Prolog

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Meine erste Erinnerung an ihn reicht Ewigkeiten zurück. Wir waren beide zarte fünf Jahre alt. Seitdem waren wir beste Freunde. Einfach unzertrennlich. Zumindest dachten wir dies.

Nun, zehn Jahre später, sitzt er neben mir auf dem Rasen in meinem Garten, was heißt mein Garten, ich bin ja erst fünfzehn. Seine dunkelbraune Gitarre lehnt an seiner Brust und er grinst mich an, wie eh und je. Rote Wangen, blaue Augen, breites Grinsen mit schiefen Zähnen, blondes Wuschelhaar, das ist mein bester Freund. Sein Grinsen würde ich überall wieder erkennen, es ist eines seiner Markenzeichen, nicht wegen seinen Zähnen, die er zum Tode verabscheut, nein, wegen dem Glanz in seinen Augen, der dann zum Vorschein kommt, wenn er tut, was er so liebt, genau wie jetzt.

Langsam spielt er Akkorde und sieht mich unentwegt an, wieder dieses Glänzen.

„Was guckst du so?"

„Was guckst du so?"

„Hä, ich guck doch ganz normal. Was willst du denn?", antworte ich etwas bissig. Ich hasse es, wenn er mich so anstarrt und dann nicht sagt warum. Ich könnte schier den Verstand verlieren, das weiß er ganz genau.

„Was soll ich spielen, Al?"

Und er weiß auch ziemlich genau, dass ich diesen Spitznamen verabscheue.

„Nenn mich nicht so."

„Jetzt stell dich nicht so an. Also, was soll ich jetzt spielen?"

„Wie wär's mit Justin Bieber?", grinse ich ihn an, woraufhin er die Augen rollt.

Einer seiner Lieblingsmusiker. Ich verstehe es nicht, deswegen ziehe ich ihn wohl auch so oft damit auf, was ihm gar nicht passt. Wir sind beide so verschieden, aber trotzdem beste Freunde. Ich denke, dass gerade diese Verschiedenheit unsere Freundschaft ausmacht, uns wird nie langweilig mit dem anderen.

Plötzlich fängt er an zu singen, Baby von Justin Bieber. Ich hasse dieses Lied, er liebt es. Trotzdem sage ich dieses Mal nichts, denn ich weiß wie viel ihm die Musik bedeutet, wie viel es ihm bedeutet zu singen. Deswegen höre ich einfach dem sanften Klang seiner Stimme zu.

»Ich will einmal in ausverkauften Stadien spielen und mit den ganz großen Musikern arbeiten« sagt er immer. Und ich weiß schon jetzt, dass ich ihn immer unterstützen werde auf seinem Weg, dass ich immer da sein werde, denn für mich ist er mehr als nur mein bester Freund.

Er singt die letzten Zeilen der Melodie, dann schaut er mich an, die übliche Frage in seinen Augen. Wie fandest du es? Und von mir kommt dann die fast übliche Antwort. Sehr schön. Du darfst niemals damit aufhören.

Dieses Mal ist es anders, „Es war wirklich toll. Du wirst es einmal schaffen...", dann eine Pause, „aber du darfst mich dann nicht vergessen, versprochen?"

Ich weiß nicht warum ich das gesagt habe.

Er streckt einen Arm aus, legt ihn um meinen Hals und zieht mich an sich, mit dem anderen hält er die Gitarre fest.

„Danke, Al. Ich werde dich nie vergessen, versprochen. Wie könnte ich meine beste Freundin vergessen?", lacht er und lässt mich los.

Das geht schneller als du denkst, denke ich, aber spreche es nicht aus. Ich weiß, dass ich ihn damit verletzen würde.

Meine Gedanken schweifen ab, zu dem Tag, an dem ich ihn zum ersten Mal traf. Was für ein verrückter Tag.

„Hey! Rat mal woran ich gerade denke!", schreie ich und kneife ihn in den Arm.

„Aua. Schrei nicht so rum und hör auf mich immer zu kneifen ", lachend reibt er sich den Arm und fährt fort, „ich hab keine Ahnung an was du mal wieder denkst. Ich denke jedenfalls an das gute Essen bei meiner Oma..."

„Das war ja mal wieder typisch. In deinem Hirn sieht es auch nur so aus", ich Teile die Luft in unsichtbare Abschnitte, „Essen, Musik, Schlafen, Essen, Alice, Essen und nochmal Essen."

Lachend schüttelt er den Kopf, „Nein nicht ganz. Ich denke wesentlich öfter an Musik als nur ein Mal."

Ich verdrehe die Augen und forme meine Gedanken in Worte, „Ist ja auch egal. Ich habe mich nur an den Tag erinnert, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben."

„Ach ja?"

„Ja, und ich werde niemals dieses hässliche T-Shirt vergessen, dass du getragen hast."

„Ich war fünf!", verteidigt er sich lachend.

„Das spielt keine Rolle. Man kommt an seinem ersten Schultag nicht mit einem Bob der Baumeister - T-Shirt in knallorange in die Schule! "

Lachend werfen wir uns gegenseitig Kindheitsfehler an den Kopf, bis er wieder anfängt auf seiner Gitarre herumzuklimpern.

„Weißt du was, Al?"

„Wasser ist nass?"

Er lacht: „Nein nicht das. Etwas anderes. Ich habe es dir wahrscheinlich noch gar nicht erzählt. Ich will später einmal Musiker werden..."

„Doch das hast du mir schon erzählt. Öfters als du glaubst. Eigentlich fast jeden Tag", unterbreche ich ihn sanft.

„Aber da ist noch etwas anderes. Ich werde ja bald sechzehn und dann.. dann ähm-", verlegen kratzt er sich am Nacken, „-ich werde bei X-Factor mitmachen. Ich will wissen, ob ich wirklich singen kann und vielleicht hilft es mir ja meinen Traum zu verwirklichen. Du weißt ja, wie viel mir das bedeutet."

Ich nicke abwesend. Mein bester Freund bei X-Factor. Das ist ein wahnsinnig großer Schritt für ihn und ich bin total stolz.

Ich nehme seine Hand und schaue ihn an, lächelnd. „Du wirst das schaffen, ich weiß es. Ich bin schon jetzt richtig stolz auf dich. Wann geht's los?"

„Zwei Wochen nach meinem Geburtstag. Also in drei Wochen. Mum fährt dann mit mir nach Dublin."

Geschockt lasse ich seine Hand los und schaue ihn entgeistert an. Seine Worte versetzen mir einen Stich. Drei Wochen. In drei Wochen fängt es an.

„D-d-drei Wochen?! Aber...! Kann ich dich dann noch sehen?! Was ist...?!" Mir verschlägt es den Atem. Er lächelt mich entschuldigend an.

Was ist, wenn er es schafft und Irland verlässt? Das Erschreckende ist, dass ich ganz genau weiß, dass er es schaffen wird. Er wird mich verlassen, ich weiß es schon jetzt. Außer ihn habe ich aber Niemanden. Ich will nicht, dass er geht. Aber er wird gehen.

Uns bleiben noch drei Wochen.

„Bitte vergiss mich nie", platzt es plötzlich aus mir heraus und Tränen trüben meine Sicht.

Besorgt runzelt er die Stirn und nimmt mich in den Arm. „Nein, das werde ich. Nie. Ich kann dich nicht vergessen. Ich verspreche es."

Er weiß nicht, dass er sein Versprechen schon gebrochen hat, als er mir von seinem Plan erzählte. Er weiß nicht, dass dies der Anfang von unserem Ende ist.

Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt