PART 5

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PART 5
mittelmeer

Die Sonne war bereits lange verschwunden und die Sterne am Himmel waren verdeckt.
Die Wolken waren dunkelgrau und sahen aus, wie eine riesige Decke die sich über den Himmel spannte. 
Als würden sie versuchen, die Sterne zu schützen. Sie zu schützen, vor all dem Scheiß, der hier unten passierte. Hier unten, auf den Straßen Berlins und überall sonst.

„Vina? Jetzt erzähl mal, was ist mit Can passiert?"
Ich schmunzelte. War ja klar, dass ich mich nicht lange davor drücken konnte.
„Willst du mir erstmal ne Zigarette geben?"

Ich blies den weißen Rauch aus meiner Lunge und sah ihm dabei zu, wie er immer dünner wurde und in dem dunklen Nachthimmel verschwand. Und nochmal. Und nochmal.

Wir lagen auf einem der schrägen Dächer, die Beine angewinkelt und den Blick auf die Wolken, im Augenwinkel die Lichter Pankows.
Die Dächer über Prenzlauer Berg waren die allerbesten Dächer zum chillen. Von Anfang an waren wir hier und würden hier bleiben.
Die Luken waren fast immer offen und die Gegend war mehr als nur süß.

„Hm, na ja, also eigentlich war es nicht so besonders.."

„Yo, das ist crazy. Wie süß von ihm!"
Mittlerweile war meine Zigarette abgebrannt und ich schnipste sie nach langem hin und her drehen vom Dach.
Die drei waren hin und weg. Fünf Minuten lang musste ich mir anhören, wie süß Can doch war und was für ein lustiger Zufall es war, dass er Benés bester Freund war.

„Und wie er deine Hand gehalten hat! Lovina, das ist so so süß!" Auria wedelte mit der Hand in der Luft herum und gestikulierte wild, um ihre Aussage zu verdeutlichen. Wie immer, wenn sie aufgeregt war.
Ich lachte. „Leute! Das ist nichts! Ich kenn ihn nicht und das wird höchstwahrscheinlich auch so bleiben!"

„Hallo?! Lovina, czy jesteś szalony? Oczywiście, ze nie!(bist du verrückt? Natürlich nicht!) Du und Bené seid beste Freunde! Wir kenn ihn, nur du kennst seine Freunde nicht und das ändert sich jetzt, punkt aus!" Liara wurde ganz aufgeregt, sie fing sogar an polnisch, ihre Muttersprache zu reden. Und die anderen beiden nickten nur zustimmend.
„Lia, gibst du mir die Flasche?"

Ich nahm einen Schluck und spürte, wie das bittersüße Rot meinen Rachen herunterlief.
Himmlisch.

„Wisst ihr was? Er macht Musik."
Mittlerweile hatte ich mich aufgesetzt und die Arme auf die Knie gestützt.
Meine Haare wehten ein wenig in der späten Nachtluft und eine leichte Gänsehaut zog sich über meinen Nacken.
Meine Adidas Trainingsjacke war wohl doch nicht so wärmespendend wie ich anfangs angenommen hatte.

„Yo yo yo! Das heiß!" Fassungslos sah ich Aliya an, die sich bis jetzt noch garnicht zu dem Thema geäußert hatte.
„Aliya! Das ist nicht heiß man! Wahrscheinlich so einer, der seine Musik auf Soundcloud hochlädt und sich fühlt wie der Rapper des Jahrhunderts."
„Find ich hot!"

Darauf setzte icv die Flasche erneut an meine Lippen. „Wenn du das so heiß findest, willst du dann vielleicht für mich in diesem Musikvideo mitspielen?"
Der Anblick, der sich mir jetzt bot war der Hammer!
Augenblicklich schossen die drei nach oben und blickten mich mit großen Augen an.
„Lovina! In was für einem Musikvideo wovon redest du?" Sie redeten wild durcheinander.

„Na ja Bené meinte, Can würde sein erstes großes Ding rausbringen und die brauchen ein Mädchen dafür, das bisschen seinen Lover spielt. Ja und so toll wie Bené doch ist, hat er mich vorgeschlagen und ich musste mir eine Ausrede nach der anderen einfallen lassen um da wieder raus zu kommen."

Und dann ging das Geplapper los. Jeder sagte irgendwas, versuchte mich zu überzeugen, doch bei dem Video mitzumachen.
Can und ich würden so gut passen.
Ich würde endlich was sinnvolles machen.
Es wäre vielleicht eine große Möglichkeit.
Ich würde meinem Traum vom Filmschnitt näher kommen.
Und wieder, Can und ich würden so gut zusammen passen.

Ich trank so viele Schlucke, bis nur noch eine kleine Pfütze in der Flasche übrig war, dann legte mich zurück aufs Dach.
Ich schloss meine Augen und leckte mir über die Lippen.
Bittersüß. Wie das Leben.

Wir lagen noch drei weitere Stunden auf dem Dach und schauten schweigend in die Sterne.

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