5. Mal umsehen

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Der Vorsatz sich Mal umzusehen scheiterte zunächst an den Möglichkeiten. Niall lebte in einer Kleinstadt. Hier gab es keine queeren Jugendtreffs, keine fancy Cafés oder irgendwas. Niall suchte nach Möglichkeiten, aber musste Recht schnell einsehen, dass das mit dem Umgucken gar nicht so leicht war, wie er sich das vorher so gedacht hatte. Er wusste auch nicht, über wen sonst noch gemunkelt wurde, dass der in Frage kommen könnte. Niall sollte dringend Mal mehr auf das Gossipgequatsche in der Schule geben.
Aber es gab ja glücklicherweise das Tor zur Welt, welches auch einem sich unverstanden fühlenden Jungen aus der Kleinstadt offen stand: Das Internet. Niall gab sich einfach als achtzehn aus. Es gab mehr Anfragen, wenn er angab, dass er sechzehn war. Aber das war ihm irgendwie seltsam, wenn Leute ihn nur wollten, weil er unter achtzehn Jahren alt war. Einen Tag achtzehn war er somit nun schon eine Weile länger. Und es klappte. Denn selbst in seiner Kleinstadt gab es Männer, die schwul waren. Sie rannten nur nicht alle mit einem Regenbogen über dem Kopf herum, damit er sie finden konnte.
So lernte er als Erstes Benjamin kennen. Einen Mann in den vierzigern mit Frau und Kind. Es war aufregend und äußerst befriedigend. Niall stellte fest, dass er Sex im Allgemeinen sehr mochte. Auch ohne, dass er eine innigere Beziehung mit der Person haben musste. Fremd ging auch super. Und verfolgte ihn nicht. Denn bei seinem zweiten Sexytreffen mit Oliver, einem Studenten im Heimatbesuch, blamierte er sich ziemlich. Also diverse Körpergeräusche in gewissen Situationen waren nicht sooo toll. Aber Oliver meinte, dass das dazu gehöre, als Niall am Liebsten in Tränen hatte ausbrechen wollen. Peinlicher war im Nachhinein eher sein Herumgeflenne, als die musikalische Darbietung seines Körpers. Aber Oliver ging wieder studieren, nahm die Peinlichkeit quasi mit und Niall profitierte von der Erfahrung.
Es war nicht so, als habe er jedes Wochenende ein Date. Er kam sich ein bisschen vor wie ein Jäger. Manchmal bekam er das Mammut und manchmal musste er eben Wurzeln kauen. Also im übertragenen Sinne. Und es gab nicht unendlich viele Mammuts und Niall war nicht der begnadedste Jäger. Aber auch er verhungerte nicht. Und es gab ja auch immernoch Patrick. Der wollte von seinen Erlebnissen gar nicht so gern was wissen. Dabei würde Niall auch Kontakte vermitteln. Aber Patrick war in der Hinsicht vielleicht auch einfach etwas komisch. Wobei sie zu einer Form gefunden hatten, mit der sie irgendwie leben konnten: Patrick lebte an Niall sein Nähebedürfnis aus und Niall sorgte dafür, dass Patrick auch Mal Sex hatte. Gut, der weckte ihn Nachts, obwohl er gerade was Schönes träumte wegen Nichtigkeiten und sowas. Aber man konnte vielleicht auch einfach nicht alles haben. Apropos... Egal ob bei Patrick oder den anderen:  Es fehlte was. Vielleicht hatte es auch nur so geprickelt, weil es sein erstes Mal gewesen war? Machte das den großen Unterschied? Sein erstes Mal war ein Rausch gewesen. Von vorn bis hinten. Und alles danach... Es war geil, ja. Aber es war nicht diese Art prickeln. Wenn er auf dem Schwanz von nem Typen ritt, fühlte sich das geil an, aber... es war anders.

"Niall, ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.", erklärte Patrick knapp ein Jahr nach dem Start ihrer Affäre, während sie im Bett lagen. Beide noch verklebt von ihren Aktivitäten eben. Niall hatte so etwas schon befürchtet. Seit längerem. Er hatte nur gehofft, sie könnten es einfach beide ignorieren. Bis es vorbei war. Wie ein Gewitter oder eine Grippe. Bitte bitte nicht, dachte Niall. Es tat ihm weh. Ab jetzt würde es weh tun. Worte taten niemandem weh? Von wegen. Worte waren am schlimmsten. Auf Macken konnte man Pflaster kleben. Auf die Seele nicht. Und mit dem Aussprechen dessen, was Patrick eben gesagt hatte, schuf er Fakten.
"Patrick..."
"Ich weiß... Ich dachte nur, du solltest es trotzdem wissen.", murmelte Patrick und stand auf. Zog sich den Pulli grob wieder über den Kopf.
"Wo willst du hin?", fragte Niall. Alles war kalt. Auf eine unangenehme Weise. Es fühlte sich schlimmer an, als wenn Patrick an ihm herum geklebt hatte.
"Gehen. Mir einen Gefallen tun. Gemischte Signale sollte man als nein verstehen.", sprach Patrick auf diese verletzte Weise, die Niall innerlich in Scheiben schnitt.
"Wir haben doch gesagt: nur Spaß.", wimmerte Niall. Er wusste nicht, dass er überhaupt jemals irgendwelche Signale gesendet hatte.
"Ja, aber... Man kann das nicht steuern... Und so macht es zwar im dem Moment Spaß... Aber hinterher überhaupt nicht."
"Es tut mir Leid, Patrick..."
"Mir auch, Niall."
Und dann ging er.

Sie gingen noch in eine Klasse, aber dennoch war alles anders danach. Nicht wie Lover und nicht wie Feinde. Eher wie Fremde, die Erinnerungen teilten. Niall tat dieser Umstand mehr weh, als Patrick wohl jemals geahnt hätte. Hätte es ihn gefreut, wenn er es gewusst hätte? Vielleicht.
Es war jedenfalls nicht so, als hätte Patrick ihm nichts bedeutet. Es gab so viele schöne Gefühle. Wieso waren die Leute enttäuscht, wenn es nicht Liebe war? Niall wusste es nicht. Er wusste nur, dass er seine beiden besten Freunde verloren hatte. Im Abstand von einem Jahr und letztlich beide durch die gleiche Aktion. Bei dem einem hatte es letztlich nur länger gedauert, als bei dem anderen. Sex konnte einfach verdammt viel kaputt machen. Aber war es wirklich der Sex gewesen? Oder waren es letztlich nicht immer Gefühle, die einen selbst überrumpelten? Waren es nicht viel mehr Erwartungen und Vorstellungen, die sie einander haben fremd werden lassen? Im Grunde hatte der Sex nur gezeigt, dass sie Spaß miteinander haben konnten. Viel Spaß. Wären nicht alle irgendwie ausgeflippt, wäre es super gewesen. Aber so... So war Niall nun allein. Er hatte Bekannte. Aber seine beiden Freunde waren weg. Er verfluchte sich, dass er Patricks Gefühle nicht einfach erwidert hatte. Dann wäre er jetzt nicht allein. Aber... Patrick war ihm wichtig gewesen. Als Freund. Er hatte ihm nichts vormachen wollen. Und sich selbst auch nicht. Die Schule war danach ziemlich trostlos. Niall schwamm so mit und war froh, als es ein weiteres Jahr später vorbei war. Ein paar Affären hatte er gehabt. Nichts Großes. Er würde nach London gehen. Er wollte eine Ausbildung machen. Vorerst würde er bei seinem Cousin Zayn wohnen. Und vielleicht würde er bald das Prickeln wieder finden.. denn er würde lernen müssen, dass er das leichter finden konnte, als echte Freunde...

Die Geschichte vor dem Handcuffs ist, wie ihr wohl schon bemerkt habt, Recht knapp. Das liegt daran, dass es ja quasi nur die Vorgeschichte ist. Wie seht ihr Nialls bisheriges Leben so?
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

BDSM 3 (Niam) LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt