Teil 94

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Am nächsten Morgen erwachte Erica in Sophies Zimmer, die Morgensonne fiel durch das Fenster und tauchte den Raum in ein warmes Licht. Für einen Moment vergaß sie alles – den Streit ihrer Eltern, die Sorgen um den Umzug. Sie fühlte sich geborgen und sicher. Neben ihr lag Sophie, noch tief in den Decken eingekuschelt.

Tati klopfte leise an die Tür und kam lächelnd herein. „Guten Morgen, ihr zwei. Ich habe das Frühstück fast fertig – kommt runter, wenn ihr wach seid."

Erica setzte sich auf und streckte sich. „Danke, Tati," sagte sie leise, während Sophie sich schlaftrunken aufrappelte.

„Schon wach?" murmelte Sophie verschlafen und rieb sich die Augen. Dann blinzelte sie Erica an und grinste. „Lass uns erstmal was essen. Danach kann uns der Schultag nichts mehr anhaben."

Kurz darauf saßen sie alle zusammen am Frühstückstisch. Tati hatte frische Brötchen, Obst und Rührei zubereitet, und Philipp kam mit zwei dampfenden Tassen Kakao für die Mädchen in die Küche. Sie unterhielten sich über alles Mögliche, lachten und tauschten Erinnerungen aus, und Erica merkte, wie ihre Anspannung langsam verflog.

Schließlich war es Zeit für die Schule. Die Mädchen schnappten sich ihre Rucksäcke und liefen zusammen los. Erica fühlte sich ruhiger, sogar ein wenig leichter. Als sie auf dem Schulhof ankamen, standen bereits einige ihrer Klassenkameraden in Grüppchen zusammen. Heute stand ein wichtiges Gruppenprojekt in Geschichte an, und Erica erinnerte sich daran, dass sie mit Sophie und zwei anderen Mitschülern in einer Gruppe war. Sie hatten sich für das Thema „Berühmte Erfindungen und Entdeckungen des Mittelalters" entschieden und wollten sich auf Leonardo da Vinci konzentrieren.

Im Klassenraum angekommen, stellten sie ihre Sachen ab und suchten sich einen Platz in der Gruppe. Sophie breitete sofort ihre Notizen und Bücher auf dem Tisch aus. „Also, wir haben die Hauptteile schon vorbereitet. Wer will heute präsentieren?"

Erica zögerte. Normalerweise überließ sie die Präsentationen lieber anderen, aber heute fühlte sie sich sicher genug, es zu versuchen. „Ich könnte das erste Teil übernehmen," sagte sie leise und warf Sophie einen vorsichtigen Blick zu.

Sophie strahlte sie an. „Super, Erica! Das wird großartig."

Ihre beiden anderen Gruppenmitglieder, Jonas und Leila, nickten zustimmend. Sie hatten sich auf die technischen Entwürfe und Maschinen von Leonardo da Vinci spezialisiert und wollten ein paar seiner genialen Skizzen und Ideen erklären. Als die Lehrerin das Projekt ankündigte, stellte sich Erica mit einem tiefen Atemzug vorne hin und begann. Ihre Stimme war anfangs leise, doch sie gewann bald an Sicherheit, als sie über Da Vincis Flugmaschinen sprach und erklärte, wie seine Visionen ihrer Zeit weit voraus gewesen waren.

Sophie folgte als Nächste und sprach mit Begeisterung über die Anatomiezeichnungen, die Da Vinci anfertigte, und wie sie das medizinische Wissen bereichert hatten. Jonas und Leila rundeten die Präsentation ab, und als sie fertig waren, applaudierte die Klasse. Erica sah erleichtert und stolz zu Sophie hinüber, die ihr aufmunternd zulächelte.

Als sie wieder an ihren Platz ging, beugte Sophie sich zu ihr und flüsterte: „Das hast du toll gemacht, Erica."

Erica strahlte. „Danke, Sophie. Ohne dich hätte ich das nicht gekonnt."

Der Schultag verging schneller als erwartet, und bald läutete die letzte Glocke. Die Mädchen packten ihre Sachen und gingen gemeinsam aus dem Schulgebäude. Der Wind wehte sanft durch die Bäume, und Erica fühlte sich so erleichtert, dass sie beinahe hüpfte. Der Tag hatte ihr gezeigt, dass sie trotz der schwierigen Situation mit ihren Eltern noch viele Dinge hatte, die sie glücklich machten – ihre Freundschaft mit Sophie, die Geborgenheit bei deren Familie und die kleinen Erfolge in der Schule.

„Und was machen wir jetzt?" fragte Sophie, als sie zusammen den Weg nach Hause liefen.

Erica lächelte und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Vielleicht einfach noch ein bisschen Zeit zusammen verbringen. Es tut gut, nicht allein zu sein."

Sophie nickte. „Dann lass uns nach Hause gehen. Wir können noch ein bisschen im Garten sitzen oder Pläne für das nächste Wochenende schmieden. Was immer du magst."

Und so machten sie sich auf den Weg zurück zu Sophies Haus, mit einem Gefühl der Zufriedenheit und des Zusammenhalts, das stärker war als jede Angst vor dem, was kommen könnte.



Wenn Träume wahr werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt