Kapitel 4

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Beißende Kälte empfing mich und der Wind peitschte mir ins Gesicht, als ich durch die Tür hinaus auf die Straße trat. Beinahe sofort war ich komplett durchnässt, was meine Laune nicht gerade hob. In einen Hauseingang geduckt hielt ich inne und suchte nach der Aura der Maestra, welche ich auch sofort entdeckte, da sie im Vergleich zu den Auren der anderen Stadtbewohner wie ein Leuchtfeuer wirkte. Meine Güte, nicht einmal ihre Aura konnte sie verbergen, es würde für ihre Verfolger ein Leichtes sein, sie aufzuspüren.

Ich bemerkte auch die Aura aus purer Dunkelheit, die der ihren stetig folgte. Demnach musste zumindest einer der Söldner der dunklen Magie mächtig sein. Wo war ich da nur wieder hineingeraten. Anstatt gemütlich im warmen Gasthaus bei einem guten Bier zu sitzen, musste ich mich nun bei diesem Sauwetter durch die Nacht schlagen, nur um einer Wildfremden hinterher zu hetzen und sie vor ihrer Dummheit zu bewahren.

Und das alles nur, weil sie mich an meine alte Meisterin erinnerte. Sentimentaler Trottel. Missmutig zog ich mir meine Kapuze tiefer ins Gesicht und eilte los. Zu dieser Zeit und bei diesem Wetter waren die Straßen Menschenleer, was mir sehr gelegen kam, denn es würde bei einem möglichen Kampf so gut wie keine Augenzeugen geben. Als ich so dahin lief, spürte ich plötzlich etwas. Es war nicht mehr als eine vage Ahnung und doch wusste ich, dass ich in Gefahr schwebte. Das wurde ja immer besser, wer mischte sich denn jetzt noch in das Geschehen ein.

Ich ließ mir nichts anmerken und lief geradeaus weiter, blieb aber wenige Schritte später abrupt stehen und fuhr herum. Gerade noch konnte ich sehen, wie ein kleiner Schatten nur wenige Häuser hinter mir, hinter einem Schornstein verschwand. Also hatte mich mein Instinkt doch nicht getäuscht, jemand verfolgte mich. Und dieser jemand musste ziemlich gut sein, da ich erst so spät etwas bemerkt hatte. Ich erhöhte mein Tempo und rannte durch einige schmale Gässchen und Abkürzungen um meinen Verfolger abzuschütteln.

Doch vergebens, kaum da ich wieder auf der Straße war entdeckte ich den Schatten wieder. Nur diesmal auf einem der Dächer vor mir. Verdammt, dafür hatte ich jetzt keine Zeit, ich musste zur Maestra aufschließen, sonst war das ganze Herumgerenne völlig umsonst gewesen. Den Schatten ignorierend rannte ich weiter. Plötzlich erschütterte jedoch eine gewaltige magische Entladung die zweite Ebene. Die Bewohner der Stadt durften nahezu nichts bemerkt haben, da die zweite Ebene nur für Magiebegabte zugänglich war. In ihr waren auch die Auren aller Wesen sichtbar und in den meisten Fällen konnte man auch die Art der Magie erkennen.

Die Erschütterung war so stark, dass sie noch Meilenweit von jedem mit dem Talent zur Magie bemerkt werden musste. Das war nicht gut. Je mehr Aufmerksamkeit, desto schneller vom Acker machen, lautete die Regel, die mir schon oft genug viel Ärger erspart hatte. Es war nur noch eine Frage von Minuten, bis der hohe Rat Maestri entsenden würde, um den Ursprung der Unruhe zu beseitigen. Und bei so einer starken Magieentladung konnte es gut sein, dass ein Erzmagier dabei war und mit denen legte man sich besser nicht an, wenn man den nächsten Tag noch erleben wollte.

Endlich erreichte ich den Ort des Kampfes. Erleichtert stellte ich fest, dass die seltsame Präsenz meines Verfolgers kurz zuvor verschwunden war, so konnte ich mich ausschließlich auf das Geschehen vor mir konzentrieren. Was ich erblickte, überraschte mich. Der Laharaner lag bereits auf dem Boden und regte sich nicht mehr und der Hüne mit der Doppelaxt schien sich kaum mehr auf den Beinen halten zu können, was an dem stetig aus seinen Mundwinkeln rinnenden Blut zu liegen schien.

Die Maestra schien wohl doch besser mit ihrer Gabe umgehen zu können, als ich vermutet hatte. Das war doch schon mal ein guter Anfang. Allerdings schien sie sehr erschöpft zu sein, kein Wunder, sie musste ja gegen vier Gegner gleichzeitig kämpfen. Einer ihrer Arme hing schlaff herab, er musste wohl gebrochen sein, und sie konnte sich nur noch schwankend auf den Beinen halten.

Gerade setzte die Frau mit den Stilletten zum Angriff an, als sie wie von einer unsichtbaren Faust getroffen, gegen die gegenüberliegende Hauswand geschmettert wurde und reglos in ihrem Blut liegen blieb. Der Mann mit der Doppelaxt konnte nur noch die Augen weit aufreißen als ihn das gleiche Schicksal ereilte. Mein Blick zuckte sofort zu dem dunkelhäutigen Söldner aus Acheron.

Mit einem verächtlichen Ausdruck im Gesicht sah er auf die zwei auf den Pflastersteinen liegenden Leichen herab, von denen nun in blassen schlieren reine Energie aufstieg, sich sammelte und auf ihn zu waberte. Die Tätowierungen auf seinem Körper brachen aus der Haut hervor und schlossen sich wie ein Netz um die frei schwebende Energie. Der Söldner machte eine ruckartige Geste mit seiner Hand und das Netz zog sich zusammen, schoss auf ihn zu und verschwand mit samt seines Inhaltes wieder in seinem Körper. Nun lagen die Tätowierungen wieder still und scheinbar harmlos auf seiner Haut.

An den weit aufgerissenen Augen der Maestra konnte ich erkennen, dass sie eine solche Art von Magie noch nie zuvor gesehen hatte. Also wusste sie auch nicht wie sie sich dagegen wehren sollte.

Ich seufzte innerlich und machte mich bereit einzugreifen.

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