Unter den Sternen

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Der Tag neigt sich dem Ende zu. Die Stille kehrt in den Wald zurück. Die Männer des Ersten und Einzigen Tanith und die Valhallaner des 597. haben ihr Lager in einer notdürftig errichteten Verteidigungsstellung aufgebaut, während die Nacht hereinbricht und sich das letzte Licht des Himmels in einen dunklen, fast greifbaren Mantel wandelt. Kleine Feuer flackern überall und werfen zitternde Schatten über die Gesichter der versammelten Männer und Frauen. Eisweltler und Tanither tauschen Erzählungen über frühere Missionen aus oder spielen um Zigarren, Alkohol und Ersparnisse. Das frohe Treiben und die neu gefundene Vertrautheit unter den Soldaten bringen eine schon fast friedliche Atmosphäre zum Vorschein. Ein Versuch, die Schlachten des Tages zumindest für eine kurze Weile zu vergessen.

Cain sitzt abseits an einem der Feuer, seine Gedanken gespalten zwischen den endlos scheinenden Kämpfen, die sie heute überlebt haben, und den Unsicherheiten, die die Zukunft bringen würde. Seine Laserpistole schwer in seinem Schoß, während Jurgen neben ihm schnarcht, völlig unbeeindruckt von der Welt um sie herum.

„Kommissar Cain", sagt eine tiefe Stimme hinter ihm. Der sitzende Mann dreht sich um und sieht eine hochgewachsene Gestalt, die in der Dunkelheit stand, das Licht des Feuers nur schwach markante Gesichtszüge streifend.
„Gaunt", erwidert Cain, und ein Hauch eines aufrichtigen Lächelns spielt um seine Lippen. „Setzt Euch zu mir. Es scheint, als hätten wir uns eine Pause redlich verdient.", seine Gestik untermalt seine Bitte dem großen, hageren Mann gegenüber.
Gaunt zögert kurz, bevor er sich setzt, das Gewicht der Verantwortung und der vielen Schlachten noch immer sichtlich auf seinen Schultern lastend. Eine Weile herrscht Stille zwischen ihnen, die nur vom Knistern des Feuers unterbrochen wird. Doch es ist keine unangenehme Stille, vielmehr eine Art Einverständnis, ein Wissen, dass Worte in diesem Moment nicht gebraucht werden.

„Heute...", beginnt Gaunt und hält inne, als ob er die richtigen Worte zu suchen scheint. „Es ist selten, dass wir einen solchen Sieg erringen, ohne mehr Verluste zu beklagen. Eure Anwesenheit hat geholfen, Cain."
Dieser lehnt sich zurück, das ungewohnte Gefühl von Wärme in seiner Brust lässt er sich nicht anmerken. Er redet gelassen und selbstbewusst: „Nun, ich muss gestehen, dass ich froh bin, jemanden an meiner Seite zu haben, der nicht nur Befehle schreit, sondern versteht, was es bedeutet, diese Kämpfe zu überleben."
Gaunt sieht ihn an, ein Lächeln, selten und ehrlich, zeigt sich im zarten Licht der Flammen,  „Manchmal ist Überleben das Einzige, was zählt. Doch heute...", in seiner Stimme ein leiser Hauch von Zärtlichkeit, die Cain überrascht, „Heute habe ich erkannt, dass es mehr ist als das."

Cain fühlt, wie die Hitze des Feuers auf seinen Wangen brannte, oder war es etwas anderes? Er versucht, sich nichts anmerken zu lassen, was immer schwieriger zu werden scheint. In einer Welt voller Tod und Verderben ist Nähe ein Luxus, den er sich bis jetzt kaum erlaubt hatte. Doch hier, unter den Sternen, in der kurzen Ruhe vor dem Sturm, ist es plötzlich da, ein Verlangen nach etwas Menschlichem, nach Berührung und Verstehen.
„Gaunt", beginnt er, seine Stimme zittert unfreiwillig, was ihm ganz und gar nicht gefällt, „Ihr seid ein ehrenhafter Mann. Und ich weiß nicht, ob wir jemals wieder so eine Nacht haben werden."
Ein Moment des Zögerns, ein Atemzug, der wie eine Ewigkeit scheint, bevor der größere Kommissar eine Hand hebt und sie vorsichtig auf Cains Schulter legt. Ein fester Druck, aber nicht unangenehm. Tröstlich, doch es ist mehr als das, ein Bekenntnis, das Worte nicht ausdrücken können.
„Dann machen wir das Beste daraus, Ciaphas", flüstert Gaunt, und in diesem Moment scheinen die Schatten des Krieges nicht ganz so erdrückend zu sein. Cain schließt die Augen, begrüßt den Moment, während die Lagerfeuer weiterbrennen und die Männer und Frauen in Ruhe um sie herum sitzen oder schon zu schlafen versuchen.

Der Krieg würde kommen, wie er immer kommt, aber in dieser Nacht, zwischen den Reihen von Soldaten und den Bäumen als stille Zeugen, findet sich eine Spur des Friedens und etwas, das fast wie Hoffnung schmeckt.

Im Schatten der SterneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt