Geschwister

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Zwei Tage später belausche ich beim Frühstück, wie sich zwei Bedienstete, ein Mann und eine Frau, über die Prinzessin unterhalten.

"Sheron ist gestern angekommen, aber ich glaube, dass sie wieder nicht lange bleibt."

Das macht mich hellhörig, ich stelle mich neben ihren Tisch und frage, ob ich mich zu ihnen setzen darf. Gesehen habe ich die beiden schon ab und zu, aber noch nie mit ihnen gesprochen.

"Du bist Cecilia, Luis' Zofe, richtig?", erkennt mich der Mann. Er stellt sich als Micha vor, die Frau als Helga. Die beiden arbeiten als Elektriker.

"Warum will Sheron nicht mehr bei ihrer Familie leben?", würde ich gerne wissen.

"Unter uns gesprochen", sagt Micha so vorsichtig, als könne man ihn dafür ausstoßen, "denke ich, dass sie sich im Refugium einen Kerl angelacht hat."

Wo? "Refugium?"

Er kommt näher. "Der Ort, an dem Menschen und Vampire auf Augenhöhe koexistieren. Noch nie davon gehört?"

Nein? Muss ich mir jetzt dumm vorkommen?

Helga ergänzt ihn. "Leider ist er für uns unerreichbar."

"Giftige Luft, ich weiß", zumindest das, aber auch mich ergänzt sie: "Auch, weil keiner weiß, wo es liegt."

"Also Prinzessin Sheron ja offensichtlich schon", muss ich sie nun verbessern und werde von den beiden angeschaut wie ein Orakel.

"Sie hat recht!", stellt Micha entsetzt fest, wird aber gleich darauf skeptisch von seiner Kollegin angeschaut. "Und was willst du machen? Zu ihr hingehen und fragen?"

"Ich nicht", antwortet er und sieht dann zu mir. "Aber sie vielleicht."

Ich zucke zurück. Ich? Wie soll ich das anstellen? "Ich bin der Prinzessin noch nie begegnet! Nur weil ich dem Prinzen diene, habe ich nicht gleich einen heißen Draht zum Rest der Familie!"

Außer zu Octavian. Der ist so heiß, dass ich mich regelmäßig an ihm verbrenne ...

"Vielleicht mag sie dich", sagt Micha und zuckt mit den Schultern. Auch Helga ist skeptisch. "Das klappt nie und ist sowieso egal, weil wir die Stadt dann immer noch nicht verlassen können, du Intelligenzverweigerer!"

"Auch wieder wahr", knickt er ein.

Ich bin fertig mit meinem Frühstück, das, wie immer aus Getreidebrei und einem Apfel bestand und verabschiede mich von diesen beiden witzigen Zeitgenossen. Luis arbeitet heute Vormittag in seinem Zimmer, deshalb sitzt er am Tisch in der Raummitte, als ich wiederkomme. Direkt gehe ich zu ihm und setze mich.

"Die Bediensteten reden von nichts anderem als deiner Schwester", spreche ich ihn an. Der hübsche Prinz unterbricht seine Arbeit, von der ich nichts sehe, weil sie nur von seinen Lenses eingeblendet wird. Er sieht mich ausdruckslos an und bestätigt.

"Sie bleibt ein paar Tage, ist mir egal."

Oh, da herrscht wohl dicke Luft. Das ist aber schade.

"Jetzt guck nicht so!", stöhnt Luis. "Ach, Cecil! Du willst sie kennenlernen, oder?"

Ich nicke leicht mit gesenktem Kopf. Nun seufzt er.

"Ich sehe sie heute Nachmittag bei einem Treffen, das Mutter angesetzt hat. Ich hab keine Idee, wann oder wie ich sie dir sonst zeigen soll. Mutter wird einen Anfall kriegen, wenn sie dich sieht, aber das regle ich schon. Sag kurz hallo und fahr dann wieder hierher. Was sagst du?"

Puh, was für ein bescheidener Plan! Luis wird es doch wohl auf die Reihe bekommen, seine Schwester für zehn Minuten zu sich einzuladen! Stattdessen schafft er einen Begegnungsraum für eine Konfrontation mit Dramaqueen Lenia. So ein saublöder ... ! Ich muss irgendwas sagen.

Vaporized to OblivionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt