Ich stehe vor dem riesigen Eingang der Schule. Die hohen, grauen Mauern des Schulgebäudes wirken wie eine massive Festung. In meiner Brust breitet sich eine unausweichliche Schwere aus, welche mich zu zerdrücken versucht. Der kühle Wind schneidet mir ins Gesicht und lässt meine Zähne aufeinander klappern. Die kahlen Flure und das Gebäude wirken wie ein Gefängnis. Alles hier wirkt kalt und abweisend, und es fällt mir schwer, klare Gedanken zu fassen.
Schon beim Betreten der Schule überflutet mich der vertraute Geruch von Desinfektionsmittel, billigem Parfüm und altem Holz. Der Geruch dringt unaufhaltsam in meine Nase und lässt mich würgen. Die trostlosen, grauen Wände, ziehen sich wie ein Labyrinth vor mir entlang und der Boden aus kalten Fliesen dämpfen jedes noch so kleine Geräusch. Nichts hier vermittelt auch nur ein bisschen Wärme, oder das Gefühl willkommen zu sein.
Ich spüre die Blicke der anderen Schüler, bevor ich überhaupt aufsehe. Es ist, als würde jeder einzelne Blick an mir kleben. Sie starren mich an, als wäre ich ein Schatten meiner selbst, ein bloßer Hauch von Nichts. Jedes Flüstern und jede Bewegung wirkt wie eine Abscheu gegen mich. Wissen sie, was bei mir zu Hause los ist? Können sie die blauen Flecken durch meine Kleidung hindurch sehen? Oder bilde ich mir das Alles nur ein?
Ich senke den Blick und gehe nit schnellen Schritten zu meinem Spind. Bloß keine Schwäche zeigen. Meine Hände zittern leicht, als ich meinen Spind erreiche und ihn nach einem tiefen Atemzug öffne. Die Metalltür erscheint mir wie eine frostige Barriere, ein weiterer Teil dieses Gefängnisses.
Kaum beginne ich, meine Bücher für die kommenden Kurse zusammenzusuchen, höre ich ein Lachen hinter mir, das näher kommt und lauter wird. Sofort spannt sich mein ganzer Körper an und meine Finger krallen sich in meine Bücher. Ich weiß genau, wer da steht, bevor ich mich überhaupt umdrehen muss. Der dominante und aufdringliche Geruch ihres Parfüms erkenne ich überall.
„Was machst du hier? " höre ich die spöttische Stimme von Ashley. Mit einem Ton voller Herablassung, steht sie mit den Armen verschränkt und einer Augenbraue hochgezogen da. „Hattest du letztes Mal noch nicht genug? Willst du noch mehr?". Ein lachen folgt, als weitere Personen sich ihr anschließen. Diese vier Personen waren ihre Freunde.
Kiran, Zach, Jasper, Vivienne und Ashley waren seit Kindheit eine eingeschworene Gruppe und wurden schnell für ihr Aussehen und ihre Harmonie miteinander bekannt. Doch alle von ihnen waren arrogant, gemeinsam eine Mobbing-Einheit, die keiner infrage stellt.
„Vielleicht mag sie es ja, so behandelt zu werden", lacht Jasper und blickt dabei vielsagend zu Vivienne, die ebenfalls grinst und die Arme verschränkt während sie mich mit einem abfälligen Blick mustert.
Das Lachen der Clique hallt durch den Flur, und die Worte treffen mich wie ein Schlag.
Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, aber ich bleibe still und ruhig. Meinen Blick starr auf meinen Spind gerichtet versuche ich keine Regung zu zeigen. Jedes Wort und jede Reaktion würde meine Situation nur verschlimmern, nur weiter Öl ins Feuer giessen. Ich hoffe, dass sie bald ihr Interesse verlieren und weiter gehen.„Hey Schwein, antworte gefälligst wenn man mit dir redet" ruft Zach mir spöttisch zu, seine Stimme vor Belustigung und Spott triefend. Er kommt auf mich zu, schaut mich kurz an und packt meine Schulter. Ein stechender Schmerz fährt durch diese Stelle, an der er so fest zudrückt, als wäre seine Mission meine Schulter zu zerquetschen. Plötzlich stößt er mich zurück, ich versuche das Gleichgewicht zu halten doch ich knalle hart auf den Boden.
Die anderen fangen wieder an zu lachen, während sich einige Schüler um uns versammeln, um das Spektakel zu beobachten. So viele Blicke richten sich nun auf mich und starren mich nieder. Es ist, als würden sie alle auf mich herabschauen. Ich fühle mich so hilflos. Warum kann ich nicht einfach verschwinden? Warum immer ich?
„Verschwenden Wir unsere Zeit nicht", meldet sich Kiran nun zu Wort und sieht mich mit seinen kalten eisblauen Augen gelangweilt an. Ein Schauder durchfährt mich. Es wirkt, als könnte er in mein Innerstes blicken und doch, als ob er einfach durch mich hindurch sieht.
„Sie ist ein Nichtsnutz. Ihre bloße Existenz ist eine Vergeudung". Mein Körper zuckt zusammen, als ich Ashleys letzte Worte höre. Ich weiß, dass es nichts gibt, was ich in diesem Moment sagen könnte, das mich verteidigt. Vielleicht hat sie ja rech, vielleicht bin ich wirklich eine Vergeudung. Mit meinen Büchern in meiner Hand und gesenktem Blick gehe ich weiter, während die Clique hinter mir lacht. Ihre Stimmen sind jedes Mal wie Millionen Nadelstiche, die tief unter meine Haut dringen.
Ich blicke auf die Uhr. Noch fünf Minuten bis Geschichtsunterricht also beeile ich mich, einen guten Platz zu ergattern. Auf dem Weg ins Klassenzimmer mustern mich die anderen Schüler kurz und wenden sich dann schnell ab, keiner sagt etwas, keiner scheint sich zu kümmern. Auch die Lehrer sehen mich kaum an. Ich bin für sie einfach da, eine normale Schülerin, die versucht, dem Unterricht zu folgen.
Der Tag zieht sich endlos, jede Minute vergeht quälend langsam. Der Unterricht verstreicht, ohne dass ich wirklich etwas aufnehmen kann. Der Schmerz in meiner Brust, der sich langsam ausbreitet, raubt mir die Konzentration. Es ist der Schmerz der Verzweiflung und Trauer.
Endlich ertönt die Glocke, die das Ende des Schultages ankündigt. Ich fühle mich ausgelaugt, wie ein ausgewrungenes Tuch. Schnell packe ich meine Sachen zusammen und eile aus dem Gebäude. Die kühle Luft draußen ist erfrischend. Endlich fühle ich mich befreit von der Enge und den Blicken. Ich laufe den Weg zurück, den ich immer zur Schule nehme, nur mit einem kleinen Unterschied. Ich halte vor einem kleinen Laden mit Bachsteinfassade, grünen Fenstern und tausend Lichtern, die perfekt zur Winterzeit passen. Weihnachten war zwar schon etwas her, jedoch gab es ein Gefühl von Geborgenheit.
Sobald ich eintrete, umfängt mich der Geruch von alten Büchern, ein warmes, beruhigendes Aroma. Diese kleine Buchhandlung lässt mich sicher fühlen, hier kann ich für einen Moment vergessen, was draußen in der Welt passiert.
Nachdem ich meine Tasche hinter der Theke abgestellt habe, lasse ich mich in einen der alten, gemütlichen Sessel sinken und schnappe mir ein Buch aus dem Regal. Es kamen meistens nur wenige Leute hierher, daher lese ich die meiste Zeit, was die Besitzerin nicht störte. Die Zeilen ziehen mich in eine andere Welt, und zum ersten Mal heute vergesse ich alles um mich herum, die Schule, die Clique, den Schmerz. Ich verliere mich in den Seiten, die Worte fließen an mir vorbei, und die Zeit schwindet dahin, ohne dass ich es merke. Keine Kunden kamen heute, was unter der Woche üblich ist.
Ich blicke auf die Uhr und merke erschrocken, wie spät es ist. Schnell schließe ich das Buch und verlasse die Buchhandlung. Der Heinweg liegt vor mir, und mit jedem Schritt wächst die Angst, meinem Stiefvater zu begegnen, doch ich versuche, sie zu verdrängen. Als ich endlich zu Hause ankomme, schleiche ich mich hinein, doch es ist still. Erleichtert stelle ich fest, dass meine Mutter und mein Stiefvater bereits schlafen. Ich hatte Glück, doch ich darf die Zeit nicht nochmal vergessen.
Ohne ein weiteres Geräusch schleiche ich in mein Zimmer, ziehe mich aus und lasse mich erschöpft aufs Bett sinken. Mein Körper fühlt sich schwer an, jeder Muskel schmerzt. In der Dunkelheit schließe ich die Augen und versuche, in den Schlaf zu fliehen, wo vielleicht die Hölle meines Lebens für ein paar Stunden verblasst.
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In the Shadows of Darkness
RandomIn einer Welt voller Schatten der Vergangenheit kämpft Talia um ihr Überleben. Gefangen zwischen den Wänden von ihrem Zuhause wird Sie Misshandelt. Nicht nur Zuhause auch von den Blicken ihrer Mitschüler ist Sie nicht sicher. Dabei sucht sie nur ver...