Kapitel 5 - Bruder?

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Der nächste Tag verlief unspektakulär. Die Schule schien sich in eine Art monotonen Rhythmus zu fügen, den ich ohne große Anstrengung durchlief. Stunden vergingen, ohne dass etwas Erwähnenswertes passierte. In den Pausen hielt ich mich von Rachel und ihrer Clique fern und konzentrierte mich darauf, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Alles verlief ruhig, bis mein Handy am späten Nachmittag klingelte.
Es war mein Vater.
Seine Stimme klang seltsam distanziert, fast geschäftsmäßig, als er erklärte: „Ich bin auf einer Geschäftsreise, Livia. Werde bis nächsten Mittwoch weg sein."
Geschäftsreise? Ich wusste nicht einmal, dass er einen Job hatte. Mein Vater war nie jemand, der viel über sein Leben preisgab. Die Tatsache, dass er arbeiten ging, war irgendwo logisch, aber ich hatte nie wirklich darüber nachgedacht. Wir redeten einfach nicht über solche Dinge.
„Okay", antwortete ich nur knapp.
„Ich melde mich, wenn ich zurück bin", fügte er hinzu und legte auf, bevor ich weiter nachfragen konnte.
Ein Geschäftsreise also. Zumindest bedeutete das, dass ich ein Wochenende für mich hatte. Keine lauten Fernseher, kein Geschrei, keine leeren Flaschen auf dem Küchentisch. Ein Wochenende der Ruhe, das konnte ich gut gebrauchen.

Der Samstag begann genauso still wie der Freitag geendet hatte. Nachmittags entschloss ich mich, spazieren zu gehen, um einfach den Kopf freizubekommen. Ich schlenderte durch den Park, die frische Luft tat gut. Doch plötzlich sah ich eine Gruppe, die mir allzu vertraut war. Cole, Elijah, Marc und Logan. Die Jungs.
„Na, schau mal einer an", rief Elijah grinsend, als er mich entdeckte. „Wen haben wir denn da, die taffe Livia Ferraro, ganz allein auf Wanderschaft?"
Marc winkte mir etwas unbeholfen zu, und Logan ließ es sich natürlich nicht nehmen, mit seinem typisch lässigen Grinsen zu sagen: „Bist du uns nachgelaufen, Livia? Kannst wohl nicht genug von uns kriegen, was?"
„Nein, ich denke, das ist eher umgekehrt", konterte ich kühl, obwohl ich bei Elijahs Witz ein leises Schmunzeln unterdrücken musste. Die Jungs schienen sich wirklich zu freuen, mich so zufällig zu treffen. Alle – außer Cole. Er stand da, mit seinem typischen ausdruckslosen Blick, als wäre ihm die ganze Begegnung völlig egal.
„Was macht ihr überhaupt hier?", fragte ich und verschränkte die Arme, während ich versuchte, den Blick von Cole zu ignorieren. Elijah warf einen weiteren Witz in den Raum, und Marc stolperte beinahe über seine eigenen Füße, während er versuchte, ein Stück Holz wegzukicken, was mich wider Willen erneut schmunzeln ließ. Logan, natürlich, war einfach Logan – ein permanentes Grinsen auf dem Gesicht. Trotzdem versuchte ich, sie abzuschütteln. Ich war nicht in der Stimmung, meine Zeit mit ihnen zu verbringen, und irgendwann gelang es mir tatsächlich, sie loszuwerden. Ich machte mich auf den Heimweg, froh, wieder allein zu sein. Kaum zu Hause angekommen, piepte plötzlich mein Handy. Eine Nachricht – von einer unbekannten Nummer.

49+123456789: „Hey Livia, ich wollte mich nochmal für vorgestern bedanken. Ich weiß, du magst es nicht, aber komm doch heute Nachmittag vorbei. Ich hab Filme und Snacks. Ein entspannter Nachmittag, versprochen!"

Ich starrte auf die Nachricht und mir war klar wer es war, Rachel. Ich fragte mich, woher sie überhaupt meine Nummer hatte. Irgendwas in mir wollte ablehnen, aber gleichzeitig war ich neugierig. Also gab ich mir einen Ruck und antwortete knapp, dass ich gleich vorbeikäme. Ein wenig frische Luft schadete nicht, und außerdem klang es tatsächlich verlockend, einfach mal abzuschalten. Eine halbe Stunde später saß ich auf meinem Motorrad und fuhr zu Rachel. Doch als ich ihre Auffahrt erreichte, blieb ich wie angewurzelt stehen. Vor ihrem Haus standen vier Motorräder – und ich erkannte sie sofort. Das waren nicht irgendwelche Maschinen. Das waren die Motorräder von Cole, Elijah, Marc und Logan. Mit gerunzelter Stirn stieg ich ab und klingelte. Rachel öffnete die Tür mit einem strahlenden Lächeln. „Hey! Schön, dass du gekommen bist."
„Was machen die hier?", fragte ich und deutete auf die Motorräder.
Rachel lachte leicht und trat zur Seite, um mich hereinzulassen. „Ach ja, das hab ich dir noch gar nicht gesagt... Elijah ist mein Bruder."
Ich starrte sie an, als wäre sie nicht  ganz bei Verstand. Natürlich war Elijah ihr Bruder. Wie hatte ich das nicht vorher bemerkt? Und noch bevor ich darauf reagieren konnte, hörte ich Schritte aus dem Wohnzimmer. Die Jungs standen dort, mit diesem schelmischen Grinsen, als hätten sie auf mich gewartet.
„Willkommen in der Familie", sagte Elijah lachend, während Logan mir ein Kompliment für mein Motorrad machte. Marc nickte enthusiastisch und fügte hinzu: „Echt cool, dass du da bist."
„Toll", murmelte ich nur und versuchte, meine kühle Fassade zu bewahren. Während Rachel mich dann ins Haus zog, um mir das Wohnzimmer zu zeigen, hörte ich hinter mir Cole, der ruhig sagte: „Piccolina."
Ich ignorierte ihn und folgte Rachel in ihr Zimmer, um diesem Chaos für eine Weile zu entkommen.

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