Kapitel 16

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Sie wollte den morgigen Tag nicht beginnen.
Weil sie wusste, er würde anders werden.

Bereits den gesamten Morgen blickte Archer sie kaum an.
Und wenn er es tat, dann lag in seinen Augen ein Schmerz und eine unausgesprochene Sehnsucht.
Maliah zerriss es das Herz. So gerne würde sie mit ihm sprechen, in seiner Nähe sein, ihm einfach nur zuhören.

***

Sie kam von ihrem morgendlichen Ausritt und wollte gerade aus dem Hof gehen, als sie an dem Tor beinahe mit Archer zusammenstieß.

Einen kurzen Moment lang sahen sie sich einfach nur an und die Zeit schien wie stehengeblieben zu sein.
In den Augen beider spiegelte sich Verlangen und Hoffnung.
Archer blinzelte.
"Prinzessin Maliah."

Sie hasste es. Nie hat sie diesen Namen mehr gehasst, als in diesem Augenblick.

"Prinz Archer.", sagte sie in demselben gleichgültigen Ton, auch wenn sie am liebsten vor Verzweiflung aufgeschrien hätte.

Er nickte ihr kurz zu und ging an ihr vorbei, wobei seine Hand die ihre streifte und sie zu meinen glaubte, er tat es nur, um sie berühren zu können.
Sie ließ leicht ihre Hand mit seiner mitgehen, um es noch etwas länger zu halten.
Doch dann lief er weiter und ihre Hand blieb in der Luft zurück.
Maliah schloss die Augen und schluckte.
Wie lange müsste sie das noch ertragen?

"Prinzessin Maliah, Ihr Vater verlangt nach Ihnen.", erklang plötzlich eine Stimme und Maliah wandte sich um.
Eine Bedienstete lächelte sie entschuldigend an.
Sie nickte nur und begab sich zurück ins Schloss Innere.

Dass ihr Vater sie in seinem privaten Salon erwartete, verhieß nichts Gutes und Maliah stand mit pochendem Herzen vor der Tür.
Wieso musste sie in ständiger Angst und Anspannung leben?
Sie atmete durch und öffnete die Tür. Komme was wolle, sie war es leid.

"Maliah." Ihr Vater stand mit dem Rücken zu ihr und schaute aus dem Fenster.
"Vater."
Er drehte sich langsam um und kam auf sie zu.
Sie schluckte ängstlich.
"So viel Mühe habe ich mir mit dir gemacht, und so dankst du es mir?", seine Augen blitzten gefährlich.
"Ich verstehe nicht, was Sie meinen.", sagte Maliah verwirrt.
"Du verstehst nicht? Was hast du in den letzten Tagen getrieben, Maliah? Mit wem bist du gewesen? Nicht etwa mit Prinz Archer?"
Maliahs Augen weiteten sich erschrocken.
"Nein, Vater, das ist nicht.."

"Nicht wie es scheint? Wolltest du das sagen? Mir wurde was anderes berichtet.", unterbrach er sie harsch.

Maliah traten bestürzt die Tränen in die Augen. Violet. Sie hatte es ihm gesagt.

"Du bist verlobt und lässt dich auf einen anderen Mann ein und dann auch noch mit ihm! Unserem Feind!" Seine Stimme wurde immer lauter und Maliah zuckte zusammen.
Er packte sie grob am Arm und zog sie näher zu sich.
"Du bist dabei ein Gesetz zu brechen und es interessiert dich nicht mal! Herzog Julius ist und bleibt dein Verlobter und er wird dein Ehemann, sodass du mir wenigstens noch einen Erben geben kannst!"
Maliah blickte ihm starr in die Augen.
"Das wird aber kein Erbe werden, ich bin ja nicht mal Ihre Tochter.", sagte sie angriffig.
Er sah sie ernst an und verzog keine Miene. Er schien nicht überrascht.
In seinen Augen las sie nur Hass und Überlegenheit.

"Sie wissen es.", flüsterte sie realisierend.
"Ja, ich weiß es. Deine Mutter nahm ein uneheliches Kind mit in die Ehe und wollte mir weiß machen, es sei meins. Du bist genau wie sie. Eine undankbare Hure.", sagte er abschätzig und drückte ihren Arm fester, sodass Maliah sich auf die Lippen biss, um nicht aufzuschreien.

Jetzt verstand sie, weshalb er so sehr darauf erpicht gewesen ist, dass sie sofort heiraten sollte.
Damit es niemand raus bekäme und er folglich keinen Thronfolger mehr hätte.
Und sie begriff auch nun, weshalb er sie so sehr hasste.

"Du wirst ihn heiraten und du wirst dich von diesem Prinzen fernhalten!", befahl er ihr.

"Sie wünschten, doch ich wäre in diesem Feuer ums Leben gekommen, dann hätten Sie das Problem nun nicht.", sagte sie, und Tränen lösten sich aus ihren Augen. Sie wusste nicht, woher der plötzliche Mut kam, der sie dazu verleitete, so mit ihm zu sprechen.

Ehe sie sich versah, verspürte sie einen stechenden und brennenden Schmerz an ihrer Wange und sie fiel zu Boden.
Eine warme Flüssigkeit rann an ihrer Braue hinunter.
Sie fasste sich mit zitternder Hand an die schmerzende Schläfe und fühlte die kleine offene Wunde, aus der das Blut rann.

"Du wagst es, über das Feuer zu sprechen? Ist dir ein Gesetz zu brechen, nicht genug?" Inzwischen schrie er und zitterte vor Wut.
Er trat näher an sie heran und beugte sich zu ihr.
"Du brachst das Gesetz des Schweigens, sowie das Gesetz der Ehe? Dann ziehe ich es in Betracht, das Gesetz des Schutzes zu brechen.", sagte er leise.

Maliah blickte mit großen Augen zu ihm auf.
"Vater...Das dürfen Sie nicht."
"Ich bin der König und wenn ich will, dann kann ich jedes Gesetz umgehen und somit auf dieses Gesetz!"
Sie schüttelte den Kopf.
"Bitte, ich, ich halte mich von ihm fern. Ich verspreche es. Ich werde Herzog Julius heiraten. Aber bitte tun Sie ihm nichts.", flehte sie ihn verzweifelt an.
König William richtete sich gerade auf und reckte sein Kinn hoch. Seine Augen musterten sie kalt und missfällig.
"Geh.", sagte er kühl.

Maliah richtete sich mit zitternden Beinen auf und verließ so schnell sie konnte das Zimmer.
Sie lief in ihr das große Bad und ignorierte ihre Kammerzofe, die sie besorgt ansah.
Sie blieb vor dem großen Spiegel stehen und hielt sich am großen Holztisch fest.
Ihr Tränen Verschmiertes Gesicht und das Blut welches ihr das Gesicht hinunterlief, bildeten zu ihren schmerzverzerrten Augen, ein trauriges Bild.
Wie oft schon starrten ihr diese leeren, schmerz erfüllten Augen schon entgegen.
Wie oft schon hatte sie sich immer wieder gesagt, dass es irgendwann aufhören würde.
Aber dieses Mal kam der Schmerz nicht nur von der Wunde an ihrer Braue.
Es kam von der Wunde in ihrem Herzen.

Sie wusch sich das Gesicht und ließ sich umkleiden.
Am liebsten wäre sie heute gar nicht mehr aus dem Zimmer gegangen, aber wie wusste, dass sie das nicht konnte.

Maliah betrat die riesige Bibliothek, in der sie die Dokumente und alte Pergamente durchgehen musste.
Sie wollte sich gerade weiter zu den Regalen begeben, als sie Archer bemerkte, der auf einem der Sessel saß und ein Buch zur Hand hatte.
Er laß konzentriert darin und schien sie nicht zu bemerken.
Maliah blieb stehen und er blickte auf.

Ihre Blicke trafen sich und für einen Wimpernschlag sahen sie sich an.
Archer runzelte die Stirn und legte das Buch zur Seite.
Schnell drehte Maliah sich wieder um und wollte die Bibliothek wieder verlassen.

"Maliah." Archer holte sie ein und hielt sie am Arm zurück.
"Was ist geschehen?"
Er strich sanft über die kleine Wunde an ihrer Braue und musterte sie besorgt.
"Es geht mir gut.", erwiderte sie und entfernte seine Hand von ihrem Gesicht.
Archer musste nicht nachfragen, er ahnte woher diese stammte.
"Wieso hat er dich geschlagen?", fragte er mit tiefer Stimme.

Maliah wich seinem Blick aus und sah zu Boden.
"Wieso, Maliah?", hackte er nach.
"Er braucht keinen Grund, er tut was er will, wann er will." entgegnete sie.

"Es war meinetwegen nicht wahr?", realisierte er und schüttelte den Kopf.
"Ich hätte mich schon früher von dir fernhalten sollen. Es ist meine Schuld."
Er klang wütend und reuevoll.
Schwach schüttelte Maliah den Kopf.
"Nein, es ist nicht deine Schuld. Er findet immer einen Grund."
Archer strich erneut mit seiner Hand über ihr Gesicht.
"Es tut mir so leid, Maliah. Ich wünschte, ich könnte..irgendetwas tun."
"Archer nicht.", flüsterte sie.
In ihr wuchs die Angst, jemand könnte sie beobachten.
Wer wisse schon, welche Augen der König beauftragt hatte, auf sie acht zu geben.

Sie wandte sich von ihm ab und eilte hinaus, auch wenn ihr Herz zu ihr schrie, sie solle bleiben.
Es fühlte sich so an, als ob immer ein Stückchen mehr ein Riss darin entstehen würde.

Maliah gab sich Mühe, den Rest des Tages Archer zu meiden.
Alles in ihr verlangte nach ihm und nach seiner Nähe, aber sie wusste, dass sie dagegen ankämpfen musste.
Doch die Last, die sie verspürte, als sie in ihrem privaten Salon saß und zu viel nachdachte, drohte sie zu zerdrücken und sie hielt es nicht länger dort drinnen aus.
Sie musste eine Weile raus.
Zu viele Gedanken und Sorgen kreisten um sie herum.

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