07 Harry

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Liz saß in meinem Wohnzimmer auf dem Sofa. Sie hatte eine Wolldecke über ihrem Schoß ausgebreitet und band ihre langen blonden Locken gerade zu einem Knoten auf ihrem Kopf zusammen, als ich aus der Küche kam. Ich hatte zwei Gläser Whiskey in den Händen, den Schlummertrunk, nach dem sie gefragt hatte.
"Du siehst müde aus", sagte sie, als ich mich neben sie aufs Sofa setzte. Nicht zu nah, damit sie nicht dachte, dass ich mich an sie heranmachen wollte. Aber auch nicht zu weit weg, sodass sie nicht glaubte, ich hätte kein Interesse an ihr.
"Es war eine lange Woche", sagte ich und legte meine Füße auf dem Couchtisch vor mir ab.
"Ebenso", sie hob ihr Glas in meine Richtung und nickte mir prostend zu.
Liz seufzte wohlig und zog ihre Beine auf das Sitzkissen an sich heran.
"Danke", sagte sie nach einer Weile, in der wir geschwiegen hatten.
Ich schwenkte die goldbraune Flüssigkeit in dem Glas und sah sie fragend an.
"Danke, dass ich hier schlafen darf." Sie schmunzelte kurz und ergänzte: "Und danke, dass du es nicht seltsam machst".
Ich schnaubte amüsiert.
"Immer gern".
Das meinte ich tatsächlich so.
Liz war angenehm, sie war unglaublich sympathisch, ihr Lachen steckte an und ihre skeptische Art wirkte locker und humorvoll.
Tatsächlich machte sie mich fast ein bisschen nervös und ich fragte mich, wann ich das zum letzten Mal bei einer Frau gespürt hatte.
Luke sagte oft, ich wäre beneidenswert selbstsicher, dabei war es mir nur einfach egal. Ehrlicherweise war mir ziemlich viel egal. Das war nicht immer so gewesen, ich -

„Ich nehm übrigens die Couch", sagte Liz und unterbrach meinen inneren Monolog. Ich schüttelte den Kopf. „Ich hab dir das Bett versprochen und ich halte meine Versprechen. Ich kann es auch nochmal neu beziehen, wenn du magst".
Himmel, seit wann war ich denn so übermäßig zuvorkommend. Das war ja schon fast peinlich und Liz wirkte auch nicht wie die Art Frau, die sowas anziehend fand.
Sie lachte amüsiert. „Das ist süß von dir, aber ich nehm die Couch. Ich muss morgen ohnehin relativ früh den Zug nehmen und so wecke ich dich dann auch nicht."
Süß. Sie hatte mich süß genannt. Das war ein Alptraum.
Ich musste mal ganz schnell meine Coolness wiederfinden.
„Willst du noch eine rauchen?", fragte ich und nickte in Richtung meines Balkons.
Sie nickte und wickelte sich noch etwas enger in die Decke ein, ehe sie aufstand.
Wir redeten ein wenig über den Abend und rätselten, was wohl im Stockwerk über mir in Jamies Wohnung gerade passierte.
Liz war direkt und nahm kein Blatt vor den Mund, das gefiel mir an ihr.
„Er wird dir dankbar sein, dass du mich vor einer Nacht bei Matty bewahrt hast", sagte sie irgendwann nachdenklich und atmete langsam den Rauch ihrer Zigarette aus.
Die Leichtigkeit war aus ihrer Stimme verschwunden.
„Dein Ex?", fragte ich und versuchte nicht zu neugierig zu klingen. Dabei wollte ich doch unbedingt erfahren, ob er noch eine Rolle spielte.
Falls ja, dann wohl keine gute, wenn ich Jamies Meinung richtig herausgehört hatte.
„Ich würde wohl sagen ja. Er wäre da sicher anderer Meinung", antwortete sie vage.
Sie verdrehte die Augen. Über mich? Sich selbst? Matty?
„Matty ist Musiker. Ich hab ihn für die Zeitschrift interviewt, für die ich arbeite. Naja eins führte zum anderen, wir hatten eine lange Zeit was am laufen. On and Off. Das war alles andere als gesund für mich, aber er findet sich ganz besonders toll und ich ihn halt leider auch. Also fand.
Am Ende hab ich wegen seines Drogenkonsums den Absprung geschafft. Er war nicht mehr er selbst. Er schlief kaum, war entweder gereizt oder gleichgültig. Er wanderte von Party zu Konzert zu Party, dabei blieb alles andere auf der Strecke. Nie mehr mach ich sowas mit. Und Jamie wohl auch nicht, er hat jedes Mal wieder die Scherben aufsammeln müssen". Ich schluckte. Ein paar der Punkte kamen mir sehr bekannt vor.

Liz drückte ihre Kippe aus und hielt sich kurz die Hand vors Gesicht. „Scheisse sorry! Ich heul dich hier total voll. Das ist eigentlich echt nicht meine Art. Ich muss wohl pennen", sie stand eilig auf und hielt in der geöffneten Balkontür nochmal inne: „Danke, Harry".
Wie sie meinen Namen sagte. Ich war viel zu perplex, um zu reagieren.
Dann war sie im Bad verschwunden und ich räumte die Gläser in die Küche.
Ich hätte wohl irgendwas sagen sollen. Sie trösten? Aber das wäre mehr als heuchlerisch, wo ich Matty doch anscheinend so ähnelte. Das verpasste mir einen Dämpfer. Nie wieder würde sie so etwas mitmachen, hatte sie gesagt.
„Gute Nacht, Harry", sagte Liz plötzlich, ich hatte gar nicht gehört, wie sie wieder aus dem Bad gekommen war. Ich stand noch immer wie angewurzelt in der Küche und starrte auf die Gläser in meiner Hand.
„Gute Nacht, Liz", sagte ich sanft und drehte mich um. Sie stand da, trug nur ihr T-shirt und kletterte dann auf die Couch unter die Wolldecke. Plötzlich wirkte sie unglaublich hart auf mich.
Ich wollte zwar cool sein, aber ging trotzdem in mein Schlafzimmer, um mir ein frisch gewaschenes T-shirt, Kissen und Bettdecke zu holen.
„Ist vielleicht etwas gemütlicher", sagte ich und lächelte, als ich es auf die Sofalehne ablegte.
Sie lächelte zurück

Skinny DippingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt