Bis du keine Angst mehr hast

Kapitel 1

Todmüde angle ich nach dem beschissenen Wecker, der mich um 6 Uhr morgens aus dem Schlaf reißt. Verdammt, ich bin doch gerade erst eingeschlafen. Widerwillig quäle ich mich aus dem Bett und schleppe mich ins Bad. Der erste Schultag nach den Ferien ist immer die Hölle. Blinzelnd betrachte ich mein verquollenes Gesicht im Spiegel. Die letzten Tage haben mich echt fertig gemacht. Jeden Abend stieg irgendwo eine Party und ich war nie vor 3 Uhr im Bett. Gestern konnte ich dann natürlich nicht einschlafen, weil mein Rhythmus total im Eimer ist. Ich steige unter die Dusche und Adrenalin schießt durch meinen Körper, als das eiskalte Wasser auf mich herab prasselt.

An der Schule angekommen, sehe ich meine Freunde schon von Weitem, wie sie auf unserer Pausenbank im Schulhof sitzen und in Gespräche vertieft sind.

Mona lächelt und fällt mir sofort um den Hals, als ich zur Gruppe stoße.

„Oooohhh, ich hab dich vermisst Liam Schatz" kreischt sie in mein Ohr.

„Mona, wir haben uns gestern gesehen" erwidere ich lachend.

„Ich bin trotzdem froh dich zu sehen, jetzt wo der Scheiß hier wieder anfängt, brauche ich dich umso mehr".

Ich drücke meine beste Freundin fest und begrüße dann den Rest meiner Clique. Wir kennen uns alle seit der Oberschule, gehen in dieselbe Klasse und befinden uns im letzten Jahr vor dem Abitur. Da wäre zum einen Ricky, Monas fester Freund, dann haben wir Charlie, meinen besten Kumpel und Savanna seine Freundin. Savanna und Charlie sind erst seit einem halben Jahr ein Paar, nachdem sie mehrere Jahre umeinander herumschlawänzelt sind und keiner sich getraut hat den ersten Schritt zu machen. Seitdem bin ich der einzige Single in unserer Runde und werde bei jeder Gelegenheit mit Verkupplungsversuchen gequält. Dabei wissen eigentlich alle, dass ich nicht der Typ für eine feste Beziehung bin. Ich habe super gern Spaß mit den jungen Ladies, aber mehr als eine Nacht ist in der Regel nicht drin.

Die Schulglocke ertönt und wir machen uns gesammelt auf den Weg ins Klassenzimmer. Gott wie ich den ersten Schultag hasse. Neues Halbjahr bedeutet auch neuer Sitzplan, daher setzt sich keiner von uns, sondern wir stellen uns an der Wand auf. Unser Klassenlehrer Mr. Sheldon betritt das Klassenzimmer. Hinter ihm folgt ein recht kleines und schmächtiges Mädchen, was unsicher zu Boden schaut. Ihr Wangen sind stark gerötet, was man durch ihre recht blasse Haut und die rotblonden Haare sehr gut erkennen kann. Sie wirkt wie ein verängstigtes Kind und traut sich nicht zu uns aufzuschauen, selbst als Mr. Sheldon das Wort erhebt.

„Guten Morgen liebe Klasse, ich hoffe ihr hattet alle schöne Ferien und habt es nicht all zu wild getrieben."

Lautes Getuschel, Gelächter und rufe wie „Oh doch" oder „Na davon sollten Sie nicht aus gehen Mr. Sheldon" erfüllen den Raum.

„Hab ich mir schon gedacht" gibt Mr. Sheldon lachend zurück.

Er ist ein recht cooler Klassenlehrer und würde er nicht so schreckliche Fächer wie Mathe und Physik unterrichten, würde ich ihn sogar mögen.

„Jetzt aber erst mal Ruhe. Wir haben nämlich eine neue Schülerin. Emily ist vom Internat hierher gewechselt. Sie ist ein wenig schüchtern, also seid nett zu ihr."

Alle Augen richten sich auf das rothaarige Mädchen und schlagartig nimmt die Röte ihrer Wangen bedeutend zu und sie beginnt nervös an ihren Fingern herumzuspielen.

„Mona, setz dich bitte mit Emily an diesen Tisch" beginnt Mr. Sheldon die neue Sitzordnung festzulegen.

Die Neue hat Glück, denn Mona ist genau die Richtige. Sie hat ein großes Herz und ist zu allen Mitmenschen nett. Das Wort Vorurteile taucht in ihrem Wortschatz wahrscheinlich nicht einmal auf. Nett lächelt Mona die Neue an, während sie sich beide auf ihren zugewiesenen Platz bewegen. Emily erwidert ein schüchternes Lächeln, ich sehe aber, wie ihr Körper vor Aufregung zittert und sich ein leichter Schweißfleck unter ihren Armen abzeichnet.