Die Kälte beißt in meine Wangen, während ich den langen Weg zur Schule laufe. Es ist eine klare Morgenluft, die mich wach und lebendig fühlen lässt, und für einen Moment genieße ich den Frieden, den sie bringt. Bald, denke ich. Noch sechs Monate, und dann werde ich 18. Noch sechs Monate, bis ich endlich weg kann.
In Gedanken sehe ich mich in einem Zug sitzen, mit nichts als meinem Gepäck und der Hoffnung, irgendwo einen Neuanfang zu finden. Ein Leben ohne die Angst, ein Leben ohne sie.
Die Vorstellung verblasst jedoch, als das Schulgebäude vor mir auftaucht. Ich schaue auf die Uhr, viel zu spät. Schnell eile ich durch die Türen und gehe die Stufen hinauf zum Kunstraum. Das Rauschen der Stimmen im Flur wird lauter, die Blicke intensiver, als ich durch die Gänge gehe. Endlich erreiche ich den Kunstraum, öffne die Tür und trete mit leicht geröteten Wangen hinein.
„Entschuldigung, dass ich zu spät bin,“ murmele ich und versuche, dem Lehrer kurz in die Augen zu sehen. Doch er nickt nur knapp und fährt ohne Kommentar fort, während ich mich leise auf meinen Platz setze.
Im Raum sitzt Vivienne nur zwei Plätze entfernt von mir, und ich sehe, wie sie mich mit einem schmalen Lächeln ansieht. Neben ihr lehnt Jasper sich lässig zurück und starrt mich belustigt an. Noch bevor ich richtig sitze, trifft mich ein kleiner Papierkügelchen am Arm. Ich ignoriere es, versuche einfach zu atmen und mich zu konzentrieren, während ich die Pinsel und Farben heraushole.
Dann spüre ich den Stich eines Stifts, der mir gegen den Rücken geworfen wird. Ein leises Kichern folgt, und ich merke, wie sie miteinander tuscheln. Ich muss es ignorieren, konzentriere mich auf mein Blatt und die Farben. Die Linien, die ich zeichne, beruhigen mich ein wenig, selbst unter dem Gefühl ihrer Augen.
Nach endlosen Minuten klingelt es. Schnell packe ich meine Sachen zusammen und stehe auf, ohne zurückzuschauen. Der nächste Kurs ist Mathe, und ich bewege mich stumm und unsichtbar durch die Flure. Mathe vergeht schnell, in dem ich kaum auf den Lehrer achte und versuche, die Gedanken an alles, was heute schon passiert ist, zu verbannen.
Es ist Mittagspause und ich mache mich auf den Weg zur Cafeteria und suche mir einen Sitzplatz. Ich habe mir etwas zu trinken geholt, da ich wieder keinen Hunger habe. Kaum habe ich mich gesetzt, höre ich das vertraute Gelächter.
„Na, das fette Schwein ist wieder ganz alleine?“ höre ich Ashleys süßliche Stimme hinter mir. Bevor ich mich umdrehen kann, spüre ich etwas kaltes von etwas Nassem auf meinem Rücken. Ich schrecke auf, und es ertönt das Lachen, von jedem einzelnen in diesem Raum.
„Ups, das war wohl mein Fehler,“ sagt Ashley und zieht die Hand zurück, in welcher sie ein Glas Cola hält. „Oder liegt das einfach daran, dass du nichts besseres verdient hast und du nicht einmal hier sein solltest?“
Ich versuche ruhig zu bleiben, meine Augen zu schließen und so zu tun, als wäre ich nicht hier, aber es wird nur schlimmer. Vivienne schüttet mir weiter Saft über meine Kleidung, und Zach wirft eine halbe matschigd Orange hinterher.
„Komm schon, Talia,“ zischt Vivienne und schaut mir mit kaltem Blick in die Augen. „Bist du zu stolz, uns zu danken, dass wir dir die Arbeit erleichtern? Wir geben uns doch so viel Mühe, die das zu geben, wqs du verdienst und dir offensichtlich gefällt.“
Ich stehe einfach nur da, spüre, wie sich mein Gesicht vor Scharm und Wut rötet, während Kiran nur danebensteht und zuschaut. Sein Blick ist neutral, seine kalten blauen Augen fixieren mich, doch er sagt nichts, macht keine Anstalten, irgendetwas zu tun.
Die anderen Schüler starren ebenfalls, manche kichern leise, andere filmen das Ganze mit ihren Handys, doch keiner hilft mir. Ich sehe, wie eine Lehrerin in der Nähe kurz herüberschaut, dann jedoch ihren Blick wieder abwendet und einfach weitergeht, als wäre nichts passiert. Eine erstickende Schwere legt sich über mein Herz, und die Einsamkeit, die ich spüre, ist fast erdrückend.
Die Schulglocke leuten endlich. Ashley wirft mir einen verächtlichen Blick zu. „Tja, du hast heute echt Glück gehabt,“ meint sie und dreht sich dann mit den anderen um, als wäre nichts gewesen.
Ich stehe allein da, mit dem Gefühl, dass jeder meine Schwäche gesehen hat. Schnell sammle ich meine Sachen zusammen und gehe auf die Toiletten, meine Augen brennen. In einer der Kabinen schließe ich die Tür, und für einen Moment lasse ich den Tränen freien Lauf. Die Cola klebt an meinem Pulli, und ich ziehe ihn vorsichtig aus, um die Flecken ein wenig abzuwischen. Zum Glück habe ich Wechselkleidung in meinem Rucksack. Ich hatte damit gerechnet, dass ich sie irgendwann brauchen würde.
Nachdem ich mich umgezogen habe, wasche ich mir das Gesicht. Der Gedanke, wieder in den Unterricht zu müssen, fühlt sich belastend an, aber ich muss weiter. Der nächste Kurs ist Geographie, und obwohl ich weiß, dass ich schon wieder zu spät komme, gehe ich zurück.
Im Klassenzimmer werfen mir einige der Schüler neugierige Blicke zu, als ich eintrete. Die Lehrerin sieht mich an, und für einen Moment scheint sie zu erkennen, was passiert ist, doch sie sagt nichts. Der Schmerz dieser Stille ist fast schlimmer als die Worte, die Ashley und die anderen vorhin zu mir gesagt haben.
Ich setze mich auf meinen Platz und starre auf das leere Blatt vor mir. Die Stimmen im Raum werden zu einem dumpfen Summen, das meinen Kopf füllt und mich lähmt.
Endlich klingelt es zum Ende des Schultages. Ich packe meine Sachen zusammen und verlasse das Klassenzimmer, den Blick auf den Boden gerichtet. Die kühle Luft draußen lässt mich aufatmen. Schnell gehe ich in Richtung der Buchhandlung, dem einzigen Ort, an dem ich ein wenig Frieden finde.
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In the Shadows of Darkness
RandomIn einer Welt voller Schatten der Vergangenheit kämpft Talia um ihr Überleben. Gefangen zwischen den Wänden von ihrem Zuhause wird Sie Misshandelt. Nicht nur Zuhause auch von den Blicken ihrer Mitschüler ist Sie nicht sicher. Dabei sucht sie nur ver...