Kapitel 3: Noah

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Ich lag auf meinem Bett und blendete die ganze Welt um mich herum aus.

Nachdem ich mein neues Zimmer am Nachmittag wieder verlassen hatte, war ich einige Stunden im Wald gewesen. Die Zeit allein hatte wirklich gut für mich und hatte mir geholfen, dass Chaos in meinem Kopf und die Wut auf meine Eltern etwas zu beruhigen. Ich hatte versucht alles um mich herum für eine Weile zu vergessen. Nachdem ich jedoch wieder zurück in mein Zimmer kam, holte mich die Realität wieder ein, denn mein Mitbewohner war angekommen.

Colin stand vor seinem Kleiderschrank. Dunkle Haare mit Locken und fast schon etwas verängstigte grüne Augen. Der arme Kerl starb offensichtlich tausend Tode, weil er keine Ahnung hatte, was er zu mir sagen sollte. Ich hatte aber auch ein Interesse an einem Gespräch mit ihm und schaute ihn nur kurz an, nachdem ich meine Kopfhörer abgenommen hatte. Er wirkte wie das komplette Gegenteil von mir. Ohne das er auch nur ein Wort zu mir sagen musste, wusste ich, dass er dieser nette Junge von nebenan war, der garantiert total glücklich darüber war hier zu sein und das alles als neue Chance sah.

Ich wollte nicht hier sein. Schon jetzt wollte ich einfach nur in den nächsten Zug zurück nach München steigen. Mein Leben dort war zwar auch nicht besser, aber immerhin hatte ich dort meine Freiheit und konnte machen was ich wollte. Meine Eltern kümmerten sich sowieso nicht. Meine alte Schule war auch echt mies gewesen, aber wenigstens haben mich dort alle in Ruhe gelassen, denn sie wussten, dass ich sowieso kein Interesse an Freundschaften hatte. Ich war schon immer ein Einzelgänger gewesen und es störte mich absolut nicht.

"Hey, ich bin Colin. Dein Mitbewohner." Hatte er das gerade wirklich gesagt? War das nicht offensichtlich? Ich schaute ihn an und konnte sehen, dass er in diesem Moment jedes gesagte Wort bereute, denn ihm war offensichtlich auch klar geworden, wie doof es klang.

"Was du nicht sagst. Hätte ich jetzt nicht gedacht." Meine Antwort kam trocken und ohne Interesse. Natürlich mussten wir uns dieses Zimmer teilen, aber das bedeutete noch lange nicht, dass ich diesen Colin mögen musste. Es war mir vollkommen egal, ob er nett war oder nicht. Mit meinen Worten beendete ich auch das Gespräch und ließ mich auf mein Bett fallen, mit dem Rücken zu Colin und ich setzte meine Kopfhörer wieder auf. Am liebsten wollte ich die Lautstärke meiner Musik auf Anschlag drehen. 

Ich fühlte mich in diesem Internat total fehl am Platz und auch in diesem Zimmer fühlte ich mich wie ein Fremder. Ich schloss die Augen. Nur am Nachmittag im Wald hatte ich ein paar Momente, in denen ich mich nicht vollkommen verloren gefühlt hatte. Die Ruhe hatte mir echt gut getan. Kurz huschte mein Blick wieder zu Colin, der sich wieder damit beschäftigte, seinen Schrank einzuräumen. Er wirkte nicht wie der Typ Mensch, der besonders laut oder seltsam war. Er wirkte ruhig, vielleicht sogar ein bisschen unsicher und schüchtern, aber das konnte ich nicht wissen, denn ich kannte diesen Jungen nicht. Nach wenigen Sekunden, drehte ich ihm wieder den Rücken zu und schaute aus dem Fenster.

Irgendwann war meine Playlist zuende und um mich herum wurde es ruhig. Ich nahm meine Kopfhörer wieder ab und schaute mich im Zimmer um. Colin war verschwunden. Anscheinend hatte er das Zimmer verlassen, während ich in meine Musik vertieft gewesen war. Wahrscheinlich war er zum Abendessen gegangen. Der Zeit nach könnte das der Grund für seine Abwesenheit sein. Ich legte die Kopfhörer und mein Handy auf das Bett und griff nach meinem Rucksack. Irgendwo war noch eine Tüte Chips, denn ich hatte keine Lust auf ein Abendessen mit den anderen Leuten hier, doch gerade als ich die Tüte aus meinem Rucksack zog, klopfte es an der Tür. Genervt stand ich auf. Wahrscheinlich war es diese Frau Schiller um mich zum Abendessen zu holen oder um zu schauen ob ich auch brav in meinem Zimmer war. Wenn es wirklich so war, dann nervte mich das jetzt schon.

Als ich die Tür jedoch öffnete, stand da nicht die Schiller, sondern ein Junge mit Brille. Er hielt eine Flasche mit einem komisch aussehenden Getränk in der Hand. "Ich glaube du stehst vor der falschen Tür." Ich wollte die Tür wieder schließen, doch der Junge, der wie ein seltsamer Professor gekleidet war, schlüpfte schnell ins Zimmer.

Irgendwo Ankommen || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt