Kapitel 2: Colin

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Julia: Bist du schon in Erfurt angekommen? Ich vermisse dich jetzt schon total!

Ich schaute von meinem Handy wieder zurück zu dem ziemlich groß wirkenden Gebäude, welches umgeben von Bäumen und Natur vor mir stand. Das Internat, welches zum Albert-Einstein-Gymnasium in Erfurt gehörte und von nun an mein neues Zuhause sein würde. Konnte man ein Internat wirklich als Zuhause betrachten? Ich hatte mir nie zuvor Gedanken über sowas gemacht, da ich nie gedacht hätte, das ich jemals in einem Internat leben würde.

Meine Mutter hatte viel über diese Schule gehört und auch gelesen. Sie war der Meinung, dass dieses Gymnasium perfekt für mich war, besonders weil es mehr als nur den täglichen Unterricht zu bieten hatte. An meiner alten Schule waren meine Noten super, aber der Unterricht langweilte mich auch oft, da es meistens nur trockene Theorie war. Am Einstein stand wohl auch viel praktischer Unterricht durch die verschiedenen Module im Vordergrund und das fand ich ziemlich interessant und es war einer der Hauptgründe, warum ich mich letztendlich für eine Schule entschieden hatte, die nicht gerade bei mir um die Ecke war. Ich wollte neue Dinge ausprobieren. Besonders technische und naturwissenschaftliche Dinge konnten mein Interesse immer wecken und davon bot das Einstein reichlich.

Ich: Bin gerade angekommen. Der Zug hatte totale Verspätung.

Endlich gab ich Julia eine Antwort. Julia war meine beste Freundin seit dem Kindergarten und wir waren seit dem Tag, an dem wir uns kennengelernt hatten, unzertrennlich gewesen. Nun begann für uns beide ein neuer Abschnitt in unserem Leben, denn nicht nur ich würde von nun an weit weg von Zuhause sein, sondern auch Julia. Sie wollte Schauspielerin werden und in Köln gab es eine Schule mit dem Schwerpunkt auf Schauspielerei in Film und Theater. Unsere alte Schule hatte nicht mal eine Theater AG. Zum ersten mal würden wir nicht auf dieselbe Schule gehen und für länger als nur ein paar Tage voneinander getrennt sein. Für Julia würde es kein Problem sein neue Leute kennenzulernen, aber bei mir würde das anders sein. Mir war es noch nie leicht gefallen neue Freunde zu finden oder überhaupt mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Irgendwie kam ich mir dabei immer vor wie ein Trottel, weil ich nie wusste, was ich sagen sollte. Nur mit Julia war es damals anders gewesen, aber das lag wohl auch daran, dass wir damals noch im Kindergarten waren und Julia schon immer sehr offen und selbstbewusst war. Oft sprach sie dann einfach für uns beide. An meiner alten Schule war sie meine einzige Freundin gewesen, obwohl wir immer mit ziemlich vielen Leuten Zeit verbracht hatten, aber das waren ihre Freunde gewesen und für mich nur Bekannte. Ich hatte vielleicht zwei oder drei Sätze mit diesen Leuten geredet.

Mir von nun an ein Zimmer mit einem oder mehreren Mitbewohnern zu teilen, würde definitiv eine Herausforderung für mich werden, denn ich wollte zwar neue Freunde finden, aber meistens versaute ich den ersten Eindruck so dermaßen und bekam dann nur schiefe Blicke.

Julia: Und wie ist das Internat? Weißt du schon mit wem du dir ein Zimmer teilst?

Ich: Ich stehe immer noch davor. Ich sollte reingehen, oder?

Julia: Naja, wenn du nicht planst das ganze Schuljahr draußen zu verbringen, dann solltest du das tun. Denk dran, irgendwann kommt der Winter.

Ich wusste, dass Julia versuchte witzig zu sein, um mich irgendwie aufzuheitern, denn sie wusste, wie nervös ich war. Die ganzen letzten Tage hatte ich ihr die Ohren vollgejammert, weil ich so viel Angst vor dem ersten Tag im Internat hatte. Ich wollte wirklich neue Freunde finden und nicht gleich wieder den ersten Eindruck versauen. Manchmal verstand ich es wirklich nicht, wieso ich neuen Leuten gegenüber so schüchtern war und kaum ein Wort herausbrachte. All die Jahre mit Julia und ihrem Selbstbewusstsein hätten ruhig ein wenig auf mich abfärben können.

Irgendwo Ankommen || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt