Sie ließ ihren Tränen freien Lauf und gab sich dem Schmerz hin, der so lange schon in ihr brannte.
Sie wusste nicht, wie lange sie dort schon saß, aber irgendwann versiegten ihre Tränen.
Die Sonne schien schon etwas tiefer und der Wind etwas kühler.
Maliah raffte sich auf und strich ihr Kleid zurecht.
Sie wischte sich übers Gesicht und versuchte, ihr Haar wieder zu richten, das sich mittlerweile aus der Frisur gelöst hatte.Sie schleppte sich in das Schloss Innere und ignorierte die Bediensteten, die sie besorgt musterten.
Sie ging die lange Treppe nach oben in das Gästequartier, weiter in ihr Schlafgemach.
Dort ließ sie sich erschöpft auf das Bett fallen.
Die Energie war aus ihrem Körper verschwunden.Die Kammerzofe sah sie besorgt an.
"Ist alles in Ordnung, Prinzessin Maliah?", fragte sie vorsichtig."Es ist alles in Ordnung, Margrit. Aber wenn ich noch irgendwo erscheinen soll, richte bitte aus, dass es mir nicht so gut geht und ich heute lieber auf meinem Zimmer bleibe, um mich auszukurieren."
Sie würde es heute einfach nicht schaffen, allen Leuten unter die Augen zu treten. Nicht so.
Die Kammerzofe nickte und verließ das Zimmer.
Maliah drehte sich auf dem Bett zur Seite und schloss die brennenden Augen, die ihr schwer wurden.Sie glitt in einen tiefen Schlaf, wo sie die Erinnerungen einholten, die sie bisher zu vergessen geglaubt hatte.
Sie befand sich in einem großen dunklen Zimmer, welcher schwach von einer Kerze beleuchtet war.
Sie wirbelte ihr viel zu langes Kleid umher und stellte sich vor, sie wäre auf einem Ball, auf dem sie tanzen würde. Sie drehte und drehte sich, bis ihr schwindelig wurde und sie das Gleichgewicht verlor.
Sie fing sich gerade noch so an der schweren Gardine auf, die jedoch von dem starken Sog hinunter krachte und Maliah unter sich begrub.
Sie krabbelte unter der Gardine hervor und blickte in die plötzlich hohen Flammen, die sich vor ihr schlängelten. Offenbar hatten die Gardinen die Kerze mit runter gezogen und fingen nun Feuer.
Maliah stieß einen erschrockenen Schrei aus und rannte aus dem Zimmer.
Ihre kurzen Beinchen stolperten übereinander und sie rappelte sich schnell wieder auf.
"Mutter!", schrie sie.
Ehe sie sich versah, brannte das ganze Zimmer und die ganze Decke stand in Flammen.
Schreie hier und da ertönten und das furchterregende Geräusch von knarrendem Holz erklang über ihr.
"Maliah!" Ihre Mutter rannte panisch auf sie zu und nahm sie auf den Arm.
Maliah sah, wie die Leute panisch umher liefen und wild durcheinander schrien.
Sie schloss fest die Augen und hielt sich die Ohren zu, während sie noch mitbekam, wie ihre Mutter mit ihr auf dem Arm rannte.
Das Geschrei brannte sich in ihre Ohren und wurde immer lauter, sodass Maliah panisch aus dem Schlaf hochschreckte.Sie saß aufrecht auf dem Bett und versuchte, ihre Atmung zu beruhigen.
Ihr Kleid klebte ihr verschwitzt am Körper.
Ihre welligen Haare fielen ihr ins Gesicht und sie strich sie hastig nach hinten.Sie erinnerte sich.
Der Brand. Es war ihre Schuld gewesen.
Wie konnte sie das vergessen? Und wieso hatte ihre Mutter oder ihr Vater es ihr nicht gesagt?
Es verheimlicht?
Diese Schreie, die vielen Menschen.
Archer hatte gesagt, sie hätte viele Menschenleben auf dem Gewissen.
Wie viele sind wohl bei diesem Brand ums Leben gekommen?
Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag und Tränen des Schocks sowie des Schuldbewusstseins rannen ihr übers Gesicht.
Was hatte sie nur getan? Wie konnte das passieren? Wie konnte das nur so ausarten?Die ganze restliche Nacht lang konnte sie nicht mal mehr an Schlaf denken.
Die Schreie und das Geräusch von Feuer, welches das Holz fraß, verfolgten sie.Die ersten Sonnenstrahlen schienen in das dunkle Zimmer und Maliah erhob sich aus dem Bett.
Sie zog die Vorhänge zur Seite und blickte nach draußen. Ihr Zimmer war genau über dem Rosengarten. Die Gärtner waren schon wach und wucherten an den schönen Gestrüppen und Büschen, um ja alles in Form zu halten.
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Ketten der Krone
Historical FictionPrinzessin Maliah, Tochter eines tyrannischen Königs, der ihr das Leben zur Hölle macht. Maliah fühlt sich gefangen, gefesselt von den unsichtbaren Ketten der Krone, die sie daran hindern, ein Leben in Freiheit und Glück zu führen. Doch schon bald t...