Die leisen Töne der Vertrautheit

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Mit jedem Treffen wuchs die Vertrautheit zwischen dir und Richard.
Ihr habt nicht nur an neuen Stücken gearbeitet, sondern auch angefangen, Zeit miteinander zu verbringen, die nichts mit Musik zu tun hatte.
Die Gespräche, die einst nur über kreative Prozesse und musikalische Ideen gingen, entwickelten sich zu tiefgründigen Diskussionen über das Leben, die Welt und die Dinge, die euch beide bewegten.

Eines Abends, als ihr euch wieder im Studio traft, schlug Richard vor, dass ihr eine Pause einlegen und etwas anderes machen solltet.
,,Ich habe das Gefühl, dass wir uns eine Auszeit verdient haben", sagte er mit einem schelmischen Lächeln.
,,Wie wäre es, wenn wir einfach mal rausgehen und die Stadt erkunden? Berlin hat nachts einen besonderen Zauber."

Du stimmtest zu, und so fandest du dich bald darauf an Richards Seite, wie ihr durch die stillen Straßen von Berlin spaziertet.
Die Stadt, die tagsüber voller Leben und Hektik war, hatte in der Nacht eine ganz andere Stimmung.
Die Lichter der Straßenlaternen tauchten die Gebäude in ein sanftes, fast nostalgisches Licht, und das Geräusch eurer Schritte auf dem Kopfsteinpflaster hallte in der Stille wider.

Ihr gingt ohne festes Ziel, ließet euch einfach treiben, und spracht über alles Mögliche- von banalen Alltagserlebnissen bis hin zu tiefen philosophischen Überlegungen.
Es war eine Art von Gespräch, die man nur mit jemandem führen kann, dem man vertraut, und die dir das Gefühl gab, dass du Richard mittlerweile auf eine Weise konnte, die nicht viele Menschen taten.

Als ihr an einem kleinen, versteckten Park vorbeikamt, blieb Richard plötzlich stehen.
,,Hier war ich schon lange nicht mehr", sagte er leise.
,,Das ist einer meiner Lieblingsorte in der Stadt. Wusstest du, dass ich hier oft herkomme, wenn ich über Dinge nachdenken muss?"

Du schütteltest den Kopf.
,,Nein, das wusste ich nicht. Warum gerade hier?"

Er setzte sich auf eine der Bänke und deutete auf die Bäume, die den Park umgaben.
,,Weil es ruhig ist. Hier fühle ich mich irgendwie geerdet. Manchmal, wenn alles zu viel wird- die Touren, die Aufnahmen, der Druck- komme ich hierher, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen."

Du setzte dich neben ihn, und für einen Moment saßet ihr einfach schweigend da, den Geräuschen der Nacht lauschend.
Es war eine angenehme Stille, die sich nicht unangenehm oder erzwungen anfühlte, sondern einfach nur friedlich.

,,Ich denke oft darüber nach, wie wir uns ausdrücken", sagte Richard schließlich, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
,,Wir Musiker tun das durch unsere Lieder, aber es gibt so viel mehr, das wir nicht ausdrücken können, oder nicht auf die gleiche Weise."

Du nicktest.
,,Manchmal denke ich, dass die besten Dinge unausgesprochen bleiben. Sie sind wie die Töne, die zwischen den Noten liegen- man kann sie nicht hören, aber sie sind da, und sie machen die Melodie komplett."

Richard sah dich lange an, als ob er deine Worte auf einer tieferen Ebene verstehen würde.
,,Das stimmt", sagte er schließlich.
,,Und ich denke, das gilt nicht nur für die Musik."

In diesem Moment spürtest du, dass sich etwas zwischen euch verändert hatte.
Es war keine dramatische Wendung, sondern eher ein leises Einverständnis, eine unausgesprochene Verbindung, die euch noch näher brachte.
Ihr saßt weiter auf der Bank, ohne die Notwendigkeit zu verspüren, zu sprechen, und doch war es, als ob ihr ein tiefes Gespräch führen würdet- eines, das über Worte hinausging.

Die Nacht verging, und als die ersten Anzeichen des Morgens am Horizont auftauchten, beschlosst ihr, zurückzugehen.
Doch dieser Abend blieb in deinem Gedächtnis haften, nicht wegen der Worte, die gesprochen wurden, sondern wegen der Stille, die ihr miteinander geteilt habt.

Richard begleitete dich bis zu deiner Haustür.
Bevor ihr euch verabschiedet, hielt er einen Moment inne und sah die in die Augen.
,,Danke, dass du diesen Abend mit mir verbracht hast", sagte er, seine Stimme warm und ehrlich.
,,Es bedeutet mir mehr, als ich in Worte fassen kann."

Du lächelst und erwiderst den Blick.
,,Ich denke, manche Dinge brauchen keine Worte, Richard."

Er nickte und trat dann zurück, doch du konntest das Gefühl nicht loswerden, dass dies erst der Anfang von etwas viel Tieferem war- einer Verbindung, die sich weiter entwickeln würde, so wie eine Melodie, die immer komplexer und schöner wird, je länger sie gespielt wird.

Die Melodie Des Unbekannten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt