Kapitel 4. Verluste

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Schweißgebadet schreckte Azrael aus dem Bett empor. Die ersten schwachen Strahlen der Sonne kämpften sich gerade erst durch die dichten Wolken, die den Manor Berg umhüllten. Der Raum war noch in die kühle Dämmerung gehüllt, und die Stille war nur von dem leisen Murmeln des Windes durchbrochen.

Verschwommene Erinnerungen an seinen Albtraum überfluteten sein Gedächtnis. Der reißende Fluss, die dunkle Umarmung der Kälte, und das stumme, ausdruckslose Gesicht seiner Mutter schienen noch immer wie ein dunkler Schatten in ihm zu haften. Doch das letzte Wort, das seine Mutter ihm geflüstert hatte, hallte in seinem Inneren wider, als wäre es ein klarer Befehl aus der Ferne.

Ein Hauch von Entschlossenheit schlich sich in sein Gesicht. „Das war nur ein Traum," flüsterte er zu sich selbst, aber seine Stimme klang fest und entschlossen. „Meine Mutter hätte genau das gesagt. Es ist klar geworden, dass ich keine Zeit verlieren darf. Der Mörder ist noch da draußen, und ich werde ihn finden. Aufgeben ist keine Option. Nicht jetzt und nicht irgendwann."

Sein Herz schlug kräftig, seine Augen funkelten vor Entschlossenheit. „Wartet nur ab. Ihr werdet es bereuen mich nicht ebenfalls in das Jenseits geschickt zu haben. Ich werde kommen, um euch abzuholen. Ich bin derjenige der euren Weg bestimmt. Ich werde der Sensenmann. Wartet auch mich, denn, ich werde kommen. Ich komme euch alle holen."

Leise schlüpfte Azrael wenige Tage später aus seinem Bett und trat in den Flur, dessen Atmosphäre eine antike Ruhe ausstrahlte. Die Wände waren aus robustem, dunklem Eichenholz gefertigt, das eine tiefbraune Farbe angenommen hatte. Die Holzverkleidung war mit filigranen Schnitzereien verziert, die ineinander verschlungene Muster und florale Designs darstellten. An einigen Stellen war das Holz durch die Jahre abgeblättert, was dem Flur einen ehrwürdigen, wenn auch leicht verfallenen Charme verlieh.

Der Boden war mit dicken, abgenutzten Teppichen bedeckt, deren Muster in matten, verblassten Farben gehalten waren. Die Teppiche trugen die Spuren vieler Jahre, die sich in abgetretenen Stellen und leichten Flecken äußerten. Die Kanten der Teppiche waren fransig und zeugten von der ständigen Benutzung und Pflege.

Entlang der Wände waren die knorrigen Holztüren angebracht. Jede Tür war aus massivem, dunklem Holz gefertigt, das an einigen Stellen von tiefen Rissen und Knötchen durchzogen war. Diese Unregelmäßigkeiten verliehen den Türen ein rustikales, ursprüngliches Aussehen. Die Türrahmen waren ebenfalls aus demselben Holz gefertigt und mit schweren, Bronzeverzierten Türbeschlägen ausgestattet, die in der Mitte kunstvoll geschnitzt waren. Die Beschläge hatten die Form von stilisierten Ranken und Blüten, die von feinen Details durchzogen waren. Die Türen selbst waren dick und solid, und jede hatte einen einzigartigen Charakter, der durch die vielen Jahre der Benutzung geprägt wurde.

Leise schlich er zur Zimmertür und öffnete sie behutsam. Der Flur erstreckte sich vor ihm, und er konnte die andere Tür am Ende des Ganges erkennen, die zum Ausgang führte. Mit einem gedämpften Seufzer trat er in den Flur und schlich vorsichtig auf Zehenspitzen in Richtung Haustür, um Madame Lorena nicht zu wecken. Unterwegs bemerkte er vier weitere Türen: zwei links und zwei rechts. Die Wände waren mit goldglänzenden Bildern geschmückt, die einen Mann zeigten, dessen Gesicht verschwommen war und dessen langes Haar in goldenen Wellen über seine Schultern floss. Der Mann strahlte eine erhabene Eleganz aus und trug ein Gewand aus reinem, strahlendem Licht, das ihn wie von einem göttlichen Glanz umhüllt erscheinen ließ. Die gesamte Darstellung vermittelte eine Aura von übernatürlicher Majestät und erhabener Macht. Azrael vermutete, dass es sich bei diesem Mann um Solaren handelte.

Schließlich erreichte er die Haustür. Der Anblick überraschte ihn: Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die Gestalten von Madame Lorena und einem Mann neben ihr. Der Mann war sein Onkel Bard. Er hatte eine sauber gepflegte Glatze und einen kurzen, braunen Bart. Mit seinem breiten Rücken und muskulösen Armen strahlte er eine beeindruckende Präsenz aus.

Azrael und das Tor des WahnsinnsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt