespitzt, damit sie es hören würde, falls ein Auto kommen würde. Obwohl sie versuchte, nicht daran zu denken, stellte sie sich vor, wie sie von einem Auto zerquetscht wurde. Doch sie schaffte es zum Glück problemlos auf die andere Seite. 

Die Straße, die sie nun entlang lief, führte ein bisschen bergauf. 

Die Sonne ging unter. Mimi hatte nicht mehr viel Zeit bis es ganz dunkel sein würde. Sie hatte kein Ziel. Sie lief einfach durch die Stadt, in der alles so fremd war. Sie verstand nicht, wie eine Katze freiwillig hier leben konnte. 

Mimi war so in ihren Gedanken vertieft, dass sie es erst gar nicht bemerke, als sich langsam ein Mensch näherte. Er beugte sich zu ihr hinunter. Erst als seine Hand Mimis Fell schon fast berührte, zuckte sie zusammen und rannte wieder los. Sie ärgerte sich sehr über sich selbst, weil sie nicht aufmerksam gewesen war. So etwas durfte nie wieder vorkommen. 

Irgendwann kam Mimi wieder an eine große Straße. Da sie gerade kein Auto sah, rannte sie einfach drüber. Dann schlug sie eine beliebige Richtung ein. Sie lief weiter, überquerte eine Straße, bog irgendwann ab und suchte dabei nach einem Platz, wo sie übernachten konnte. Dabei hielt sie immer so weit wie möglich Abstand von den Menschen. 

Irgendwann hörte sie leise Wasser plätschern. Sie erschrak. War sie etwa wieder am Fluss? War sie einen Kreis gelaufen? Dann wäre der ganze Tag um sonst gewesen. Sie konnte jedoch keinen Fluss erkennen, also lief sie weiter. 

Nach kurzer Zeit war das Plätschern neben ihr. Verwirrt sah Mimi nach links. Ein Bach floss unter der Straße durch. Mimi war also auf einer kleinen Brücke. Neben dem Bach war eine Wiese, wo konnte sie die Umrisse von Büschen ausmachen konnte. Waren die Büsche vielleicht ein Platz, wo sie übernachten konnte? Hoffnungsvoll rannte sie an das Ende der Brücke und sprang den kleinen Abhang hinunter in das weiche Gras. Als sie an den Büschen angekommen war, prüfte sie kurz sicherheitshalber die Luft. 

Erschrocken merkte sie, dass eine Katze im Busch war. Mimi wollte wieder wegrennen, doch die andere Katze kam schon aus dem Busch. Mimi bemühte sich, nicht ängstlich zu wirken, doch sie zitterte vor Angst fast. Am liebsten wäre sie weggerannt, doch sie blieb stehen und wartete auf eine Reaktion der Katze. Doch die sah sie einfach nur still an. Es war eine rote Kätzin, die gar nicht feindselig wirkte. Mimi kniff die Augen ein bisschen zusammen und versuchte, den Blick zu deuten. Sie kam zu dem Schluss, dass die Kätzin überrascht und neugierig war. Wegen des roten Felles erinnerte sie Mimi ein bisschen an Lili. 

Irgendwann fragte die rote Kätzin: „Wer bist du?" Mimi wusste nicht, was sie antworten sollte. Wollte die Kätzin ihren Namen wissen? Oder wo sie her kam? Oder wo sie hin wollte? Oder war die Frage ganz anders gemeint gewesen? 

„Was kann ich denn jetzt sagen?", dachte Mimi verzweifelt, denn sie fand die Katze ein bisschen unheimlich. Sie mochte es nicht, so angestarrt zu werden. Mimi befürchtete, die Katze mit einer falschen Antwort zu verärgern, daher versuchte sie verzweifelt, die Richtige zu finden. 

Langsam löste sich die fremde Katze aus ihrer Starre. Mimi fiel auf, dass ein Ohr die gleiche weiße Spitze hatte wie Lilis Ohr. 

„Träume ich?" fragte die fremde Kätzin da. Verwirrt sah Mimi die Kätzin fragend an. Die Augen der Kätzin weiteten sich und sie hauchte: „Mina?" 

Mimi erinnerte sich, dass die Tochter von Mias Schwester Mina geheißen hatte. Mina war gestorben, als sie von einem Baum gefallen war. Hielt die Kätzin sie etwa für Mina? 

„Ich bin nicht Mina.", antwortete Mimi der Kätzin. Doch die Kätzin widersprach Mimi: „Du siehst genau wie Mina aus. Du musst Mina sein." 

Wenn diese Kätzin Ähnlichkeiten mit Lili hatte und Mina kannte, war sie dann möglicherweise mit Mimi verwandt? Mimi beschloss, sich vorzustellen. „Ich bin Mimi. Mina war meine Cousine. Meine Mutter heißt Mia.", erklärte sie. Da rief die rote Kätzin überrascht aus: „Dann bist du auch meine Cousine! Ich bin Lina. Mina ist meine Schwester" Mimi freute sich, eine Verwandte von sich gefunden zu haben. 

Ihr kam eine Idee: Vielleicht hatte Lina ja Mia oder Lili gesehen. Als Mimi sie fragte, fragte diese, wer Lili sei. Darauf antwortete Mimi: „Lili ist meine Schwester. Sie wurde entführt, deswegen haben Mama und ich den Wald verlassen um sie zu suchen." 

Lina fragte verwirrt: „Welcher Wald?" Mimi erklärte ihr: „Der Wald in dem wir gelebt haben ist sehr weit von hier entfernt." Lina schien überrascht. „Ihr habt im Wald gelebt?" „Weißt du das nicht?", fragte Mimi verwundert. „Ich habe mich immer gefragt, was mit meiner Mutter, Mia und ihren Jungen passiert ist. Ich bin aber davon ausgegangen, dass ihr noch da wohnt."

Was meinte Lina? Mimi lebte im Wald seit sie denken konnte, wo dachte Lina, dass sie gewohnt hätte? „Ich wohne schon immer im Wald.", stellte Mimi klar. „Du musst doch mitbekommen haben, dass meine Mutter weggegangen ist von dem Haus wo ihr gewohnt habt." 

„Nein. Sie hat da gelebt bis ich weggebracht wurde." Was meinte Lina damit, dass sie weggebracht wurde? „Von wo wurdest du weggebracht?" „Hat Mia dir das nicht erzählt? Ich wurde weggebracht. Das war kurz nachdem Mia schwanger wurde." War Lina etwa auch entführt worden? 

Ein Windstoß fuhr durch das Gras. Mimi fror. „Magst du mit in den Busch kommen? Dort ist es viel wärmer. Dann kann ich dir erzählen, was passiert ist.", schlug Lina vor. Mimi stimmte zu. Die beiden Katzen gingen in den Busch. 

Das Innere des Busches war platt getreten, anscheinend hielt Lina sich hier viel auf. Mimi setzte sich neben sie. 

Sie war gespannt, was Lina ihr erzählen würde.

Die verlorene SchwesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt