Das kleine Zimmer hatte schmale hohe Fenster, durch die das Mondlicht hindurch fiel und so das dunkle Zimmer schwach beleuchtete.
An den Wänden standen hohe Holzregale, die voll von verschiedenen Büchern gefüllt waren.
Ein alter, verstaubter Teppich lag auf dem Boden und ein kleiner Holztisch mit einem Stuhl stand vor dem Fenster.Maliah sah sich in dem Raum genauer um und irgendwas an diesem Raum, erinnerte sie an jemanden.
Die vielen Bücher und die ordentlich zusammengelegten Schreibblätter erinnerten sie an ihre Mutter.
War das ihr Rückzugsort gewesen?
Wieso war sie noch nie hier gewesen?Archer ging zu einem Regal und holte eine Kerze, die er anzündete und auf den Tisch stellte, sodass etwas mehr vom Raum zu sehen war.
Maliah ging zum kleinen Tisch und öffnete die Schublade, die darin angebracht war.
In ihr befand sich ein etwas größeres Kästchen, welches sie vorsichtig herausholte und auf den Tisch stellte.
Es war mit einem kleinen Schloss versehen, sodass sie es nicht aufmachen konnte."Was hast du da?", fragte Archer und trat etwas näher.
"Ich glaube, es gehörte meiner Mutter. Aber es ist verschlossen. Ich kann es nicht öffnen.", antwortete sie, ohne den Blick von dem Kästchen zu nehmen.
"Darf ich sehen?" Maliah schob ihm das Kästchen zu und Archer betrachtete es genauer.
Er zog seine Handschuhe aus und hantierte daran herum bis plötzlich das Schloss abfiel.
"Wieso kannst du das alles?", fragte Maliah überrascht und beeindruckt.
"Ich war auch sehr neugierig als Kind.", antwortete er mit einem schiefen Grinsen.
Maliah schüttelte lachend den Kopf.Sie hob den Deckel an und blickte hinein.
Einige vergilbte Briefe und Zeichnungen befanden sich darin.
Sie holte sie raus und entdeckte ganz unten ein kleines Gemälde, welches sie genauer betrachtete.
Darauf abgebildet war eine junge Frau mit einem Mann, der seine Hand auf der Schulter der Frau platziert hatte. Die Frau saß auf einem Stuhl und hielt ein kleines Kind auf dem Arm."Bist das du?", fragte Archer und deutete auf das kleine Mädchen, welches gerade mal ein Jahr alt sein musste.
Maliah schluckte und nickte dann. Ihre Augen fokussierten den Mann, der behutsam die Hand auf die Schulter ihrer Mutter gelegt hatte.
Er hatte kurzes braunes Haar, welches sich leicht wellte.
Seine Gesichtszüge waren weich und wirkten freundlich."Ich muss sagen, auf diesem Bild sieht dir dein Vater viel ähnlicher als er es jetzt tut.", meinte Archer und Maliah blickte schockiert zu ihm auf.
Archer sah sie prüfend an.
"Was ist los?"
Sie schüttelte den Kopf.
"Das...das ist nicht mein Vater.", erwiderte sie leise.
"Nicht? Ich nahm es an. Ich mein, sie dir seine Augen an, die grünen Augen hast du garantiert von ihm geerbt.""Nein, das kann nicht sein. Mein Vater ist..." Sie brach ab und betrachtete das Bild erneut.
Dann legte sie das Bild beiseite und schnappte sich die Briefe, die sie zuvor rausgeholt hatte.
Hastig las sie einen nach dem anderen durch und ließ sie auf den Boden fallen.
Sie bekam plötzlich kaum noch Luft und atmete mehrmals tief ein.
Sie hielt sich an dem Tisch fest, um nicht umzufallen."Maliah, was ist los?" Archer sah sie besorgt an und drehte sie wieder zu sich.
"Rede mit mir."
Tränen rannen ihr übers Gesicht.
"Ich..ich bin, ich bin nicht. Er ist nicht." Sie bekam keinen ganzen Satz raus und Archer schob den Stuhl vom Tisch, damit sie sich setzen konnte.
Er kniete sich zu ihr runter und nahm ihre Hand.
"Okay, ganz langsam. Atme."
Sie nickte und schloss kurz die Augen, um sich zu beruhigen.
"Archer. Der Mann auf dem Bild ist mein Vater. Aber das ist nicht mein Vater, nicht König William.", sagte sie vorsichtig und mit zittriger Stimme.
Archer sah sie mit gerunzelter Stirn an.
"Du meinst, deine Mutter hatte einen anderen Mann?"
Maliah ließ seine Hand los und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare.
"Ich weiß es nicht. Laut den Briefen bittet er sie, mich sehen zu dürfen, seine Tochter. Er schreibt, er würde sie lieben und verstehen, wie schwer das für sie sein muss. Aber er müsse seine Tochter kennenlernen." Wieder rannen Tränen über ihr Gesicht und Archer wischte sie behutsam fort.
"Maliah." Archer sagte sanft ihren Namen und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
Sie ließ sich vom Stuhl gleiten und ließ sich von seinen festen Armen umschlingen.
Er strich ihr liebevoll übers Haar und hielt sie fest, als müsse er sie von der ganzen Welt beschützen.Eine Weile hielt er sie nur fest und ließ sie weinen.
"Was stand noch drin?", fragte er leise.
Sie ließ etwas von ihm ab, damit sie ihn ansehen konnte.
"Er war ein Fischer. Ich weiß jetzt, wieso wir diese Reisen machten. In das Fischerdorf. Und wieso mein Vater, der König, nie dabei gewesen ist. Wir sind bei meinem Vater gewesen. Aber ich erinnere mich nicht mehr an ihn. Ich weiß nur von dem Mann, der mir immer so lieb zu mir gewesen ist. Der mich in den Arm nahm und mich an der Hand hielt, als wir über die Straßen gingen. Ich habe nicht gewusst, wer er gewesen ist. Hätte ich es nur gewusst." Ihre Stimme brach ab.
"Deine Mutter hatte einen Grund, es dir nicht zu sagen. Es wäre nicht gut gegangen, hätte der König davon erfahren.", meinte Archer.
Sie nickte. "Ich weiß."Plötzlich realisierte sie etwas.
"Ich bin nicht die rechtmäßige Thronfolgerin."
"Aber das weiß niemand Maliah."
"Ich wüsste es. Wie kann ich mit so einer Lüge leben?"
Archer sah sie forschend an.
"Und was willst du tun? Du hast nicht wirklich eine Wahl."Maliah schloss die Augen.
Die hatte sie nie. Aber er hatte recht. Was sollte sie tun? Sie konnte nichts tun.
Egal was sie täte, es würde nichts an der Situation ändern, wenn nicht sie sogar noch schlimmer machen.Archer erhob sich und reichte ihr die Hände, um sie hochzuziehen.
"Komm schon, du musst das erstmal verarbeiten. Wir sollten zurückgehen."
Sie nickte schwach und ergriff seine Hände.An ihrem Zimmer angekommen, öffnete sie die Tür und drehte sich zu ihm um.
"Danke Archer."
Er lächelte. "Gute Nacht, Maliah.""Archer, könntest du, würdest du mich noch mal in den Arm nehmen?", fragte sie vorsichtig.
Er zögerte kurz, ging dann auf sie zu und schloss sie in die Arme.
Sie schloss die Augen und genoss seine Nähe.
Bei ihm fühlte sie sich geborgen und beschützt.
Er löste sich langsam von ihr und wieder war sein Gesicht, ihrem ganz nahe.
Doch er schloss die Augen und schüttelte leicht den Kopf.
"Das dürfen wir nicht Maliah."
"Wieso?", flüsterte sie.
"Du weißt wieso."Er ließ sie los und ging einige Schritte, als Maliah ihm hinterher rief.
"Wieso tust du das dann immer? Wieso tanzt du mit mir, suchst meine Nähe und.. wieso kamst du in mein Zimmer?"Er blieb stehen und drehte sich wieder um.
"Ich weiß. Es tut mir leid. Das war sehr unklug. Ich handle ohne nachzudenken. Ich tue Dinge, die ich nicht tun sollte und fühle Dinge, die ich nicht fühlen dürfte. Und trotzdem kann ich nicht anders. Aber ich kann das nicht länger zulassen Maliah. Ich muss anfangen, vernünftig zu handeln. Nicht weil ich es will, sondern weil ich es muss."
Er sah sie entschuldigend und sehnsüchtig an.
Dann wandte er sich wieder zum Gehen um."Was würdest du tun, wenn es nichts gäbe, was dich zurückhalten würde?" Maliahs Stimme hallte leise in dem langen dunklen Flur wieder.
Er blieb wieder stehen, drehte sich um und kam mit großen Schritten auf sie zu.
Dann nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände und legte seine Lippen fest auf ihre.
Maliahs Herz flatterte und ihr Bauch zog sich zusammen.
Sie legte ihre Hände auf seinen Armen ab und gab sich dem Kuss hin.
Viel zu schnell löste er sich wieder von ihr und Maliah ließ die Augen geschlossen.
"Das hier.", flüsterte er.
Dann riss er sich von ihr los und verschwand in der Dunkelheit.Sanft berührte sie ihre kribbelnden Lippen und wünschte sich, sie hätte den Moment irgendwie einfangen können. Viel zu schnell war er vorbei gewesen.
Wünschte, er würde es sich doch anders überlegen und noch einmal umdrehen, um es nochmal zu tun.
Jedoch starrte sie in die stille Dunkelheit und versuchte diesen Moment festzuhalten, so gut sie konnte.
Versuchte ihr pochendes Herz zu überzeugen, dass er nicht wiederkommen würde.
Weil er es nicht durfte. Weil ein Gesetz zwischen ihnen stand. Weil die Krone der Grund war, der sie voneinander trennte.
DU LIEST GERADE
Ketten der Krone
Fiksi SejarahPrinzessin Maliah, Tochter eines tyrannischen Königs, der ihr das Leben zur Hölle macht. Maliah fühlt sich gefangen, gefesselt von den unsichtbaren Ketten der Krone, die sie daran hindern, ein Leben in Freiheit und Glück zu führen. Doch schon bald t...