Teil 4: schlimme Neuigkeiten

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Am nächsten morgen schien wieder die Sonne. Der Himmel war so blau, wie ein Himmel nur sein kann und überall im Wald glitzerte es, als hätte ein übereifrige Fee ihren Glitzer verstreut. Feen gab es hier in Alaska zwar nicht, aber angeblich in Europa. Zumindest hatte das in einem der Bücher gestanden, die mir mein Vater von dort mitgebracht hatte. Er reiste nämlich als Forscher in verschiedene Länder und brachte mir und Niko von dort manchmal etwas mit. So hatte ich in meinem Zimmer auf einem Regalbrett ein Mythenbuch aus Europa, eine Kiwi-Statue aus Neuseeland, Essstäbchen aus Asien und aus dem Amazonas eine Papageienfeder stehen. Was genau mein Vater machte wollte er uns nicht sagen und mitnehmen erst recht nicht.

Ich lief in meiner Luchsgestalt durch den Wald, um uns ein Frühstück zu besorgen, was im besten Falle leckerer schmeckte als feuchte Brote. Etwas später entdeckte ich einen Hasen der unbekümmert auf einer kleinen Lichtung am Gras knabberte. Er tat mir ein bisschen leid, dass er gleich zu unserem Frühstück werden sollte. Aber so ist das Leben. Fressen und gefressen werden, dachte ich, duckte mich ins Gras und fixierte den Hasen. Langsam schlich ich mich an meine Beute heran. Plötzlich hob der Hase witternd sein Näschen und floh. Hä?, dachte ich. Hatte ich etwa nicht auf die Windrichtung geachtet? Doch, hatte ich. Ich konnte den Hasen also nicht verjagt haben. Aber wer sonst? Diese Frage beantwortete sich schnell, da gleich darauf ein Luchs auf der anderen Seite der Lichtung aus dem Wald kam. „Nía! Ein Glück, dass ich dich gefunden hab." „Papa? Was machst du denn hier?" , fragte ich verblüfft. „Wo ist Isaac? Er muss so schnell, wie möglich mitkommen. Es geht um seinen Vater." Mir kroch es eiskalt den Rücken runter. „Ist er...?" „Nein, aber sie müssen ihn in eine andere Klinik bringen und zwar so schnell, wie möglich." Mein Vater stieß einen Fernruf aus: „Isaac, wo bist du? Komm so schnell wie möglich her." „Kenai?" Er war ebenso verblüfft, wie ich. „Ich bin bei der Höhle. Wo bist du ?" Isaac bekam die nötigen Infos. „Ich komme, so schnell ich kann."

Kurze Zeit später landete ein Steinadler neben uns. „Was ist denn los? Wo brennst denn?" „Es geht um deinen Vater. Es geht ihm immer schlechter. Sie wollen ihn jetzt in ein besseres Krankenhaus in Bethel bringen. Und zwar noch heute." „Was? Aber Bethel liegt 600 km von hier entfernt. Kann ich ihn nochmal sehen?" Die Angst in seiner Stimme brach mir fast das Herz. Wenn wir uns beeilen schaffen wir es noch zum Krankenhaus, bevor der Helikopter los fliegt. Also? Kommt ihr?" „Klar, los!" Isaac flog über den Wald hinweg, schnurstracks Richtung Chatanika. Mein Vater und ich rannten so schnell wir konnten in die selbe Richtung. Doch leider sind Luchse keine Ausdauerläufer und ich merkte bald, wie mir die Puste ausging. Mein Vater war noch etwas fitter. Klar, er trainierte ja seine Ausdauer und hatte mich auch öfter gefragt, ob ich mitkommen möchte, doch ich hatte immer abgelehnt. Für mich war das einfach nichts. Ich jagte immer noch durch den Wald, doch meine Muskeln wurden immer lahmer, bis ich das Gefühl hatte kaum noch ein Schritt gehen zu können. Aber ich musste weiter, schließlich war er mein bester Freund. Seit wir zwei waren kannten wir uns und auch unsere Eltern mochten sich, sodass wir über die Jahre hinweg fast sowas, wie eine Familie geworden waren. Für Isaac, für Isaac , pochte es in meinem Kopf und irgendwoher nahm ich die Kraft noch ein bisschen weiter zu rennen. Doch lange hielt ich dieses Tempo nicht durch. Ich bin zu langsam. Geht ohne mich weiter, meinte ich erschöpft. „Na gut.Danke." ,schickte Isaac dankbar in meinen Kopf und flog davon. Aber mein Vater blieb noch kurz. „Ich schaff das schon, ich bin doch kein Junges mehr. Ich komme nach so schnell ich kann." „Also schön. Aber sei vorsichtig!", sagte mein Vater besorgt. „Jaha, bis später."

Ich machte mir schreckliche Sorgen um Isaacs Vater, die wahrscheinlich aber nur ein Felsbrocken in Isaacs Sorgengebirge waren. Ich ruhte mich kurz aus, konnte aber den Gedanken nicht ertragen meinen besten Freund alleine zu lassen. Also lief ich wieder los, wenn auch etwas langsamer als vorhin. Wir hatten den direkten Weg durchs Unterholz gewählt und waren deshalb in sehr viel kürzerer Zeit zurück in Chatanika.

Als ich endlich ankam waren mein Vater und Isaac schon umgezogen und auf dem Weg zu unserem Auto. Im letzten Moment hechtete ich noch und den Wagen und mein Vater fuhr los. Isaac warf mir meine Klamotten zu und ich bedankte mich wortlos. So schnell, wie es ging verwandelte ich mich und saß fünf Minuten später neben ihm auf dem Rücksitz.

Während der Fahrt redeten wir nicht viel. Das Krankenhaus indem Isaacs Vater lag, war in Fairbanks, eine Dreiviertelstunde Autofahrt von Chatanika entfernt. Kurz bevor wir da waren teilverwandelte ich meinen Fuß und fragte Isaac leise von Kopf zu Kopf: „Soll ich nachher lieber im Auto warten? Oder..." „Nein. Bitte komm mit", unterbrach mich Isaac. „Ich... ich hab Angst, dass er nicht durchkommt und dass ich ihn jetzt vielleicht das letzte Mal sehe und...", er verstummte. Zum ersten Mal merkte ich wirklich, wie sehr ihn die ganze Sache mitnahm. Er versuchte zwar allen zu zeigen, wie stark er war, aber war seine Fassade zusammengebrochen und hatte einen ängstlichen, überhaupt nicht mehr starken Isaac zurückgelassen.

Woodwalkers - Reise in die Wildnis  |  ein Community-ProjektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt