Etwa drei Glocken später, als im Gasthaus wieder Normalität eingekehrt war, saß ich wie immer an meinem Lieblingstisch und beobachte das rege Treiben vor mir. Jarek, der Wirt, wischte, wie fast immer, mit einem Stofftuch an seinen geliebten Whiskeygläsern herum und blickte mürrisch in die Runde. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn allen neuen Besuchern musste er wohl nicht gerade gesellig vorkommen. Doch wer öfter hier war wusste, dass er im Grunde ein herzensguter Mensch war.
Ich hatte noch nie erlebt, dass er jemanden aufgrund seiner Herkunft, oder seines Aussehens den Eintritt in sein Haus verwehrt hatte. Trotz allem war man gut beraten, seine Regeln zu achten, denn ich hatte oft genug erlebt, dass es denen, die diese missachteten, nicht sonderlich gut ergangen war. Mein Tisch stand im hinteren Teil des Raumes. Ich hatte bei der Wahl meines Stammplatzes viel Wert darauf gelegt mit dem Rücken zur Wand und mit Blick auf die Tür zu sitzen, man konnte ja nie vorsichtig genug sein. Heute aber, schien es wie meistens, ein ruhiger Abend zu werden.
Ein paar Trunkenbolde gab es zwar immer, aber selbst die schliefen friedlich, mit den Bärten in ihren Bierkrügen. Nur ein Tisch ließ ein leises Unbehagen in mir aufsteigen. Vier in dunkelgraue Kapuzenmäntel gehüllte kräftige Männer saßen leise, aber hitzig diskutierend, an einem Tisch nahe der Tür. Söldner. Das allein hätte mich eigentlich noch nicht beunruhigt, doch dass sie nicht einmal den recht hübschen Schankmägden auch nur die geringste Beachtung schenkten, war dann doch recht seltsam für Leute ihres Schlages. Normalerweise ließen die hin und wieder hier rastenden Söldner keine Gelegenheit aus, die Bedienungen zumindest mit lüsternen Blicken zu taxieren.
Mehr als Blicke, waren allerdings auch kaum möglich, denn Jarek achtete sehr darauf, dass sein Personal von den Gästen unbehelligt blieb. Es sei denn, die Mädchen hatten nichts dagegen, denn kleinere Schäkereien und Geplänkel waren im Allgemeinen kein Problem. Das Gasthaus befand sich zwar in der Unterstadt, genoss jedoch trotzdem einen hervorragenden Ruf. Dies war auch einer der Gründe, warum ich ausgerechnet diese Schenke so oft besuchte.
In der Unterstadt von Averon lebte zum Großteil das Gesindel, ärmere Kaufleute und Bauern, was den teilweise erbärmlichen Zustand der Straßen und Häuser erklärte, denn welchen Sinn hätte es denn für die Reichen und Mächtigen gehabt, Niederrangige zu unterstützen. Aber so war die Welt nun mal. Dass die Kanalisation der Unterstadt schon lange nicht mehr intakt war, störte mittlerweile auch niemanden mehr und von Hygiene, hatten die meisten Menschen hier meiner Meinung nach sowie so noch nie gehört.
Dass ich mich trotzdem in dieser Gegend niedergelassen hatte, hatte vor allem den Grund, dass man so gut in der grauen Masse untertauchen konnte. Höhere Magier und Offiziere verirrten sich nur selten in diese Gegend, weshalb man auch von der Stadtwache relativ unbehelligt blieb. Solange man keinen ganzen Häuserblock abfackelte, oder dem dunklen Gott kleine Kinder opferte, konnte man tun und lassen was man wollte. Ob das zur Sicherheit der Bevölkerung beitrug, war allerdings wieder eine andere Frage. Um übersehen zu werden, hatte ich zudem mein Aussehen mit Magie leicht verändert, sodass ich in den Augen der Anderen eher ihrem Großvater, als sonst wem ähnelte.
Aus dem Augenwinkel sah ich Jarek auf mich zugehen. Ich hoffte, er hatte etwas Brauchbareres für mich als in letzter Zeit. Gute Informationen waren teuer und wenn man sie den richtigen Leuten steckte, konnte man durchaus ein hübsches Sümmchen einstreichen. Hinter dem unscheinbaren Wirt steckte nämlich viel mehr als man vermuten konnte. Jarek war nicht nur Gildenoberhaupt der Spione und Attentäter, sondern war obendrein noch magisch begabt und das nicht zu knapp. Er war auch einer der wenigen, die ich mit meinem kleinen Trick nicht in die Irre führen konnte. Deshalb und weil ich ihm bedingungslos vertraute, wusste er um meine wahre Identität. Mit einem freundlichen Grinsen auf den Lippen, zog er sich einen Hocker heran und musterte mich.
>>Was gibt's?<<, fragte ich und erlaubte mir ebenfalls ein kleines Lächeln. >>Hast du was interessantes für mich, oder nur das Übliche?.<< >>Ich habe was für dich, allerdings glaube ich nicht, dass du sonderlich erfreut darüber sein wirst<<, gab der Wirt zurück. >>Wie kommst du darauf?<<, fragte ich skeptisch. Ich war der Meinung, dass es kaum etwas Spektakuläres sein konnte, sonst hätte ich schon davon gehört. >>Also gut<<, antwortete Jarek. >>Mir wurde von einer zuverlässigen Quelle zugetragen, dass Tarsos überrannt und die Stadt geschliffen worden ist.<< Das waren in der Tat keine sonderlich guten Neuigkeiten, aber ich fragte mich, was das mit mir zu tun hatte.
>>Hmm<< ,brummte ich, >>und wer soll das gewesen sein? Gadara? Wohl kaum, die haben ja selbst genug damit zu tun, die Grenze zu Tegea zu sichern und außerdem ist die Armee von Faros nicht gerade schwach...<< Der nun ernst blickende Wirt beugte sich zu mir herüber. >>Es heißt, es wären Truppen des dunklen Gottes gewesen. Angeblich haben sie Leichen über die Stadtmauer geschleudert und die Körper dann mit schwarzer Magie wiederbelebt.
Damit wären die dortigen Magier aber eigentlich fertig geworden, denn es kommt hin und wieder vor, dass sich genug fanatische Anhänger des dunklen Gottes sammeln und einen Angriff wagen. Ich allerdings glaube, dass das niemals der wahre Grund für den Fall von Tarsos sein konnte. Die Anhänger des dunklen Gottes haben zwar durchaus auch fähige Magier, aber eine ganze Stadt von der Landkarte zu tilgen, ist dann doch noch eine Nummer zu groß. Meine Quelle berichtete mir, dass er einen verirrten Flüchtling aufgreifen und befragen konnte.<< Der Wirt verstummte. >>Rück schon raus mit der Sprache<<, drängte ich ungeduldig. >>Was hat er gesagt?<<
Jarek senkte seine Stimme noch weiter, so dass ich ihn kaum noch verstehen konnte. >>Er sagte...<<, der Wirt brach ab und sah sich misstrauisch im Schankraum um, doch niemand schien ihnen Beachtung zu schenken.
>>Er sagte, es wäre ein Schattenfürst gewesen.<<
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Seelenreißer
FantasySieben Leben, sieben Seelen, für die Ewigkeit. Der Preis der gezahlt werden musste, um der Auslöschung zu entgehen. Doch nun, nur 70 Jahre später, regt sich das uralte Böse wieder und startet erneut seinen schier unaufhaltsamen Vernichtungsfeldzug...