Kapitel 2

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Hamburg, 05. September 2023

Evînek rast u jîyanek azad nebû nesîbê me.- Wahre Liebe und ein freies Leben war nicht unser Schicksal.

Wie immer mache ich mich für die Uni bereit. Mein Studium der Architektur verlangt viel Zeit und Energie, aber heute freue ich mich besonders, weil Agit mich abholt. Er ist mein bester Freund, und seine fröhliche Art macht jeden Morgen besser. Gerade als ich meine Handtasche schließe, klingelt mein Handy. Es ist Agit. "Na, ist meine hevalreya min schon wach?", höre ich seine vertraute Stimme am anderen Ende. Ein breites Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. "Ja, ich bin wach. Fahren wir heute zusammen zur Uni?", frage ich. "Klar, ich bin in einer halben Stunde bei dir. Nimm mir was zum Essen mit, sonst sterbe ich noch!"

Ich rolle mit den Augen. "Hey, Agit, hör auf mit solchen Späßen. Du weißt, ich mag das nicht", sage ich etwas ernster. Er lacht laut. "Ist doch nur Spaß, Dali", antwortet er. Seine Stimme klingt warm und vertraut, und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.

Ich schaue in den Spiegel und überprüfe mein Outfit. Meine hellen Jeans passen gut zum gestreiften Hemd, das ich trage. Etwas Schmuck und meine kurzen schwarzen Stiefel vervollständigen mein Outfit. Der September ist gerade angebrochen, und es ist schon kühl genug, um einen Mantel zu tragen. Während ich meinen Mantel überwerfe, wandern meine Gedanken zu Agit. Manchmal nennt er mich hevalreya min – mein Wegbegleiter. Doch wann wird er endlich dilemin – mein Herz, sagen? Er sieht mich immer nur als seine beste Freundin, aber er weiß nicht, dass ich mehr für ihn empfinde. Merkt er es wirklich nicht?

Ich schaue ungeduldig aus dem Fenster und warte darauf, dass Agit auftaucht. In der Küche steht meine Mama und bereitet das Frühstück zu. "Dayika delal!", rufe ich und gehe zu ihr. "Meine hübsche Mama", sage ich und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. Sie lächelt und ihre Augen strahlen. "Ach, wer hat denn heute so gute Laune? Holt Agit dich etwa wieder ab?", fragt sie mit einem wissenden Lächeln. Ich nicke und grinse. "Mama, wann rufst du Tante Nayla und ihre Familie wieder zum Abendessen?", frage ich beiläufig, obwohl ich innerlich gespannt auf ihre Antwort warte.

Meine Mutter sieht mich an. "Gib es zu, du willst am liebsten 24 Stunden mit Agit verbringen, oder? Wenn du willst, rede ich mit Nayla und frage, ob wir um Agits Hand anhalten sollen", sagt sie schmunzelnd. "Mama!", schreie ich und spüre, wie meine Wangen heiß werden. "Wehe, du sprichst bei ihr sowas an. Du weißt, Agit sieht mich nur als seine beste Freundin", sage ich traurig. "Dalya, du musst es ihm endlich erzählen", meint meine Mama ernst und ihre Stimme klingt sanft, aber bestimmt. Ich nicke, aber in dem Moment höre ich Agits Autohupen draußen. "Mama, er ist da! Ich muss los. Bis nachher!", rufe ich und stürme zur Tür hinaus.

Draußen wartet Agit in seinem C-Coupé, den er zum 20. Geburtstag von seinem Vater bekommen hat, als Anerkennung für seinen Studienbeginn im Bauingenieurwesen. Unsere Väter haben große Pläne für uns, sobald wir unsere Abschlüsse haben. "Endlich bist du da!", rufe ich und steige mit einem breiten Lächeln ins Auto. Ich drücke ihm ein eingepacktes Sandwich in die Hand. "Guten Appetit, mein Prinz", sage ich scherzhaft und kneife ihn in die Wange.

"Dalya, hör auf! Was, wenn deine Mama uns sieht? Sie denkt am Ende noch, dass zwischen uns was läuft", sagt er und ich zucke mit den Schultern. Vielleicht soll sie das ja, denke ich im Stillen, aber ich sage nichts. Wir fahren los und drehen die Musik laut auf. Kanye Wests „Heartless"dröhnt durch die Lautsprecher, und wir singen laut mit: "In the night I hear 'em talk / The coldest story ever told...". Wir lachen und schauen uns dabei an, als wäre die Welt um uns herum vergessen.

An der Uni angekommen, gehen wir zum Computerraum. Agit ist fast zwei Köpfe größer als ich und geht deshalb schneller. "Agit, warte auf mich! Meine Beine sind nicht so lang", rufe ich lachend und sprinte hinter ihm her. Im Computerraum melde ich mich an und öffne das Programm CAD, um Baupläne zu entwerfen. Agit sitzt neben mir, während ich gestresst auf den Bildschirm starre und nicht viel verstehe. Ich bewege die Maus ziellos hin und her. Plötzlich legt Agit seine Hand auf meine und führt die Maus in die richtige Richtung. Mein Herz bleibt fast stehen. Seine Hand liegt auf meiner, und er ist so nah, dass ich sein Parfüm riechen kann. Montale Spices, dass ich ihm geschenkt habe. "Dalya, konzentrier dich jetzt und hör mir zu", sagt er und erklärt das Programm, aber ich kann nur ihn anschauen.

𝐊𝐮𝐫𝐝𝐢𝐬𝐡 𝐑𝐨𝐮𝐥𝐞𝐭𝐭𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt