(7) Vollkommen

65 6 0
                                    

~ PoV Rhun ~

„So schnell übersieht man das Wesentliche.", Reiners Stimme war tief, als er vor dem Gefäß stand und hinab blickte. Ich sah mit großen Augen zu dem Mann hinüber und schwieg. „Oh, sorry! Quintett! Reiner gehört natürlich auch dazu", fügte Joon hinzu, der sich neben mich stellte und seinen Freund ansah. „Ich fragte mich bereits nach Juliens Verschwinden, warum ich es dennoch an diesem Ort verspüre." Was? Was redete dieser Reiner da gerade?

„Den Schutzschild hätte ich nicht passieren können..", Nein. Das kann nicht sein! „Darum schätze ich deine Gastfreundschaft, dass du mich auf anderem Wege hierher eingeladen hast, Rhun.", Mein Herz raste und meine Augen weiteten sich, als ich sah, wie 'Reiner' das Gesicht vom Mann im Mond aus dem Gefäß nahm und sich zu mir umdrehte. „Das ist nicht Reiner!", hauchte ich ungläubig und musste mit ansehen, wie Eos aus dem Körper von Reiner hervortrat, welcher bewusstlos auf den Boden fiel.

Mein Atem stockte, als nun Eos vor uns stand und sein Gesicht in den Händen hielt. „Nein!", ich umklammerte mein Zepter fest und kanalisierte meine Magie, um Eos das Gesicht zu entreißen. Gerade als ich dachte, ich hätte es geschafft, tat mein Bruder es mir gleich und ich verlor den Halt. Ich wusste es schon damals. Meine Magie war im Vergleich zu Eos' Nichts und ich war ihm auch jetzt nicht gewachsen. Ich setzte noch einmal an, um mit meinem Zepter das Gesicht zu entwenden, doch es war bereits zu spät. Als das Gesicht mit ihm in Berührung kam, wurde eine Druckwelle ausgelöst, die mich nach hinten schleuderte und ich spürte nur noch, wie mein Hinterkopf an der Wand aufkam.

~ ~ ~

Es schlug zur Abendstunde. Fünf Jungen waren auf ihrem Schlafgemach und redeten miteinander. Alle lachten sie, bis auf einer. Ein Junge saß auf der alten hölzernen Fensterbank und blickte in den Nachthimmel hinauf zum Mond. Ein zweiter Junge bemerkte dies und kam auf den anderen Jungen zu. „Was denkst du, Rhun? Wie würde die Erde wohl von dort oben aussehen?", verträumt flüsterte der Junge zu seinem Bruder. „Dort oben gibt es bestimmt keine Nonnen, die uns einsperren. Niemanden, der uns, unserer Freiheit beraubt. Wo wir unser eigener Herr über seine Entscheidungen sein können", sprach der Junge weiter. Der andere sah seinen Bruder nur schweigend an und folgte dessen Blick zum Mond. „Freiheit", flüsterte Rhun. Ein Wort, das jeder von ihnen kannte und doch wussten sie nicht, wie es sich anfühlte frei zu sein. Ja, der Gedanke daran war verlockend. Er konnte seinem Bruder sein Verlangen nach Freiheit nicht verübeln.

Hätten sie damals doch nur zusammengehalten, so wie sie es sich einst versprochen haben.


Langsam kam ich wieder zu mir. Mein Körper schmerzte und ich öffnete mit großer Mühe meine Augen, was sich anfühlte wie ein Kampf mit meinem eigenen Körper. Mein Blick fiel auf meinen Bruder, der mit langsamen Schritten auf mich zukam, in seiner rechten Hand bündelte sich eine Aura purer blau leuchtender Magie. „Euer letztes Kapitel ist geschrieben. Nun beginnt meine Geschichte.", Eos hob seine Hand, die er nach mir ausstreckte. Sein Blick war kalt, als er auf mich hinab sah und doch konnte ich ein Zögern in seinem Handeln erkennen. Ich sah zu ihm auf, Emotionen überkamen mich und all der Zorn, der Hass und die Enttäuschung spiegelten sich in meinem Gesichtsausdruck wider.

Eos. Wolltest du es wirklich so weit bringen? War es wirklich das, was du tun wolltest?

Mach gefühlt alles alleine - ZahnfeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt