Seit Stunden liege ich schon reglos im Bett und starre die Zimmerdecke an. Es scheint für mich zur Zeit nichts interessanteres zu geben. Was soll ich denn auch tun? In der Wohnung, in der ich anscheinend lebe, wohnt noch jemand anderes, von dem ich keine Ahnung habe. Auch wenn ich gestern sehr optimistisch war, weil sie auf den Bildern sehr freundlich aussah, kenne ich sie im Grunde gar nicht. Sie ist mir vollkommen fremd und das macht mir Angst. Zu wissen, dass eine mir völlig fremde Person mich beinahe in und auswendig kennt, macht mir Angst. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig, als sie kennen zu lernen, denn ich werde auch in Zukunft gerne ein Dach über meinem Kopf haben wollen. Nur weil ich sie nicht kenne, ist es kein Grund auszuziehen. Aber vielleicht ist es ein Grund Angst zu haben. Was wenn ich nicht mehr die Person bin, die sie gekannt hat? Werden wir uns dann überhaupt verstehen? Ich muss es herausfinden.
Gezwungener Maßen stehe ich auf und gehe zu meinem Kleiderschrank, um ihn zu öffnen. Ich entscheide mich für eine schwarze, lange Hose und einem schwarzen Top. Ich war noch nie jemand, der auffällige Dinge mochte, auch wenn es um Kleidung ging.
Fertig angekleidet gehe ich in die Küche, wo bereits etwas fertiges liegt. Es sieht aus wie ein Lunchpaket. Daneben liegt ein kleiner Zettel. „Ich habe dir ein kleines Frühstück zusammengestellt. Das kannst du dann in der Arbeit essen. Ich hoffe, dass wir uns bald noch sehen, um uns kennen zu lernen. Das Busticket ist im Lunchpaket. Brooklynstreet 84! ", lese ich leise vor. Was arbeite ich überhaupt? Dass Lissa diese Adresse aufgeschrieben hat, bedeutet wohl, dass ich dort arbeite. Ich gehe zurück in mein Zimmer und suche nach einer Tasche, in die das Lunchpaket hinein passt. Zu meiner Überraschung besitze ich keine derartige Tasche. Aber in meinem Schrank hängt eine etwas größere Tasche. Trotz der Größe nehme ich mir die Tasche und packe das Paket ein. Danach ziehe ich mir einen schwarzen Mantel an und hänge mir einen roten Schal um, da es draußen doch schon ein bisschen kälter geworden ist. Ich glaube wir haben jetzt Herbst, aber ich bin mir nicht sicher.
Als ich aus dem großen Gebäude hinausgehe, suche ich nach einem Schild, das eine Bushaltestelle kennzeichnet. Einen Stadtplan besitze ich nicht und ich weiß auch nicht, wo ich einen bekommen könnte. Das bedeutet dann wohl, dass ich alles irgendwie selber herausfinden muss. Also gehe ich zwei Blöcke weiter, bis ich an einer sehr befahrenden Straße ankomme. Auf einer Insel steht eines der Schilder, nach denen ich gesucht habe. Zielgerichtet gehe ich darauf zu und setze mich, als ich angekommen bin, auf einer der Bänke, die sich immer an Haltestellen befinden.
Nach ungefähr fünfzehn Minuten, die ich einfach nur da gesessen habe und mir die Menschen, die an mir vorbei gingen, beobachtet habe, kommt ein langer Linienbus, in den Ich gemütlich einsteige. Das habe ich schon immer getan. Ich beobachte die Leute für ein paar Sekunden und mache mir Gedanken über deren Leben. Was mir aber heute zum ersten Mal aufgefallen ist, ist dass die Menschen gar nicht alle wirklich menschlich sind. Es laufen viele Leute hier durch die Gegend, die Wächter sind. Sie schämen sich nicht für ihr Wesen. Nein, sie zeigen es sehr öffentlich. Jeder der Wächter, die ich gesehen habe, zeigen ihr Zeichen am linken Schlüsselbein sehr deutlich. Sie verdecken es nicht. Es sieht eher danach aus, als seien sie stolz darauf. Als seien sie stolz auf das, was sie den Menschen genommen haben. Die Freiheit. Sie haben uns unsere Freiheit genommen, indem sie neue Gesetze aufgestellt haben.
»Brooklynstreet 84!«, schreit der Busfahrer. Der Bus wird langsamer wird stehe ich auf. Ich gehe an dem Mann vorbei. Mehrere Piercings und Tattoos zieren sein Gesicht. Er sieht eher unfreundlich aus. Vielleicht besitzt er ein Tattoostudio. »Wird's bald?«, fragt er aggressiv, sodass ich meinen Schritt beschleunige und aus dem Bus stolpere. Plötzlich fällt meine Tasche herunter und reißt mich mit. Mein Lunchpaket liegt verteilt auf dem steinigen Boden. »Scheiße«, rutscht mir raus. Eine alte Dame, die mich anscheinend beobachtet hat, sieht mich verurteilend an. Da mir das ziemlich peinlich ist, stehe ich schnell auf, sammle alles wieder auf, das heruntergefallen ist, schmeiße es in einen Mülleimer und mache mich etwas sauber. Dabei fällt mir auf, dass meine Knie aufgeschürft sind und meine Hose kaputt ist. Ich sehe bestimmt schrecklich aus.
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Wächter-gefangen *new*
AksiIch stehe vor meiner Mom, die mich lächelnd ansieht. Ruhig sage ich ihr, dass ich gerne zu Luna, meiner besten Freundin, fahren würde. Verständnisvoll erlaubt sie es mir. Als ich vor Lunas Tür stehe, öffnet sie mir diese sofort. Wir gehen zusammen a...