Kapitel 20: Diese Stimmen sollen aufhören, verdammt!

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Die hektischen Schritte um mich herum nahm ich kaum wahr. Immer wieder spielte sich die Szene in meinem Kopf ab. Und immer wieder verlor ich dabei. Ich hasste es zu verlieren.
Aber noch mehr verabscheute ich Schwäche.

Etwas wurde in meine Haut gestochen, jedoch vernahm ich nur ein dumpfes Pochen. Mom hätte wirklich abtreiben sollen. Es hätte vielen Menschen einiges erleichtert.

Ein Wirrwarr aus Stimmen. Alle redeten wild durcheinander. Es machte mich wahnsinnig.
Diese Stimmen sollten aufhören, verdammt! Verzweifelt hielt ich mir die Ohren zu, aber dennoch ertönte das Flüstern. Meine Augen, die ich fest zusammenpresste, öffnete ich vorsichtig und ließ meinen Blick durch den weißen, kalten Raum schweifen.

Ein großes Fenster, allerdings waren die Vorhänge zugezogen, sodass ich nicht wusste, ob es Tag oder Nacht war. Ein kleiner Tisch und zwei Sessel befanden sich ebenfalls im Zimmer.
Etwas Schweres drückte auf meinen rechten Oberschenkel.Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um einen Ethan, der tief und fest schlief.

Sonst strotzte er nur so vor Selbstbewusstsein und Stärke, aber jetzt wirkte er erschöpft und verletzlich. Offensichtlich hatte er ziemliche Probleme einzuschlafen, denn dunkle Ringe zierten sein Gesicht. Ein tiefes Seufzen entfuhr mir und nachdenklich musterte ich die Gestalt vor mir, welche es sich auf meinem Schoß gemütlich gemacht hatte. Ich streckte meine rechte Hand nach ihm aus und strich ihm zärtlich über seine Wange.

Abrupt stoppte ich in meiner Bewegung. Was tat ich da gerade bitteschön?! Meine Fingerspitzen kribbelten wie verrückt und mein Herz schlug schneller, wie ein eingesperrter Vogel im Käfig.
Sofort ertönte ein lautstarkes Piepsen und die Tür wurde blitzschnell aufgestoßen.

Ein besorgter Will stürmte in den Raum. Warte, Will? Warum er? Verwirrt blickte ich ihn an.
,,Ah, du bist aufgewacht", stellte Ethans älterer Bruder schmunzelnd fest, ehe er sich wieder einem Gerät zuwandte. Verwundert starrte ich die ganzen Kabel und Schläuche, welche um meinen linken Arm fixiert waren, an.

Ein weißlicher Schlauch führte dabei direkt in meine Vene. ,,Dir ging es gestern ziemlich beschissen. Du wurdest bewusstlos, mit einer Gehirnerschütterung und einer blutenden Platzwunde am Kopf eingeliefert.
So gegen 18:30 Uhr etwa", erklärte Will, während er konzentriert das Ventil eines Schlauches öffnete und eine durchsichtige Flüssigkeit hineinfließen ließ.

,,W-was mache ich hier? Was machst du hier?", brachte ich stotternd heraus. Mein Gegenüber nahm einen tiefen Atemzug, ehe er mir mitteilte, dass es mir, wie er vorhin schon erwähnt hatte, schlecht ging und er hier arbeitete.

,,Du bist Arzt?'' ,,Schätzchen, das weißt du doch''
Feixend blickte er mich an. Sein Gesichtsausdruck änderte sich jedoch schlagartig. ,,Ethan, hat es dir also nicht erzählt?", murmelte er mehr zu sich selbst als zu mir. Dieser ganze Kabelmist nervte mich. Schnell hüpfte ich aus dem Bett und schwankte kurz, da mich Schwindel ergriff, weil ich zu hastig aufgestanden war.

Ruckartig riss ich die Nadeln und Kabel von meinem Körper und wollte gerade meine Schuhe, die neben dem Krankenhausbett standen, anziehen, als Will mich wütend anfuhr :,,Junge Dame! Du kannst jetzt nicht einfach gehen, du hast eine schwere Gehirnerschütterung und musst über Nacht hier bleiben!"

Zornig funkelte er mich an und stemmte seine Hände in die Hüften.
,,Mir geht's gut! Danke, für deine überfürsorgliche Bemutterung, aber die brauche ich nicht!", zischte ich aufgebracht und weckte seinen Bruder, indem ich ihm einen leichten Klaps auf den Hinterkopf gab. Sofort fuhr er hoch. Verschlafen rieb er sich die Augen.

,,Rose, ich bin Arzt, verdammt! Es ist meine scheiß Pflicht, dich medizinisch zu versorgen!"
Die Temperatur des Zimmers sank gerade um einige Grad. ,,Dann sei jetzt einmal nicht der verdammte Arzt, sondern einfach nur Will", flehend blickte ich ihn an.

Ethan beobachtete das Geschehen schweigend. Blitzschnell fasste ich seine Hand und rannte los. Überrumpelt torkelte er mir hinterher. Krachend flog die Türe auf. Mehrere Leute standen auf dem Flur des Krankenhauses. Völlig außer Atem stieß ich hervor :,,Wo ist der Ausgang?"

Erschrocken musterten mich die fremden Leute. Naja, wer wäre nicht bei so einem Anblick geschockt. Wahrscheinlich sah ich gerade wie eine Geistesgestörte aus, die aus der Klapse geflüchtet war. Ein kleines Grinsen schlich sich auf meine Lippen.

Der ältere Mann schluckte nervös und zeigte zitternd nach rechts. Und wenn schon? Dann war ich halt verrückt! Im Gegensatz zu anderen Menschen gestand ich es mir ein und ließ mir nicht von unzähligen Psychiatern einreden, dass ich vollkommen normal war.

Wills donnernde Stimme ertönte. Keuchend und schnaufend bog ich um die nächste Ecke. Der Flur erschien mir endlos. Ein schmerzhaftes Stechen meines Kopfes meldete sich. Doch ich ignorierte dies. Hektisch atmend steuerte ich auf die Glastür zu, über welcher "Ausgang" stand.

Erschöpft ließ ich mich in das kühle Leder des Autositzes fallen. Alle Knochen taten mir weh.
Mein Schädel pochte wie verrückt und alles drehte sich. ,,Alles okay?" Pechschwarze Augen musterten mich eindringlich. ,,Ja", erwiderte ich knapp. Dabei wussten wir beide, dass das gelogen war.

,,Du", begann er vorsichtig, aber ich schnitt ihm harsch das Wort ab. ,,Stopp, ich habe es satt, dass jeder die ganze Zeit meint, er könne über mich bestimmen. Fahr einfach zu dem nächsten Billigladen" Es war ermüdend, sich immer und immer wiederholen zu müssen. Mein Gegenüber seufzte genervt auf, ehe er nickte.

Reifen quietschten schreiend auf und das Fahrzeug setzte sich in Bewegung. Die Fahrt über war es still. Rasch schloss ich die Autotür und schnallte mich an.

Am Heimweg fuhren meine Finger immer wieder über das harte Plastik des Wertkartenhandys. Trotz des Spottpreises, für den ich es gekauft hatte, schien es gar nicht so eine schlechte Qualität zu haben.

,,Wofür brauchst du denn ein Wertkartenhandy? Du wirst doch wohl ein normales Smartphone besitzen, oder etwa nicht?" Das kleine schwarze Ding hatte Ethans Aufmerksamkeit erregt.
Kurz lachte ich auf, ehe ich ihm eine Antwort gab :,, Natürlich, ich lebe doch nicht auf dem Mond. Auch wenn mein Smartphone gerade in meinem Zimmer bei meiner Mom mit wahrscheinlich null Batterie liegt, habe ich dieses Telefon nicht deshalb gekauft.
Sagen wir... ich habe es für ein kleines Experiment gekauft"

Dabei konnte ich mir ein teuflisches Grinsen nicht verkneifen. Ein tiefes, brummendes Lachen durchfuhr Wills jüngeren Bruder. ,,Du meinst, du hast es für Telefonstreiche gekauft, oder wie soll ich das jetzt verstehen?" Meine Stimme troff nur so vor Ironie :,, Ich doch nicht. So etwas würde ich niemals tun. Außerdem bin ich ein braves Mädchen" Frech streckte ich ihm meine Zunge entgegen.

Wenn Kleine Mädchen Trinken Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt