Kapitel 2

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Jeden Tag nur mit James zu verbringen, wäre das Paradies für mich. Ich wusste jedoch, dass wir damit die heiligste Regel von Vampiren und Dämonen brachen. Mein Vater hatte immer gesagt, dass Allianzen wichtig seien, also was hatte jeder gegen eine Allianz von Vampiren und Dämonen? Im Grunde genommen waren wir doch alle gleich. Wir begehrten das Blut von anderen und brachten Leid über andere. Was war da also der Unterschied?

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Ich war mein ganzes Leben lang im Glauben aufgewachsen, dass Vampire die Verkörperung des Bösen seien. Mein Vater hatte es mir stets eingebläut: "Sie sind die Feinde, Rachel. Vergiss das nie." Er erzählte von uralten Kämpfen, von blutigen Schlachten und gebrochenen Versprechen. "Vampire sind Verräter", sagte er immer. "Ihnen kann man nicht trauen."

Und ich hatte ihm geglaubt. Wie hätte ich auch nicht? Alles, was ich wusste, war von ihm geprägt. Doch dann kam James in mein Leben, und plötzlich war alles, woran ich geglaubt hatte, infrage gestellt. James war nicht das Monster, vor dem man mich gewarnt hatte. Er war sanft, fürsorglich – ein Wesen mit einer Seele, das ebenso litt wie ich.

"Warum erzählen sie uns Lügen?" fragte ich eines Nachts, als wir uns tief im Wald trafen, fernab von neugierigen Augen. Ich lehnte mich gegen einen alten Baum, während James neben mir stand, seine Augen in die Ferne gerichtet.

"Es ist einfacher, Feindschaften zu nähren als Brücken zu bauen," sagte er nachdenklich. "Vampire und Dämonen haben sich seit Jahrhunderten gegenseitig gejagt. Die Vorurteile sind so tief verwurzelt, dass niemand mehr weiß, warum sie überhaupt existieren."

Ich seufzte. "Aber das macht keinen Sinn. Mein Vater hat immer gesagt, dass Allianzen wichtig seien. Was ist dann so falsch an einer Allianz zwischen uns? Im Grunde sind wir doch alle gleich." Ich sah zu ihm auf und versuchte, in seinen Augen eine Antwort zu finden.

James drehte sich langsam zu mir und lächelte traurig. "Weil es nicht um das geht, was wir sind, Rachel. Es geht um Macht. Vampire und Dämonen kämpfen seit Ewigkeiten darum, wer die Vorherrschaft hat. In ihren Augen wäre eine Allianz nichts anderes als ein Verrat an der eigenen Art."

Ich legte meine Hand auf seine, spürte die Kälte seiner Haut und ließ meinen Blick auf den Boden sinken. "Und was ist mit uns?" fragte ich leise. "Sind wir auch ein Verrat?"

James schloss kurz die Augen, als hätte meine Frage ihn tief getroffen. "In ihren Augen? Ja. Aber in meinen? Niemals." Seine Stimme war ruhig, aber fest. "Du bist das Beste, was mir je passiert ist, Rachel."

Ein warmes Gefühl durchströmte mich, aber zugleich war da die unerbittliche Realität, die uns immer wieder einzuholen drohte. "Jeden Tag nur mit dir zu verbringen, wäre das Paradies für mich," gestand ich. "Aber ich weiß, dass wir damit die heiligste Regel brechen."

James nickte. "Ja, das tun wir. Aber vielleicht müssen Regeln manchmal gebrochen werden."

Seine Worte klangen so einfach, so leicht, aber die Wahrheit war alles andere als das. Ich dachte an meinen Vater, an die Unterwelt, an die Jahrtausende alten Gesetze, die uns voneinander trennten. Warum hatte jeder so viel Angst vor einer Verbindung zwischen Vampiren und Dämonen? Wir begehrten doch beide dasselbe – Blut, Macht, Leben. Was war also der Unterschied?

"Wir bringen beide Leid über andere", sagte ich schließlich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. "Wir nähren uns vom Schmerz und Tod. Warum sehen sie nicht, dass wir uns gar nicht so sehr unterscheiden?"

James sah mich an, und in seinen Augen spiegelte sich dieselbe Verwirrung wider, die auch mich quälte. "Vielleicht weil es einfacher ist, das zu ignorieren. Sie sehen uns als Feinde, weil es bequemer ist, als zuzugeben, dass wir uns so ähnlich sind."

Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter und schloss die Augen, lauschte dem Geräusch der Nacht um uns herum. "Wenn sie uns finden..."

"Ich werde dich beschützen," unterbrach er mich und legte seinen Arm um mich. "Egal, was passiert."

Ich wollte ihm glauben. Ich wollte glauben, dass unsere Liebe stark genug war, um die Welt zu verändern. Doch tief in mir wusste ich, dass es nicht so einfach war. Unsere Welten würden uns jagen, sie würden uns zerreißen, wenn sie uns entdeckten. Aber bis dahin? Bis dahin würde ich jede kostbare Sekunde mit ihm genießen, als wäre es die letzte.

Mondlicht: Eine Liebe zwischen einem Vampir und einem Dämon (Schreibwettbewerb)Where stories live. Discover now