E I N S

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Anna
Ich öffnete meine Augen, doch es blieb dunkel.
Wie jeden Morgen.
Ich bin Anna, 17 Jahre alt und blind.
Aber das war ich nicht immer und in meinen Träumen sind die Farben noch lebendig.
Doch jeden Morgen, wenn ich aufwache, verschwinden die Farben, die mir zuvor im Traum so echt vorgekommen waren.
Die farbigen Fetzen meiner Träume verblassten und vermischten sich mit der Dunkelheit, die um mich herrschte.

Die Enttäuschung schwappte wie eine Welle über mich hinweg und hinterließ eine unglaubliche Traurigkeit.
Ich krallte mich in mein Bettlaken, als ich spürte, wie mir die Tränen über die Wangen liefen, hätte ich gewusst, dass ich irgendwann in dieser klebrigen Dunkelheit leben würde, hätte ich meine Augen damals nie geschlossen, um alle Farben in mich aufzunehmen.

Jona

Als ich meine Augen öffnete, blendete mich die Sonne.
Genervt zog ich die Vorhänge zu, ich wollte nichts sehen, ich lebe in der Dunkelheit, sie ist mein Zuhause.

Ich verlasse mein Zimmer nur, um ins Bad oder in die Küche zu gehen.
Das Haus verlasse ich fast nie, nur nachts, da laufe ich durch die Straßen, dann spüre ich, wie mein Blut kocht und wie die Gefühle in mich zurück kehren, die sonst betäubt in meinem Inneren verborgen liegen.
Wut, auf mich selbst, auf meinen Vater, tobt dann in meiner Brust, Angst vor der Zukunft, um meine Mutter, lähmt meine Gedanken, Liebe für meine Mutter und meine Schwester, wärmt mein Herz, der Wunsch, dass alles gut wird, für alle von uns, keimt in mir auf, doch die bitter süße Dunkelheit verschlingt jede Zuversicht und meine Hoffnungen werden im Winde verweht.

Wie Liebe schmecktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt