November 2010

41 7 35
                                    


Eigentlich wäre jetzt reihenfolgetechnisch die Gegenwart dran gewesen, aber da hänge ich gerade an einer nervigen Szene fest, also gibt's noch ein Vergangenheits-Kapitel.
Viel Spaß!


... btw., ich distanziere mich wie immer von allem, was meine Charaktere so von sich geben.



Ich bin der Meinung gewesen, ein T-Shirt unter meiner Winterjacke würde ausreichen. Wie sich herausstellte, war das nicht klug.

„Ist dir nicht kalt?" Efraim umklammerte mit einer Hand meinen Ellenbogen, mit der anderen fuhr er die Außenseite meines Unterarmes nach. „Du hast Gänsehaut."

Aber die hatte ich nicht nur wegen der Kälte.

„Normalerweise achtet Josias immer darauf, dass ich mich warm genug anziehe", murmelte ich und betrachtete seine Hände. Sie waren groß, sein Griff fest. Ich mochte es, wenn er mich anfasste. „Aber heute früh war sein Handyakku alle, deswegen hat unser Wecker nicht geklingelt und wir haben verschlafen. Da hat er nicht mehr nachgeprüft, was für Klamotten ich mir rausgesucht habe."

„Entscheidet er auch, welche Unterwäsche du trägst, und hilft dir morgens beim Schnürsenkel Binden?" Er ließ von mir ab und rollte mit den Augen. „Ernsthaft, Jude, du musst dringend etwas unabhängiger von ihm werden. Das ist hart ungesund, wie ihr euch benehmt."

„Wieso?" Ich rückte Josias' Rucksack auf meiner linken Schulter zurecht. Er brauchte immer Ewigkeiten auf der Toilette. „Es ist wichtig, dass wir aufeinander aufpassen. Außerdem", ich schob die Unterlippe vor, ein Gesichtsausdruck, den ich seit ein paar Monaten perfektioniert hatte. Zumindest meinte Efraim, dass es mittlerweile niedlich aussah, wenn ich schmollte, „bin ich sehr wohl eigenständig. Josie guckt nur, dass meine Sachen gut zum Wetter passen."

„Wenn du das sagst." Er verdrehte nochmal die Augen, bevor er seinen Rucksack zu Boden schmiss und sich das ausgewaschene, hellgraue Sweatshirt vom Körper schälte, das er immer so lange trug, bis Imani es ihm irgendwann heimlich klaute und zum Waschen gab. Er hielt es mir hin. „Na los, zieh das an."

Ständig beschwerte er sich über Josias und Josias sich über ihn, aber wenn es um mich ging, verhielten sie sich ähnlich. Mich wunderte es, wie sie es schafften, das auszublenden.

„Danke." Ich nahm ihm sein Sweatshirt ab, ließ meinen und Josias' Rucksack ebenfalls zu Boden fallen und wickelte mich schließlich in das Kleidungsstück ein. Es war mollig, noch aufgeheizt, und roch wie seine Bettwäsche. Nach Weichspüler und Paprika-Chips.

„Kein Ding. Ich frier nicht so schnell, hab unter dem hier", er zupfte kurz an dem beigefarbenen Pullover, den er trug, „noch ein T-Shirt drunter."

Ich nickte und zog die Kapuze enger an meinen Nacken. „Ich gebe es dir nach der Schule wieder."

„Mach dir keinen Stress. Ich habe noch ein paar zuhause rumfliegen." Er musterte mich kurz, grinste dann. „Wenn der Kontrollfreak gleich vom Klo zurückkommt, kannst du ihm ja zeigen, wie toll ich mich im Gegensatz zu ihm um dich gekümmert habe."

Stimmt – vielleicht konnte es die Wogen zwischen ihnen etwas glätten, wenn Josias endlich verstand, dass Efraim mir nicht schadete.

„Also dann!" Efraim schnappte sich seinen Rucksack wieder vom Boden und stupste mich in die Seite. „Wir sehen uns in der Mittagspause. Ich halte euch zwei Plätze in der Mensa frei."

„Ist gut." Ich winkte ihm und sah seiner kleiner werdenden Silhouette hinterher, bis die Tür zur Jungentoilette aufging und Josias herauskam, mir gerümpfter Nase.

Fucking VanillaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt