Wie macht man weiter, wenn man am Ende angekommen ist? Welche Wege schlägt man ein, wenn man sich in einer Sackgasse verfahren hat und es kein Zurück gibt? Tetsurou sitzt neben mir. Sein Arm liegt locker um meine Schulter, während er sich mit Kenma über die lange Tafel hinweg unterhält.
Nach der Niederlage hat sich das Team der Nekoma zusammen mit ihren Trainern zusammengesetzt. Sie haben gelacht und geweint und gefeiert. Gelacht, weil der Stress von ihren Schultern gefallen ist. Geweint, weil ihre gemeinsame Zeit ein Ende gefunden hat. Gefeiert, weil sie es bis dorthin geschafft haben.
Einige weitere Klassenkameraden, sowie Tanji und ich sind erst dazugestoßen, als die offizielle Verabschiedung vorbei war. Bei der Begrüßung hat mich Tetsurou in seine Arme gezogen. Ohne ein Wort zu sagen standen wir eng umschlungen am Eingang des Restaurants. Ein bittersüßer Schmerz lag in der Art, wie er mich umklammert hielt. Auf der einen Seite schien er erleichtert zu sein, auf der anderen traurig. Trösten ist keine meiner Stärken, also habe ich meine Klappe gehalten. Die Angst, ein falsches Wort zu sagen, war zu groß. Meine Hand ist beruhigend auf- und abgestrichen, bis er sich von selbst von mir gelöst hatte.
Das Ausmaß der Niederlage wird uns ohnehin erst mit der Zeit klar werden. Oder genauer – in den nächsten paar Wochen und wenigen verbleibenden Monaten. Das Team wird weiterhin trainieren, aber nicht mehr ganz so streng. Das Wissen der Drittklässler wird weitergegeben. Tetsurou und ich werden mehr Zeit gemeinsam haben.
„An was denkst du?", unterbricht mein Gedankenmittelpunkt mein Grübeln.
Meine blauen Iriden treffen auf seine goldenen. Ein kleines Lächeln zuckt um meine Lippen. „An all die Stunden, die wir jetzt zusätzlich haben werden."
Er nickt. „Ich mag, wie du denkst." Sein Arm zieht mich näher an sich. Er küsst mich auf die Schläfe. „Wo ein Ende ist, ist auch ein Anfang. Heute ist ein Traum geplatzt. Ich will nicht bestreiten, dass ich nicht traurig bin – das bin ich, aber es ist auch eine Möglichkeit. So viel Zeit habe ich in Volleyball investiert und es wird immer ein Teil von mir sein, in Form von meinen Erinnerungen. Aber dieser Abschnitt meines Lebens ist vorbei. Eigentlich fühle ich mich fast ... befreit. Keine Ahnung, wer ich sein werde, wenn ich nicht mehr der Kapitän der Nekoma bin, aber ich bin bereit, herauszufinden, wer ich jenseits dieser Rolle bin."
Eine Stille hat sich über die Tafel gelegt. Die Worte, die eigentlich für meine Ohren bestimmt waren, hängen zwischen allen Anwesenden. Yaku ist der Erste, der laut losheult. Ihm stimmen die anderen ein. Einer nach dem anderen. Selbst in Kenmas Augen glitzert es verräterisch. Dasselbe Glitzern erkenne ich auch, als ich zu Tetsurou aufsehe. Er presst seine Lippen zusammen und starrt an die Decke.
„Selbst jetzt kannst du es nicht lassen, deine Reden zu schwingen." Kenmas Stimme klingt erstickt. Dankbar, dass er seinem besten Freund ein kleines Lächeln aufzwingen kann, umarme ich Tetsu. Plötzlich fühle ich mich nicht mehr überfordert, ihn zu trösten. Manchmal muss man keine Worte sagen, um jemandem zu zeigen, dass man für ihn da ist. Das lerne ich in diesem Moment.
Eine ganze Weile hört man nichts, außer Schluchzen. Würde ich es nicht verabscheuen vor anderen Menschen zu weinen, würde ich ebenfalls wie ein Wasserfall heulen. Das enge Gefühl in meiner Kehle zeigt mir, dass ich doch empathisch sein kann.
Ausgerechnet Yamamoto, den ich immer für den Kasper im Team gehalten habe, muss meine Selbstbeherrschung auf die Probe stellen. „Unser Team wird nie wieder unser Team sein. Wenn ihr nächstes Jahr weg seid ..." Er schüttelt den Kopf. „Diese Tränen, die wir jetzt weinen, sind ein Zeichen dafür, wie sehr wir einander unterstützt haben und wie stark die Bindung zwischen uns wirklich ist. Du hast so viel gegeben als Kapitän, und ich bin dankbar, dass ich mit euch allen diese Reise machen durfte. Auch wenn ihr im neuen Jahr nicht mehr bei uns sein werdet", er sieht Tetsurou, Yaku und Nobuyui an, „werdet ihr doch immer ein Teil von uns bleiben. Wir können stolz auf das sein, was wir erreicht haben und auch auf die Freundschaften, die wir geschlossen haben."
Hilflos sehe ich zu Tanji. Sie weint. Prima. Spätestens jetzt rieselt meine Kontrolle wie Wasser durch ein Sieb. Wenn Yamamotos Worte auch an das Volleyball-Team gerichtet sind, hält er uns Drittklässlern schmerzhaft vor, dass unsere gemeinsame Zeit zu Ende geht.
Tanji presst Kenma einen Kuss auf die Wange, bevor sie um den Tisch herumkrabbelt und sich an meinen Rücken schmiegt.
„Wage es jetzt nicht, irgendwas zu sagen", presse ich hervor. Der Kloß in meinem Hals will kaum Wörter vorbeilassen.
„Hana ... Hab ich dir jemals gesagt ..." Sie hält mich am Bauch umklammert, während ich genauso an Tetsurou hänge. „Dass du für immer meine beste Freundin sein wirst und ich dich über alles liebe?"
Nein.
Nein. Nein. Nein.Jetzt ist es vorbei. Mein Körper zittert und ich lasse los. Tränen verschleiern meine Sicht. Mein Schluchzen lässt meine beste Freundin und meinen Freund zusammenzucken.
Ich drehe mich zu ihr um und wir weinen zusammen. Arm in Arm.
„Ich liebe dich auch, Tanji."Blöde Nuss. Ausgerechnet hier und jetzt muss sie Gefühlsattentäterin spielen. Tetsurou streichelt beruhigend meinen Rücken. Eigentlich sollte doch ich ihn trösten und nicht andersherum. Immerhin sorgt unser emotionaler Ausbruch dafür, dass sich die Jungs beruhigen.
„Du hast eine interessante Wirkung auf Frauen", sagt Tetsurou über unsere Köpfe hinweg.
Yamamoto fährt sich über die kurzen Haare. „Jetzt hab ich noch nicht mal was Blödes gesagt."
Tanji und ich beginnen zu lachen. Unsere Gesichter tränennass. Hatte ich mir am Morgen nicht vorgenommen heute nicht zu heulen? Das hat ja super geklappt.
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Kuroomanie (Kuroo x OC) | Haikyuu Fanfiction | Abgeschlossen
FanficTetsurou zieht mich an sich. „Du weißt, dass wir darüber reden müssen oder?" Muss er ausgerechnet jetzt auf Erwachsen machen? „Ja, aber nicht jetzt. Bitte nicht jetzt." „Ok." Schauer jagen meinen Rücken hinab. Er ist mir so nah. Seine Körperwärme ge...