Kapitel 79 - Review your allegiance

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[AI art im Banner von mir]


„Sag bitte was, Ominis."
Sebastian hatte die Stille nicht mehr ausgehalten, die sich über ihr Trio gelegt hatte, seit sie Professor Weasleys Büro verlassen und für den Rest des Tages vom Unterricht befreit worden waren. Ominis, Phina und er gingen nun schon eine ganze Weile schweigend durch Hogwarts spazieren, ohne ein bestimmtes Ziel. Einfach nur, um etwas Ruhe zu haben und die Gedanken ordnen zu können.
„Danke für eure Hilfe vorhin.", brachte Ominis schließlich hervor, klang dabei aber eher etwas abwesend. Phina eilte ein paar schnelle Schritte nach vorne, um ihnen die große Tür in Richtung Nordausgang aufzumachen. Ein bisschen frische Luft würde bestimmt gut tun.
„Nein... ich meine wegen deines Bruders... wie geht es dir damit?", stellte Sebastian derweil klar und warf Ominis einen prüfenden, aber auch deutlich unsicheren Blick zu. Er konnte offenbar nicht wirklich einschätzen, was Ominis davon hielt, dass einer seiner Brüder tot war, vielleicht sogar ermordet. Dass er nicht in einen kompletten Schock oder Tränen ausgebrochen war, war nicht großartig überraschend, immerhin hatte er zu seinen Brüdern nie eine allzu innige Beziehung gehabt. Dennoch war der Tod eines Familienmitglieds etwas, das Ominis seit dem verhängnisvollen Schicksal seiner Tante Noctua nicht mehr hatte durchleben müssen. Auch Phina konnte man deutlich ansehen, dass sie sich Sorgen darüber machte, welche Gefühle und Gedanken gerade in Ominis herumwirbelten, die er offenbar noch absichtlich für sich behielt. Er zuckte schließlich etwas unbeholfen mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht.", sagte er in einem leicht hilflosen Ton. „Das erste, was mir durch den Kopf gegangen ist, war der Gedanke, dass mir das nur noch einmal bestätigt, dass es richtig war, meine Familie zu verlassen. Zu was für einem Bruder macht mich das?"
Es war typisch Ominis. Er machte sich Vorwürfe, weil ihn kein Gefühl der Trauer überwältigen wollte. Allerhöchstens Mitleid für einen Jungen, der in dieselbe grausame Familie geboren worden war und im Gegensatz zu ihm nicht den Mut dazu hatte aufbringen können, dieser Familie den Rücken zu kehren. Und nun hatte er mit seinem Leben dafür bezahlt, was etwas war, das Ominis nie für abwegig oder unwahrscheinlich gehalten hatte, wenn man sich den Machenschaften seines Vaters verschrieb. Notus' Tod war deswegen natürlich trotzdem nicht selbstverschuldet, doch Ominis musste zugeben, dass er offenbar schon immer unterbewusst damit gerechnet hatte, dass einer der drei Brüder früher oder später der Machtgier ihres Vaters zum Opfer fallen würde. Genau deswegen hatte er sich von seiner Familie abgewandt, um möglichst dafür zu sorgen, dass nicht er selbst dieses Opfer wurde.
„Ominis, du darfst dich fühlen, wie du willst. War Notus überhaupt jemals ein richtiger Bruder für dich?", fragte Sebastian zurück, weil Phina offenbar nicht so recht wusste, was sie sagen sollte und deswegen in ein tiefes Schweigen verfallen war. Sie war froh, dass Sebastian bei ihnen war, er war einfach viel besser darin, in solchen Momenten die richtigen Worte zu finden. Ominis seufzte schließlich leise.
„Notus ist immer nur ein Fähnchen in dem Wind gewesen, dem man ihm vorgegeben hat. Er selbst hat mich zwar nie zum Spaß verflucht, geschlagen oder beleidigt, aber er hat immer gern und stillschweigend daneben gestanden und zugesehen, wenn Marvolo oder mein Vater es getan haben.", sagte er und verzog dann kurz das Gesicht, als sein ganzer Körper bei dieser Erinnerung von einem blitzartigen Frösteln erfasst wurde und er für einen Moment zitterte. Phina trat sofort näher an seine Seite und griff endlich wieder nach seiner Hand. Erst bei der Berührung bemerkte Ominis so richtig, wie sehr er diesen Kontakt zu ihr vermisst hatte, seit sie losgelaufen waren. Er war so in sich gekehrt und in seinen eigenen Gedanken verloren gewesen, dass er gar nicht selbst darauf gekommen war, einfach von sich aus wieder ihre Hand zu nehmen.
„Ich habe nicht mehr wirklich mit ihm gesprochen, seit ich gegangen bin... meine letzte Begegnung mit ihm war die in Brocburrow, als er uns mit Marvolo und Selwyn aufgelauert hat.", fuhr er dann fort und strich mit seinem Daumen über Phinas Hand, so als würde ihn diese Beschäftigung irgendwie erden und dafür sorgen, dass er nicht die Nerven verlor. Er fühlte sich eigentlich gar nicht so aufgewühlt, und genau das wühlte ihn auf. Was Außenstehende womöglich für Trauer um einen Bruder halten würden, war eigentlich nur ein innerer Tumult aus Schuldgefühlen und Scham, weil er genau diese Trauer einfach nicht so fühlte, wie man es für einen Bruder für angemessen erachten würde.
„Warum war er wohl auf dem Weg nach Feldcroft?", fragte Phina schließlich, um das Gespräch ein wenig in eine andere Richtung zu lenken. Sebastians Gesicht nahm seinen typisch grüblerischen Ausdruck an, während er sich anscheinend verantwortlich fühlte, als erstes zu antworten, um Ominis noch einen Moment Zeit zu geben, um nachzudenken.
„Wussten die Gaunts, dass du dort Nathan besuchen wolltest? Vielleicht hatten sie vor, noch einen Versuch zu starten, um dich gefangen zu nehmen."
Phinas Gedanken schweiften nach Sebastians Worten schlagartig ab und anstatt ihm zu antworten, musste sie ihre eigene Frage schnell loswerden.
„Ich habe Nathan und Clarissa diese Woche noch gar nicht im Unterricht gesehen... Glaubt ihr, den beiden könnte auch etwas zugestoßen sein?"
Ominis wirkte unermesslich müde und die kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen zeigte eindeutig, dass sich erneut Kopfschmerzen bei ihm anbahnten. Auch sein Gang wurde etwas langsamer, was ihm besorgte Blicke von Sebastian und Phina einbrachte.
„Nein. Anne hätte uns doch sofort eine Eule geschickt, wenn noch etwas passiert wäre, nachdem du gegangen bist.", sagte Sebastian und schob Ominis dabei sachte, aber bestimmt in Richtung Springbrunnenrand, damit sie sich zusammen auf die Kante setzen konnten. Phina ließ Ominis' Hand los, aber nur, um ihren Arm um seine Schultern zu legen und ihn mit einem sanften Druck dazu zu bringen, sich bei ihr anzulehnen. Er folgte ihrer Bewegung wortlos und ließ seinen schweren Kopf auf ihre Schulter sinken.
„Und wenn sie erst auf dem Rückweg nach Hogwarts angegriffen wurden?", fragte Phina dann weiter nach. Es gefiel ihr absolut nicht, die Schwarzseherin zu spielen, aber sie konnte diese Sorgen einfach nicht unausgesprochen lassen. Kurz wurde sie von der Erinnerung an den Angriff auf sie selbst abgelenkt, denn auch sie war auf dem Rückweg von Hogsmeade nach Hogwarts gewesen, als sie kurz vor den Osterferien im Auftrag von Ominis' Vater verschleppt worden war. Irgendetwas stimmte auch jetzt nicht. Es war bereits Dienstag, doch erst jetzt war es ihr so richtig aufgefallen, dass sie die beiden Hüter-Nachfahren noch gar nicht wieder im Schloss angetroffen hatte. Und es konnte einfach kein Zufall gewesen sein, dass Notus Gaunt ausgerechnet im Umland von Feldcroft gefunden worden war.
„Pass auf, ich mache mich gleich auf den Weg nach Feldcroft und schaue, was ich herausfinden kann. Dann habt ihr ein wenig Zeit für euch.", schlug Sebastian schließlich vor und musterte Ominis daraufhin mit einem zunehmend alarmierten Blick, als er einen leisen Schmerzlaut von sich gab und sich mit einer Hand mit einigem Druck über die Schläfe rieb.
„Danke.", antwortete Phina und nachdem sich Sebastian verabschiedet hatte, machte sie sich zusammen mit Ominis auf den Weg in die Krypta. Dort würde er wirklich Ruhe haben.

Cursed (Hogwarts-Legacy fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt