02. Fake it til you make it

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Seit vier Jahren wohne ich in Paris — es hat 2020 nach meinem Abitur mit einem Auslandsjahr angefangen mit dem Plan, nach 12 Monaten wieder zurück nach Hause zu ziehen; nun haben wir 2024. In der Zwischenzeit habe ich ein Studium angefangen und abgeschlossen, bin nun offiziell Grafikdesignerin, und außerdem verheiratet und spreche mittlerweile fließend Französisch.

Und nun überlegen mein Mann und ich, ob wir nach Berlin ziehen. Zurück nach Berlin, nach Hause. Ich vermisse Berlin. Mein ganzes Leben waren meine Familie und Freunde überall in der Welt verstreut, weshalb ich mich nie komplett heimatlich in Berlin gefühlt habe ... Nachdem ich zu Hause ausgezogen bin, sind meine Eltern und meine Schwestern ebenfalls in eine andere Stadt umgesiedelt.

Wo ist jetzt also mein zu Hause? — Berlin, weil ich dort geboren und aufgewachsen bin? Paris, weil ich hier wohne? Frankfurt, weil meine Familie dort wohnt?

So ganz kann ich es auch nicht sagen, aber das weiß ich: der Gedanke, zurück nach Berlin zu ziehen, fühlt sich wie nach Hause kommen an. Mir fehlt es, mich zu Hause zu fühlen. In Paris habe ich meine kleine, gemütliche Wohnung und mittlerweile viele meiner engsten Freunde; außerdem die Liebe meines Lebens, meine Schwiegerfamilie, und viele viele wundervolle Erinnerungen der letzten vier Jahre. — Und trotzdem bin ich hier immer "die Deutsche".

Französisch ist meine dritte Fremdsprache. Mein Sprachniveau ist C2, also bin ich auf dem Papier genauso fähig, mich zu verständigen, wie jede muttersprachliche Person. Und trotzdem ist es auf Dauer echt anstrengend, locker zehn Stunden pro Tag, wenn nicht mehr, auf meiner vierten Sprache denken und kommunizieren zu müssen.

Manchmal versuche ich mein Herz auszuschütten, und die Person vor mir versteht einfach nicht, was ich meine, weil das genaue Wort, was ich zu übersetzen versuche, einfach nicht so auf Französisch existiert, wie ich es auf Deutsch gesagt hätte. Ich vermisse es, sprechen zu können, ohne überlegen zu müssen. Ich vermisse es, ein Wort gezielt auszusuchen und damit spezifisch genug zu sein, anstatt noch drei Sätze dranzuhängen und andauernd drumherum reden zu müssen, weil Französisch weniger anpassungsfähig und detailliert ist als Deutsch.

In Paris zu leben bedeutet für mich, dass mein Gehirn konstant auf Hochtouren Multitasking betreibt, und dass ich generell eine Stunde mehr Schlaf brauche, weil es verdammt nochmal anstrengend ist.

Ich will nach Hause. Ich kann nicht mehr.

Die Witze hier sind nicht witzig auf dieselbe Art wie in Berlin. Ich vermisse meine beste Freundin. Ich vermisse es, nicht immer kulturellen und Sprachkontext geben zu müssen, wenn ich meiner Familie Geschichten aus meinem Alltag erzähle.

Ich will nicht so tun, als wäre ein Umzug zurück in die Heimat eine lebensrettende Maßnahme, und als würde sich automatisch alles ändern, nur weil die Menschen um mich herum auf einmal Deutsch und meinen Humor verstehen. Aber ich musste einfach mal kurz mein Herz ausschütten.

Und jetzt bin ich also gerade dabei, unseren ganzen Haushalt, den ich in den letzten vier Jahren hier angesammelt habe, in Umzugskisten einzupacken und darüber zu fantasieren, wie es wohl sein wird, zurück in der Hauptstadt zu sein. Früher habe ich Berlin nicht als meine Heimat gesehen, glaube ich. Aber das war vor meinem Umzug nach Paris, bevor ich überhaupt verstanden habe, was für ein großer Teil meines Herzens hier immer noch hängt.

Hier sind die Dinge, die ich verändern will:


01. Journaling

Früher war das eine meiner wichtigsten Habits: jeden morgen Tagebuch schreiben. Ich bin eine Person, die viel fühlt und das, was sie fühlt, tief fühlt. Und ich verarbeite meine Emotionen dadurch, dass ich sie benenne - manchmal kann es auch helfen, darüber mit jemandem zu reden; aber natürlich kann ich mich nicht darauf verlassen, dass mir immer jemand zur Verfügung steht, der/die meine.n Therapeut.in spielen kann; und außerdem will ich auch gar nicht, dass jemand Anderes die Verantwortung für meine Gefühle und Emotionen tragen muss. Aber ich merke wirklich einen großen Unterschied, wenn ich täglich meine Gedanken und Gefühle aufschreibe, im Gegensatz dazu, wenn ich es mal ein, zwei Tage auslasse, geschweige denn gar nicht schreibe.

Jetzt wo ich in einer festen Beziehung bin, kann ich es mir nicht mehr leisten, meine Gefühle nicht im Griff zu haben. Ich weiß, das klingt hart, aber mein Mann und ich sehen beide den Wert darin, an sich selbst zu arbeiten, und das bedeutet auch, an unserer Kommunikation zu arbeiten. Und wie soll ich bitte gut kommunizieren können, wenn ich meine Emotionen nicht kontrollieren kann, weil ich gar nicht weiß, was ich fühle?


02. Sport

Seit unserer Verlobung bin ich nicht mehr im Fitnessstudio gewesen und habe damit auch nicht mehr wirklich Sport gemacht, da einfach so viel los war (mit der Verlobung auch noch mein Bachelor-Abschluss), dass ich mich einfach auf anderes konzentrieren musste und der Sport in den Hintergrund gerückt ist. Zusätzlich habe ich dann noch mit hormoneller Verhütung angefangen, worauf mein Körper sehr viel sensibler als erwartet war. Insgesamt habe ich in nicht so langer Zeit fast 20 kg zugenommen, und fühle mich gerade einfach nicht mehr wohl in meinem Körper.

Ich habe außerdem eine Vergangenheit mit gestörtem Essverhalten, weshalb ich bewusst nicht schreibe, dass ich "gesund" Essen will - was auch immer das bedeutet. Ich finde es mittlerweile generell ein bisschen problematisch, bestimmte Ernährungsmittel als "gesund" und andere als "ungesund" abzustempeln.

Nach mehreren Gesprächen mit meinem Mann, der sich der Situation natürlich bewusst ist und mich schon immer versucht hat, so gut es geht vor allem mit den mentalen Aspekten der Essstörung zu unterstützen, finde ich es trotzdem legitim, abnehmen zu wollen, um mich in meinem Körper wohl zu fühlen. Meine Essstörung war immer mehr auf Essen als auf Sport fokussiert, weshalb ich den Fokus auf Sport und weniger darauf, wieviel oder ich esse, auch nicht problematisch finde. Ich weiß, womit ich struggle und womit nicht. Klar habe ich auch immer wieder Tage, an denen ich ins Gym gehe und mich in meinem Körper unsicher fühle, aber generell führt Weightlifting eher dazu, dass ich mich gut fühle und stolz darauf bin, was mein Körper leisten kann!

Mein Mann geht seit rund anderthalb Jahren regelmäßig ins Gym und ist damit disziplinierter als ich, weshalb ich ihn gefragt habe, ob wir zusammen gehen können. Dadurch fühlt er sich geliebt und ich habe durch ihn mehr Motivation und Accountability.


03. Aufhören zu snoozen & direkt aufstehen

Bis zur ca. 11 Klasse hatte ich damit eigentlich nie ein Problem, aber sobald ich angefangen habe, meinen Wecker morgens zu snoozen, konnte ich nicht mehr zurück. Es macht einfach einen Unterschied, ob man seinen Tag damit anfängt, direkt aufzustehen, oder in einem Halbschlaf weiter zu pennen. Danach fühle ich mich immer total groggy und habe den ganzen Tag lang keine Energie, etwas zu schaffen.

Es gibt Studien, die zeigen, dass unser Gehirn den ganzen Tag lang danach strebt, was wir als allererstes getan haben nach dem aufwachen — wenn also der Tag mit aufwachen und weiterschlafen anfängt, will unser Körper den ganzen Tag lang schlafen; wenn wir aufwachen und sofort auf Instagram und TikTok doomscrollt, haben wir den Rest des Tages den Hang, andauernd zurück auf Social Media zu gehen; wenn wir nach dem Aufwachen direkt einen Spaziergang machen, journalen oder Sport machen, dann strebt unser Gehirn danach, sich geistlich auszugleichen und das Nervensystem zu regulieren.


Mehr will ich mir erstmal nicht vornehmen, da das an sich, finde ich, schon groß genug als Herausforderung ist. Ich habe seit ca. 3-4 Jahren einen Habit-Tracker mit weiteren Habits, die ich mir über längere Zeit aufgebaut habe und täglich mache. Ich möchte mich lieber darauf konzentrieren, in dem, was ich mir vornehme, beständig zu sein, als mir zu viel vorzunehmen und dann so überwältigt von meiner To-Do-Liste zu sein, dass ich es eine Woche lang durchziehe und dann ein komplettes Burnout habe.

Ich glaube, man muss zuerst verstehen, wie man tickt, bevor man ein System finden kann, was zu einem passt und mit dem man langfristig erfolgreich sein kann. Ich war schon immer eine Person, die gerne alles aufgeschrieben, vorausgeplant und organisiert hat, damit ich meine Ziele vor Augen behalte. Und jetzt bin ich auch motiviert und freue mich darauf, wirklich Alles zu geben, weil ich weiß, wie mein Gehirn funktioniert und ich Zuversicht habe, dass es absolut machbar ist.

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