Kapitel 1 - Glühwürmchentanz

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Winzige, grün glühende Punkte tanzten in der Nacht. Sie spiegelten sich im Flusswasser, vermischten sich mit dem diffusen Licht des Sichelmondes, der kaum mehr als ein Kratzer am Himmel war.

Auch der imposante Mond, der Mondkater, fing als Sichel an. Genau wie ein Anführer auch als Junges anfing. Oder ein berühmter Heiler.

Die wirbelnden, gelbgrünlichen Pünktchen senkten sich herab, hoben sich und tanzten, als folgten sie ihrer eigenen Melodie, einem Klang, den nur sie selbst hören konnten. Die Lichter spiegelten sich in den Augen zweier jungen Katzen, die still am Ufer saßen und andächtig dem Tanz der Glühwürmchen folgten.

"Sieh mal", flüsterte das eine. Es war ein kleiner Kater, sein Fell vermischte sich aus Gegensätzen - strahlendes Weiß wie Mondlicht und schattenschwarz wie die Nacht. Seine Augen hatten die Farbe eines aufziehenden Sturmes.

"Wo denn?", fragte die kleine Kätzin neben ihm. Ihre orangenen Augen glühten wie Funken der Sonne selbst, während ihr Körper kaum mehr als eine Silhouette in der Nacht war.

"Da vorn! Am Himmel! Siehst du die bunten Lichter?"

Wieder herrschte Stille. Die beiden Jungen drängten sich aneinander und starrten angestrengt durch die Glühwürmchen hindurch an den Himmel. Bunte Schwaden zogen sich darüber, bunte Bänder aus Licht und Wolken.

"Berghafer hatte Recht! Da sind die Nordlichter!", flüsterte die Schwarze glücklich. "Schnell! Hol Sichelmond und Frostglanz!"

Ihr Freund verschwand in den Schatten, um seine Eltern zu wecken. Auch die Kätzin stand auf und tapste auf vor Feuchtigkeit steifen Pfoten ihm nach zum Kriegerbau, um ihre beste Freundin zu holen.

Als sie vor Berghafer stand, die sich tief schlafend in ihrem Nest zusammengerollt hatte, spielte sie mit dem Gedanken, auch ihren Vater zu wecken. Doch dann verwarf sie ihn wieder - Wolkensterns Bau lag auf einer Insel, und sie befand es als zu dunkel, um über den Fluss zu springen.

"Berghafer, wach auf! Die Nordlichter sind da!", zischte sie, konnte kaum stillhalten vor Glück. Langsam regte sich die alte Kätzin, dann öffnete sie träge die Augen. "Bist du das, Schwarzjunges?"

"Ja! Komm schnell!" Ungeduldig sprang Schwarzjunges auf und ab. "Die Nordlichter sind da! Nicht, dass du sie noch verpasst!"

"Beruhige dich doch." Berghafer erhob sich vorsichtig auf ihre alten Pfoten. "Du weckst noch die anderen!"

"Gute Idee! Dann können sie es auch sehen!" Schwarzjunges stürzte schon zum nächsten Nest, in es sich Lindenflug, der zweite Anführer, bequem gemacht hatte, als Berghafer sie sanft aufhielt. "Schhhh, Kleine! Lassen wir die Krieger schlafen."

Schwarzjunges protestierte, aber die gestromerte Kätzin hob sie hoch und trug sie wieder hinaus, um sie am Ufer abzusetzen. "Weiß Frostglanz eigentlich, dass ihr euch wieder hier draußen herumtreibt?" schnurrte sie.

"Woher weißt du, dass Spinnenjunges dabei war?" fragte Schwarzjunges überrascht.

"Ich kann euch riechen. Ach, da kommen sie schon!" Berghafer schritt Frostglanz und Sichelmond entgegen. Spinnenjunges sprang hinter ihnen her. "Kommt mit!" rief er. "Dort drüben kann man sie am besten sehen!" 

Die Katzen drehten sich wieder um und folgten dem aufgedrehten Jungen. Schließlich blieb Spinnenjunges stehen, Schwarzjunges hüpfte an seine Seite, während sich die älteren Krieger neben ihnen niederließen. Frostglanz nickte höflich zu jeder Bemerkung ihres Sohnes, während Sichelmond gedankenverloren in den Himmel starrte. Vorsichtig musterte Schwarzpfote den Kater, der ihre Fellfarbe teilte, von der Seite. Seine weißen Pfoten schimmerten im Mondlicht. Schlief er etwa schon wieder?

Die bunten Lichter beleuchteten die Gesichter der Katzen. So saßen sie lange nebeneinander, bis der Mond vom Himmel verschwunden war. Frostglanz war die erste, die sich schließlich regte. Sie gähnte und streckte sich lang aus. "Gehen wir wieder schlafen?"

"Aber Mutter!" protestierte Spinnenjunges. "Die Glühwürmchen tanzen doch so schön!"

"Spinnenjunges." Sichelmond sagte nur ein Wort, aber es genügte. Mit kleinlaut angezogenem Schweif trottete der schwarzweiße Kater in die Kinderstube. Frostglanz folgte ihm, während Sichelmond wieder den Weg zum Kriegerbau einschlug.

Berghafer sagte nichts, aber Schwarzjunges konnte sehen, dass die alte Kätzin nachdachte, während sie selbst ganz in der Nacht versank. Sie liebte Nächte über alles. Schließlich stand ihre Freundin auf. "Kommst du? Wir gehen schlafen."

"Ja, Berghafer." Brav folgte Schwarzjunges ihrer Freundin in den Kriegerbau, wo sie sich neben die gestromerte Kätzin ins warme Nest kuschelte. Versunken in tiefer Geborgenheit, wurde sie schnell schläfrig, und als sie die Augen schloss, tanzten bunte Lichter vor ihr herum.


Sie träumte. Die Umgebung war ihr völlig fremd, aber sie sah, dass es sich um einen Zweibeinerort handeln musste. So oft hatte Berghafer schon von diesem erzählt...Sie bemerkte, dass sie etwas trug, und als sie hinunterschielte, konnte sie einen kurzen, rotweiß gefleckten Schweif baumeln sehen. Beute? Nein.

Ein Junges. Ihr Instinkt sagte, dass das eine junge Katze sein musste. Sie trug ein Junges?

Ihre Pfoten folgten zielstrebig einem Weg, weg von den Zweibeinern. Sie spürte die Steine unter ihren Pfoten, roch den Gestank der Monster und schmeckte bitteren Regen auf ihrer Zunge. Es fühlte sich nicht an wie ein Traum, aber es musste einer sein, denn ihr Fell war nicht schwarz, sondern braun. Und als sie in eine Pfütze blickte, erhaschte sie einen Blick auf ein ihr fremdes Gesicht. Dann führte der fremde Körper sie weiter.

Ich schaue aus der Sicht einer anderen Katze! Aber warum? wunderte sich Schwarzjunges aufgeregt. Dann setzte sie das Junge ab und ließ sich wachsam nieder. Sie konnte durch die fremden Augen die Umgebung genau erkennen, und sie spürte auch die Unruhe, die in der Luft lag.

Plötzlich ertönte ein lautes Geräuch, das Schwarzjunges nicht zuordnen konnte, die Katze aber schon - sie sprang auf und stellte sich schützend vor den kleinen rotweißen Kater, der erschöpft am Boden kauerte. Verängstigt sah Schwarzjunges in die Augen des Unwesens vor ihr, es war groß, hatte eine lange Schnauze und scharfe Lefzen. Seine Augen funkelten gierig, und seine mageren Flanken aus hervorstehenden Rippen und dreckigem Fell hoben und senkten sich schnell.

Ein Hund! schoss es der Kätzin durch den Kopf. Wäre sie sie selbst gewesen, hätte sie sich umgedreht und wäre davongerannt. So aber musste sie entsetzt mit ansehen, wie ihre Pfoten sich erhoben und tiefe Kratzer in das Fell des Ungetiers rissen.

Doch wer auch immer sie gerade war, diese Katze bewegte sich nicht schnell genug - brennender Schmerz jagte durch ihren Körper, als der Hund seine Fänge in ihren Schweif grub. Sie riss sich aus seinem Griff und sprang verzweifelt auf den mageren Rücken des Tieres. Schwarzjunges spürte die hervorstehenden Knochen unter sich, und als der Hund einen Satz nach vorn machte, schrie sie entsetzt auf, die Krallen in das blutbefleckte Fell des Hundes vergraben.

Sie hatte etwas wichtiges vergessen.

Das Junge.



Geister der Vergangenheit - Schwarz und WeißWhere stories live. Discover now