Kapitel 13: Noah

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In meinem Kopf war absolutes Chaos und die Gedanken überschlugen sich im Sekundentakt.

Ich wollte Colin von meinen Eltern erzählen, aber wusste nicht so richtig wo ich überhaupt anfangen sollte. Es gab einfach so viel und es würde verdammt schmerzhaft für mich werden, denn es würde sich auch wie eine kleine Reise in die Vergangenheit anfühlen.

Die Entscheidung ihm nun doch etwas für mich sehr persönliches zu erzählen, hatte ich nicht einfach so getroffen. Ich hatte gemerkt, dass Colin wirklich ehrlich war und wirklich Interesse an mir als Person und meinem Leben hatte. Er hatte auch keine Angst davor mir die Meinung zu sagen, egal wie meine Reaktion darauf sein würde. Irgendwie hatte ich das gebraucht, denn machmal verlor ich die Kontrolle über mein eigenes Verhalten, nur um mich selbst zu schützen.

"Also... ich denke, dass ich einfach mal ganz am Anfang anfange, sonst kommst du da nicht mit." Ich atmete tief durch, versuchte die Nervosität in meiner Stimme zu verstecken.

Colin und ich saßen wieder auf seinem Bett, zwischen uns noch immer Popcorn, Snacks und mein Laptop, doch keiner von uns rührte etwas an. Ich fühlte mich sowieso, als ob ein großer Stein in meinem Magen lag. Ich wusste genau, was ich sagen wollte, aber es war verdammt schwer die Worte zu finden und auszusprechen.

"Sicher das du das wirklich willst?" Colin klang besorgt, denn auch er schien bemerkt zu haben, wie sehr ich mit mir und mit den Worten zu kämpfen hatte. Kurz huschte mein Blick zu ihm. Er schaute mich mit einer Mischung aus Mitgefühl und Neugier an. Nichts daran wirkte abwertend oder so, als ob er meine Worte irgendwann gegen mich verwenden würde. Das gab mir ein bisschen mehr Sicherheit.

Ich nickte zaghaft. "Ja, ich will dir davon erzählen, weil..." Kurz musste ich wieder nach Worten suchen und kramte in dem Chaos, welches in meinem Kopf herrschte. "Ich denke, dass du mich dann ein bisschen besser verstehst und als Mitbewohner... naja, vielleicht ist das ganz gut so." In meinem Hinterkopf war noch immer die Idee schnell wieder aus Erfurt zu verschwinden, aber dazu gehörte ein bisschen Planung, denn immerhin wollte ich nicht zurück zu meinen Eltern, sondern irgendwie allein klarkommen. So einen Plan hatte ich nicht innerhalb von ein paar Tagen auf die Beine gestellt, also musste es erstmal so klappen und ich musste mich meinem Schicksal mit dem Internat fügen. Vielleicht würde es mit Colin als Mitbewohner aber auch nicht ganz so schrecklich werden. Besser als in München bei meinen Eltern zu sein war es auf jeden Fall.

Colin nickte, doch sagte nichts. In seinen Augen jedoch konnte ich erkennen, dass er dankbar war, weil ich bereit war ihm ein bisschen über mein Leben zu erzählen, auch wenn es wirklich schwer für mich war, denn normalerweise behielt ich immer alles für mich und hielt alle Menschen auf Abstand.

"Also gut..." Ich atmete tief durch und legte mir die nächsten Worte zurecht. Mein Herz schlug schneller und mein Puls raste. Es fühlte sich an, als ob ich einen Marathonlauf hinter mir hatte. "Als ich klein war, da sind wir ziemlich viel umgezogen, weil mein Vater ständig einen neuen Job hatte. Er hat immer wieder neue und bessere Möglichkeiten für sich gesucht und wenn es irgendwo so eine Möglichkeit gab, dann mussten meine Mutter und ich eben mit. Damals hat mich das nicht gestört. Ich dachte, dass es normal ist nie lange an einem Ort zu sein." Ich ließ mich tiefer in die Kissen hinter mir sinken und dachte kurz an diese Zeit zurück. "Bis ich in die Schule kam, hab ich zu meinem Vater aufgesehen. Er war nie so wirklich liebevoll oder hatte großes Interesse an mir oder den Dingen die ich mochte, aber er hat mir immer wieder gesagt, dass ich immer versuchen muss der Beste zu sein, besonders wenn es um Wissen geht. Mathe und Naturwissenschaften zählen für ihn am meisten. Ich war ein dummer kleiner Junge und wollte ihn beeindrucken, also hab ich schon im Kindergarten angefangen zu rechnen und hab versucht mich für Natur und diesen ganzen Kram zu begeistern. Dann fing die Schule an..." Ich stoppte kurz, denn ich wusste, dass ich langsam aber sicher zu dem Teil kam, der nicht schön war und der mich für immer verändert hatte.

Irgendwo Ankommen || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt