Irgendwo Ankommen || Nolin

Kapitel 15: Noah

Normalerweise war ich ein schlechter Schläfer. Mein Schlaf war immer unruhig und ich wachte oft auf, weil irgendwelche Träume mir den Schlaf raubten. Manchmal lag ich auch die ganze Nacht wach, weil ich über Dinge nachdachte und einfach nicht einschlafen konnte.

Diesmal war es nicht so. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte mal so gut geschlafen hatte. Das Bett war so schön warm und gemütlich, so ganz anders als in den anderen Nächten, die ich bereits im Internat verbracht hatte.

Ich blinzelte vorsichtig und öffnete langsam die Augen. Kurz war ich verwirrt. Die bunte Decke passte so überhaupt nicht zu meinem Bett. Ich blinzelte erneut und setzte mich. Die Sonne schien hell durch die bereits geöffneten Vorhänge und mein Bett war leer. Mein Bett? Ich schaute mich im Raum um und langsam begann mein noch immer ziemlich verschlafenes Hirn sich zu erinnern. Der Anruf von meinem Vater, Colin, der extra früher aus der Schule abgehauen war, weil er sich Sorgen um mich gemacht hatte. Der Horrorfilm, den wir zusammen geschaut hatten und all die Dinge, die ich ihm über meine Eltern erzählt hatte. Irgendwann war ich dann wohl in seinem Bett eingeschlafen.

Mich so zu öffnen und Colin so viel über mich und meine Eltern zu erzählen, hatte mich wirklich ziemlich viel Kraft und Überwindung gekostet, aber es war auch, als ob mir zumindest eine Last von den Schultern gefallen war, denn ich war nicht mehr ganz allein damit und die Reaktion von Colin war einfach nur super gewesen. Er hatte mich nicht voller Mitleid angesehen oder nach jedem kleinen Detail gefragt. Alles was ich ihm gesagt hatte, war ausreichend für ihn. Vielleicht war er der einzige, dem ich hier eine Chance auf Freundschaft geben konnte und wollte.

"Na, Schlafmütze. Bist du auch endlich wach? Wir sind spät dran für die Schule." Die Stimme von Colin riss mich aus meinen Gedanken. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich allein in seinem Bett war und er kam gerade zurück in unser Zimmer. Anscheinend war er bereits im Bad gewesen und eine ganze Weile vor mir aufgewacht. Es war nie mein Plan gewesen in seinem Bett einzuschlafen, aber noch immer war es einfach unglaublich bequem und warm unter seinen Decken und mit den vielen Kissen. Da sein Bett auch nicht größer als mein eigenes war, konnte ich mir vorstellen, wie unbequem die Nacht für ihn gewesen sein musste. Warum hatte er mich nicht einfach geweckt?

"Sorry, ich wollte nicht einschlafen. Du hättest mich wecken können oder einfach aus deinem Bett werfen können." Bei meinen Worten lächelte Colin nur und schüttelte den Kopf. Mir war die ganze Sache trotzdem unangenehm, denn sowas war mir noch nie zuvor passiert, aber ich hatte ja auch noch nie zuvor mit jemandem das Bett geteilt, einen Film zusammen geschaute und über meine Eltern gesprochen. So müde und kraftlos ich nach dem Gespräch auch gewesen war, irgendwie hatte ich trotzdem angefangen mich wohl bei Colin zu fühlen und ihm ein bisschen Vertrauen geschenkt. Dieses Gefühl hatte anscheinend auch dafür gesorgt, dass ich eingeschlafen bin und sogar die ganze Nacht ohne schlechte Träume oder Gedanken durchgeschlafen hatte.

"Nein, alles gut. Du hast den Schlaf gebraucht." Wieder lächelte er und ging zum Schreibtisch, griff nach einigen Schulsachen und steckte sie in seinen Rucksack. "Hast du wenigstens gut geschlafen? Als ich aufgewacht bin hast du wie ein Stein geschlafen und nichts hat dich geweckt."

"Ja... also... war ganz gut." Ich konnte ihm ja schlecht sagen, wie sehr ich die Nacht in seinem Bett genossen hatte. Das würde komplett falsch klingen. "Irgendwie finde ich das mit den Decken und den vielen Kissen ganz bequem. Könnte ich mir für mein Bett merken." Mein Blick wanderte zu meinem lieblos hergerichteten Bett, welches nur eine Decke und ein Kissen hatte und mit der erstbesten Bettwäsche bezogen war. Vielleicht sollte ich wirklich darüber nachdenken, ob ich meine Hälfte des Zimmers nicht doch ein bisschen gestalten und einrichten sollte. In der nächsten Zeit würde ich immerhin nun doch in Erfurt bleiben.