Im Schatten der Bühne

13 3 1
                                    

Einige Wochen vergingen, seit du und Richard die Nacht im Park verbracht hattet.
Die Verbindung zwischen euch war gewachsen, und obwohl ihr nicht jeden Tag miteinander spracht, war da eine stille Übereinkunft, ein gegenseitiges Verständnis, das ohne Worte auskam.
Eure Treffen wurden häufiger, und die Musik war immer der gemeinsame Nenner, der euch zusammenbrachte.

Richard hatte dich eingeladen, ihm bei einem anstehenden Auftritt zu assistieren.
Es sollte ein kleines, intimes Konzert sein, das er zusammen mit einigen befreundeten Musikern geben wollte.
Die Idee, hinter die Kulissen zu schauen und ihm bei der Vorbereitung zu helfen, war aufregend und ein wenig einschüchternd zugleich.
Du wusstest, dass dies eine Welt war, die du bisher nur von außen betrachtet hattest- und nun würde sie ein Stück weit auch deine Welt werden.

Der Auftritt fand in einem kleinen, aber bekannten Club statt, der für seine intime Atmosphäre und seine Nähe zum Publikum berühmt war.
Als du dort ankamst, herrschte bereits geschäftiges Treiben.
Die Crew war damit beschäftigt, die Bühne aufzubauen, die Technik einzustellen und sicherzustellen, dass alles für den Abend bereit war.
Richard stand mitten im Raum, seine Gitarre in der Hand, während er mit einem der Tontechniker sprach.

Als er dich sah, hellte sich sein Gesicht auf.
,,Da bist du ja! Perfektes Timing", sagte er und kam auf dich zu.
,,Ich könnte deine Hilfe wirklich gebrauchen. Wir haben hier ein paar Probleme mit der Verkabelung, und ich könnte jemanden brauchen, der mir mit dem Setup hilft."

Du nicktest, froh darüber, dich nützlich machen zu können.
Gemeinsam verbrachtet ihr die nächsten Stunden damit, die Technik zu überprüfen, Instrumente zu stimmen und sicherzustellen, dass alles reibungslos funktionierte.
Du warst überrascht, wie gut ihr als Team zusammenarbeitet- es war fast so, als hättet ihr schon immer so zusammengearbeitet.

Kurz bevor das Konzert begonnen sollte, zog sich Richard für einen Moment zurück.
Du wusstest, dass dies seine Art war, sich zu sammeln und auf das Kommende vorzubereiten.
Du folgtest ihm in einen kleinen Raum hinter der Bühne, wo er alleine saß, die Gitarre auf dem Schoß und den Blick nachdenklich auf den Boden gerichtet.

,,Alles in Ordnung?" fragtest du vorsichtig, als du eintratest.

Er sah auf und lächelte leicht.
,,Ja, ich bin nur in Gedanken versunken. Vor jedem Auftritt gibt es diesen Moment, in dem ich mich frage, ob alles gut gehen wird, ob die Musik das Publikum wirklich erreicht."

Du tratst näher und legtest eine Hand auf seine Schulter.
,,Das wird es. Du bist ein unglaublicher Musiker, und die Menschen kommen hierher, um genau das zu erleben- deine Musik, deine Leidenschaft. Sie fühlen sich genauso wie du."

Richard atmete tief durch und nickte.
,,Danke. Manchmal vergesse ich das. Es ist leicht, sich in den technischen Details und der Aufregung zu verlieren, aber letztendlich geht es nur um die Musik."

In diesem Moment kam ein Mitglied der Crew herein und gab das Zeichen, dass es Zeit war, auf die Bühne zu gehen.
Richard stand auf, legte seine Gitarre über die Schulter und wandte sich noch einmal zu dir um.
,,Wünsch mir Glück", sagte er mit einem Lächeln, das sowohl Zuversicht als auch eine Spur von Nervosität verriet.

,,Du brauchst kein Glück", erwiderst du, ,,du hast das Talent."

Mit diesen Worten verließ Richard den Raum und trat auf die Bühne.
Du folgtest ihm, bliebst aber im Schatten der Bühne, von wo aus du das Geschehen beobachten konntest.
Das Licht im Club dimmte sich, und eine erwartungsvolle Stille legte sich über das Publikum.
Dann erklangen die ersten Töne, und die Magie begann.

Richard spielte mit einer Intensität, die dich jedes Mal aufs Neue beeindruckte.
Es war, als würde er sich völlig in der Musik verlieren, und gleichzeitig war er ganz bei den Menschen im Raum.
Jeder Ton, jede Note schien direkt aus seinem Herzen zu kommen und sich wie eine unsichtbare Verbindung zwischen ihm und dem Publikum zu spannen.
Du konntest sehen, wie die Menschen auf seine Musik reagierten- wie sie lächelten, ihre Augen schlossen oder sich einfach von den Klängen tragen ließen.

Doch inmitten dieses magischen Moments geschah etwas, das dich völlig unvorbereitet traf.
Während eines besonders emotionalen Stücks wanderte Richards Blick über die Menge und blieb plötzlich an dir hängen.
Es war nur ein kurzer Augenblick, aber in diesem Moment schien die Welt für einen Moment stillzustehen.
Da war ein Ausdruck in seinen Augen, den du nicht ganz einordnen konntest- eine Mischung aus Dankbarkeit, Zuneigung und etwas Tieferem, das du nicht benennen konntest.

Als das Konzert zu Ende ging und die Menge in tosenden Applaus ausbrach, bliebst du wie verzaubert im Schatten der Bühne stehen.
Richard verbeugte sich, bedankte sich beim Publikum und verschwand dann hinter der Bühne.
Du wusstest, dass dieser Moment zwischen euch beiden etwas verändert hatte- etwas, das sich nicht so leicht in Worte fassen ließ, aber dennoch spürbar war.

Als Richard schließlich wieder bei dir war, sah er dich mit einem Lächeln an, das mehr sagte als Worte.
,,Danke, dass du da warst", sagte er leise, und du wusstest, dass er nicht nur den heutigen Abend meinte.

,,Immer", antwortest du, und in diesem Moment war klar, dass eure Beziehung sich weiterentwickelte- zu etwas Tieferem, etwas Bedeutenderem.
Es war, als hättet ihr beide eine neue Melodie in eurem gemeinsamen Leben gefunden, eine, die noch lange nachklingen würde.

Die Melodie Des Unbekannten Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt