Kapitel 3

387 55 39
                                    

Ihr rotes, leicht gelocktes Haar war vom Sturm draußen zerzaust und ihr Umhang war völlig durchnässt, was ihre weibliche Figur nur noch mehr betonte. Das konnte doch nicht - Nein. Sie konnte es nicht sein. Und dennoch war die Ähnlichkeit verblüffend. Auf den ersten Blick hatte sie wie Vaelyn, meine alte Meisterin, ausgesehen. Doch Vaelyn hatte schon vor langer Zeit diese Welt verlassen.

Der ganze Raum starrte den Neuankömmling unverhohlen an, was ich durchaus verstehen konnte, denn sie war in der Tat eine beeindruckende Erscheinung. Nahezu ihr ganzer Körper war von einer blausilbrig schimmernden Rüstung bedeckt. Wobei Rüstung beinahe ein zu plumpes Wort für dieses Kunstwerk war. Ich konnte die einzelnen Ringe des Kettenhemdes kaum erkennen, so fein waren sie eingearbeitet. Ich sah an mir herunter. Was ich sah ließ mich jedoch schnell wieder hochblicken.

Mein Kettenhemd war zwar nicht von schlechter Qualität, doch die Spuren der mangelnden Pflege waren deutlich erkennbar. Rost hatte sich an vielen Stellen festgesetzt und einige Löcher waren auch zu erkennen. Gegenüber ihrer Rüstung, die aus Drachenstahl bestehen musste, sah meine einfach nur erbärmlich aus. Sie trug zudem ein Schwert über der rechten Schulter, welches mit Sicherheit den Wert einer ganzen Baronie hatte. Dass sie bewaffnet war wunderte mich etwas, denn als Maestra der lichten Künste, hatte sie eine Waffe eigentlich nicht nötig.

Ich konnte ihre Aura überdeutlich spüren, sie musste eine mächtige Gabe besitzen, fast so stark wie die eines Erzmagiers des hohen Rates. Beeindruckend.

Ohne die Gaffer weiter zu beachten schritt sie zu Theke und ließ sich Jarek gegenüber nieder. Was sie wohl von ihm wollte? Leute wie sie sah man in der Unterstadt nur alle Jubeljahre. Sie musste wohl sehr dringend Informationen vom Wirt benötigen, in der Regel gingen solche Austausche eher heimlich und möglichst unauffällig von statten. Immer noch herrschte Stille im Gastraum. Nur vereinzelt begannen sich die Gäste wieder ihren Unterhaltungen zu widmen und immer wieder blickten sie verstohlen zu Jarek und der Fremden.

Das Gespräch der beiden hatte nur wenige Minuten gedauert, da erhob sich die Maestra schon wieder und schritt dem Ausgang entgegen. Doch einer der Söldner hatte sich unbemerkt erhoben und sich ihr nun in den Weg gestellt. >>Was glaubst du wer du bist, dich mir in den Weg zu stellen? Gesindel wie du ist es nicht einmal Wert, beseitigt zu werden, doch wenn du nicht sofort bei Seite trittst könnte ich meine Meinung ändern<<, sprach sie verächtlich. Ich sog scharf die Luft ein. So dumm konnte nicht mal eine Adelige, als die sie sich nun zweifelsfrei zu erkennen gegeben hatte, sein.

Niemand, der noch ganz bei Trost war, legte sich mit Söldnern an, vor allem nicht mit diesen hier. Sie musste doch erkannt haben, dass diese Truppe hier weit mehr als nur ein paar Tölpel mit Knüppeln war. Zudem bemerkte ich, dass der Mann, es war der Laharaner, einen kleinen Gegenstand in der Hand hielt, der kurz aufleuchtete und dann sofort wieder in dessen Manteltasche verschwand. Als wäre dies ein Signal gewesen nickten sich die am Tisch verbliebenen Söldner zu und auch der Laharaner trat aus dem Weg und entschuldigte sich.

>>Verzeiht, Maestra, nichts läge mir ferner als euch zu erzürnen.<< Also wusste er, dass sie magisch begabt war, vielleicht hatte das mit dem Gegenstand zu tun den er vorhin benutzt hatte. Immer weniger glaubte ich daran, dass es Zufall war, dass sich die Söldnergruppe ausgerechnet jetzt in diesem Gasthaus befand. Vielleicht hatten sie gewusst, dass die Fremde heute hierherkommen würde und hatten nur auf sie gewartet.

Doch die Maestra schien von der drohenden Gefahr nichts zu bemerken. Sie nickte herrisch und verließ den Raum ohne sich noch einmal umzublicken. Doch mir entging das mordlustige Funkeln in den Augen des Laharaners nicht. Ich lehnte mich zurück und behielt die Gruppe im Auge. Und siehe da, bereits wenige Minuten später erhoben sich die Söldner und verließen das Gasthaus. Ich wusste was nun kommen würde.

Sollte ich ihnen folgen? Aber was dann? In meiner momentanen Form, könnte das sehr gut nach hinten losgehen und außerdem war diese Maestra selbst schuld wenn sie nicht aufpasste. Doch irgendetwas hinderte mich daran, einfach sitzen zu bleiben und sie ihrem Schicksal zu überlassen. Vielleicht war es ihre Jugend, ich schätzte sie auf höchstens zwei Dutzend Jahre, aber vor allem war es wohl die Ähnlichkeit zu meiner alten Meisterin, die mich berührte und mich aufstehen und das Gasthaus verlassen ließ.

SeelenreißerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt