Wenn ich ihn sah.

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Als wir bei meiner Wohnung ankamen, hatte ich das Gefühl gleich in Flammen aufgehen zu werden. Meine Stirn brannte, mein Magen bereitete mir höllische Schmerzen und mein Schädel fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. ich war ihm so dankbar. Er musste niemals für mich da sein, er musste sich nicht mal zu mir ans Bett setzten, um mich zu fragen, wo das Fieberthermometer war. Das alles tat er, weil, ja, in Wirklichkeit wusste ich nicht, warum er das alles für mich tat. Ja, natürlich, wir waren beste Freunde, doch wusste ich nicht mal einen Grund der  uns verband, nicht mal ein Hobby, für das wir beide unglaublich brannten. Ich konnte mir wirklich nicht erklären warum man sich jemals um mich sorgen oder gar kümmern würde. Aaron hatte so viele Kurse, er hatte ein Leben und ich war mir sicher, dass da nicht wirklich am Plan stand, sich um seinen kranken besten Freund zu kümmern. Gerade als er mir an die Stirn fassen wollte wich ich im aus und murmelte :" Lass es. Geh. Du solltest deine Kurse nicht verpassen." nachdem ich das gesagt hatte musste ich nicht würgen, bekam jedoch einen gewaltigen Hustenreiz. Aaron sah mich an als wäre ich verrückt, und legte, trotz meiner Standpauke seine Hand auf meine Stirn. "Erstens, würde ich dich niemals alleine lassen wenn du dir in der Uni die Seele aus dem Leib kotzt und schon gar nicht, wenn ich dich nachhause gebracht habe, um dann festzustellen, dass du unbedingt jemanden an deiner Seite brauchst und ich bin gerne dieser Jemand." Ich wusste wirklich nicht, was heute in ihn gefahren war, dass er sich so verhielt, doch machte ich es mir zu Aufgabe es herauszufinden. "Es ist im Bad, im obersten Fach vom Schrank ober dem Waschbecken." Sobald er die Informationen verarbeitet hatte, stand er eilig auf und verschwand aus meinem Zimmer. Ich war allein. Jetzt gerade in diesem Zimmer war ich alleine und das jagte mir eine Riesen große Angst ein. Was war bloß mit mir los? Ich verstand nicht, was mein Körper mir mit diesem plötzlichen Krank sein sagen wollte. Ich verstand nicht, warum Aaron sich auf einmal so komisch verhielt, ich verstand einfach nichts mehr. Vielleicht wollte ich auch einfach nichts verstehen. Manchmal verstanden wir Menschen nichts, weil wir es nicht wahrhaben wollten. Vielleicht wollten wir uns nicht eingestehen, auf den besten Freund zu stehen, oder das man seine Freundin betrogen hatte, oder auch nur weil man die Lieblings Süßigkeit seiner Schwester aufgegessen hatte. Alles konnte im Leben ein Problem sein, nur musste man manchmal seine Sichtweise ändern, um aus dem Problem, eine tolle Möglichkeit zu haben, etwas anders machen zu können, etwas zu verändern, einen wichtigen Schritt im Leben machen. Jeder noch so kleine Schritt konnte etwas riesiges im Leben verändern. Als er zurück kam, hatte er sich noch kurz bei jemandem am Telefon, dass er an sein Ohr hielt, verabschiedet und sich bedankt. Während er mir das Fieberthermometer unter meinen Arm schob fragte ich ihn wen er da angerufen hatte. "Ach, das war nur den Professor den wir zusammen in dem Mathekurs haben. Ich habe ihm gesagt, dass du dir was schlimmes eingefangen hast und auf strenge Hilfe angewiesen bist die ich übernehme da ich so ein wundervoller bester Freund bin." mir entkam ein kleines Lachen, dass sich aber schnell wieder in ein Husten verwandelte. "Das hast du getan? Wie hat er-" Wie ich diesen Husten hasste. Niemals ließ er mich ausreden. "Ja, offensichtlich habe ich es getan, Dummkopf. Und unser Professor hat nur gesagt, wie toll es doch seie, wenn sich jeder um den Seinesgleichen kümmert. Also, danke mir später, denn er wird mir den ganzen Stoff der Woche schicken, dass falls du vor Langeweile sterben solltest,  genau das natürlich nicht passieren kann.", redete Aaron darauf los, während sein Blick an dem Thermometer heftete. Ich lächelte nur in mich hinein und war.. Glücklich. Es war das ironischste der Welt, doch musste ich so richtig anfangen zu Lachen. Selbst als mich der Junge, der mir gegenüber saß mich musterte, als wäre ich ein Außerirdischer. Nein, ich lachte bis ich nicht mehr konnte und erschöpft meine Augen schloss. nach einer weiteren Minute, die sich anfühlte wie eine Stunde, fing das Fieberthermometer an zu Piepsen und Aaron nahm es heraus und verzog das Gesicht. "So hoch?", fragte ich mit schon heißerer Stimme, die bald der eines Mädchens gleichen würde. Er hielt mir das Gerät vor die Nase und ich zog erschrocken die Luft ein. Ich durfte mir wirklich etwas eingefangen haben, denn bei mir war es durchaus nicht normal, das ich in einer verdammt kurzen Zeit richtig hohes Fieber bekam. 39,5grad waren wirklich eine Nummer zu krass. "Scheiße man. Ich muss irgendwas aus der Apotheke holen und zum Arzt. Ich kann mich aber nicht mal wirklich bewegen!", sagte ich verzweifelt und griff in meine Haare und zog daran. Das tat ich immer, wenn ich sehr verzweifelt war, da es mich immer aus welchem Grund auch immer, beruhigte. "hör auf dir so einen Kopf zu machen! Wozu denkst du bin ich hier? Ruhe dich jetzt erst mal aus und in ein paar Stunden schauen wir dann weiter. Aber ich bitte dich, lass dir einfach von mir helfen." Das konnte er zweimal sagen und jedes Mal würde meine Antwort Ja lauten. Ich genoss die Zeit mit ihm, vielleicht auch ein bisschen mehr, als ich mir selber eingestehen wollte. Ich ließ mich tiefer ins Kissen sinken. Warum war ich krank? Hatte ich was schlechtes gegessen? Hatte ich Symptome ignoriert? Ich wusste es nicht, doch das, was ich wusste, war, dass ich wirklich ärger von Aaron bekommen würde könne ich nicht bald zur Ruhe kommen. Ich wusste nicht, wie lange ich probiert hatte, den Schlaf zu finden, doch war es mir nicht vergönnt. Genervt atmete ich aus, und richtete mich langsam auf. Mir wurde schwindelig und ich bemerkte, dass es mir gleich wieder hochkommen würde, weswegen ich mich aus dem Bett hievte und so schnell ich konnte, torkelte ich zum Bad. dort entleerte ich mich, bis ich nur noch trocken würgen konnte und ließ mich erschöpft gegen die Wand hinter mir sinken. Was auch immer ich mir eingefangen hatte, lustig war es wirklich nicht. Gerade als ich fast eingeschlafen war, wurde ich durch Hände, die sich unter meine Kniekehlen legten, wieder aufgeweckt. Schneller als ich reagieren konnte, war ich auch schon von Aaron hochgehoben worden der mich trug als würde ich nichts wiegen. "Lass mich runter. Ich kann alleine gehen...", ich räusperte mich um nicht ganz so heißer zu klingen, doch hatte es nicht geholfen. Aaron verdrehte nur die Augen und schüttelte mit einem Grinsen auf den Lippen den Kopf. "Hey, meine Situation ist alles, aber nicht lustig!", sagte ich empört und hustete was das ganze zu meinen Gunsten sehr unterstützte. "Jaja, nutze deine kranke Situation nur aus, um mich fertig zu machen. Ist okay." Ich lehnte mich grinsend an seine Schulter, die wirklich sehr bequem war. Er legte mich zurück ins Bett, deckte mich mit der Bettdecke zu, und wollte gerade wieder gehen doch hielt ich ihn auf. "Bitte. Bleib. Bitte", ich schloss erschöpft die Augen und seufzte traurig auf, als sich die Tür schloss. Er war gegangen. Eigentlich hätte ich mit sowas rechnen sollen, denn wer wollte mit einer kranken Person, die sich jede Minute übergeben hätte können, in einem Zimmer bleiben, geschweige denn, daneben zu sitzen. Und obwohl ich diese Fakten wusste und auch nachvollzeihen konnte, wollte ich sie nicht verstehen. Ich ließ mich tiefer und tiefer in mein Kissen sinken und wollte am liebsten in meinem Selbstmitleid ertrinken, doch wurde ich in meiner Tat unterbrochen als sich die Tür öffnete. "Hast du wirklich gedacht das ich dich alleine lasse?" Sagte die tiefe Männliche Stimme, die mir eine Gänsehaut auf meine kalte Haut zauberte. Ich schämte mich ein wenig dafür, die ganze Zeit so hilflos zu sein und merkte, wie sich meine Wangen erhitzten. Peinlich berührt drehte ich mich auf den Rücken und drückte meinen hochroten Kopf ins Kissen um einem peinlichen Gespräch aus dem weg zu gehen. "Alles gut?", fragte mich Aaron besorgt. Ich spürte wie sich eine Delle neben mir in der Matratze bildete und eine Hand sich auf meinen Rücken. Ich antwortete nicht, da ich vermutlich sowieso kein Wort heraus gebracht hätte. "Elia?", fragte er nochmal mit etwas mehr Nachdruck als vorhin. Ich brummte nur was ihm Antwort genug war. "Ich bin gleich wieder da, wirklich in Ordnung?", fragte er mit seiner sanften Stimme, die mir so weit weg vorkam. Ich rührte mich nicht, da alles so unglaublich weit weg war. Ich hörte meinen Herzschlag, das Blut rauschte mir in den Ohren. Schmerzerfühlt stöhnte ich auf, als ich mich vorsichtig wieder auf den Rücken drehen wollte und merkte das ich Gliederschmerzen des Todes hatte. Als ich erschöpft auf meinen Rücken fiel, atmete ich schwer, um mich wieder zu beruhigen. So eine kleine Bewegung war wirklich Zuviel des guten, wenn man so krank war wie ich. Ruhe. ich hasste die ewige Ruhe, die sich über meine Wohnung legte, wenn ich nicht den Fernseher eingeschalten hatte, die Ruhe, die sich in meinem Körper abspielte, die Ruhe, die mich schlafen lassen sollte, aber die ganze zeit nur Chaos in meinem Kopf verbreitete. Genau diese hasste ich, mehr als alles andere auf dieser beschissenen Welt. Ich konnte und würde nie verstehen, wie man schlafen konnte, einem aber diese Stille verfolgte, diese verdammte Ruhe! Ich stöhnte genervt und erledigt auf, als ich mich einigermaßen zusammenreisen konnte. Wie lange wollte Aaron eigentlich noch brauchen? Es waren mindestens schon mehr als fünf Minuten gewesen, die er mich hier alleine gelassen hatte. Ich verstand ihn nicht. Zuerst ging er, dann kam er wieder und dann ging er schon wieder! Das ergab doch einfach keinen Sinn. Ich machte es mir nicht mehr zur Aufgabe, über andere Personen zu grübeln sondern konzentrierte mich mehr auf meinen Körper. Er fühlte sich an, als würden in jeden Quadratzentimeter einzelne Nadeln stechen, sie bohrten sich gewaltsam in meine Haut, hinterließen aber kein Blut, kein Hinweis auf die Schmerzen die ich wegen ihnen litt. Mein Kopf wollte mir keine Ruhe lassen, ich dachte an die belanglosesten Dinge die mein Gehirn jemals aufgenommen hatte. Ich bemerkte nicht wie Aaron ins Zimmer kam, bemerkte nicht die Tränen, die in meinen Augenwinkeln sich einen Weg meine Wangen herab bahnten. Ich bemerkte nicht, wie er zu mir kam, sich neben mich saß und behutsam meinen Kopf auf seine Schulter legte, die sich wunderbar weich und bequem anfühlte. Das einzige was ich bemerkte, war das warme Gefühl, dass aufkam, wenn ich ihn sah. 

Das Unerwartete EndeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt