1. Kapitel

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Kennt ihr das, wenn ihr einfach nicht mehr könnt? Sowohl körperlich als auch psychisch? Wenn ihr einfach am Boden seid? Niemand weiß, wie es mir geht und was in mir vorgeht. Sie urteilen einfach nur über das, was sie sehen und über das, was sie irgendwo mal über mich aufgeschnappt haben. Sie interessieren sich kein bisschen für den Menschen, der ich wirklich bin. Den Menschen mit einer Vergangenheit. Nicht jeder hatte eine schöne Vergangenheit. Und so etwas prägt nunmal. Ich bin jetzt 17 Jahre alt und es ist genau 1 Jahr her, dass ich meine Eltern das letzte mal sah; Sie in die Arme schließen und küssen konnte. Alles war perfekt. An ihrem 10. Hochzeitstag beschlossen meine Eltern, nach Kanada zu fliegen, um dort ihren Jahrestag zu feiern. Ich freute mich für sie. Sie waren mein ein und alles.

Ich habe keine Geschwister, da bei meiner Mutter, 2 Jahre nachdem sie mich bekommen hatte, eine Schwangerschaftsunfähigkeit festgestellt wurde. Es war okay für mich, dass ich keine Geschwister hatte, obwohl ich mir schon immer ein kleines Brüderchen oder Schwesterchen gewünscht hab.

Ich war schon früher relativ groß für mein Alter und das bin ich auch heute noch. Für meine Größe bin ich aber ziemlich dünn, wenn nicht schon etwas mager, was mich aber nicht weiter stört, da ich weiß, dass ich gesund bin. Also jetzt zumindest. Früher war das anders. Als ich auf das Gymnasium kam war ich etwas stämmiger, was meinen Mitschülern auch sofort auffiehl. Ich kümmerte mich damals auch nicht so um mein Aussehen, da es mir nicht besonders wichtig war. Ich hatte Pickel und all den Kram, den man halt eben in diesem Alter bekam. Die Anderen Mädchen in meiner damaligen Klasse fingen schon an sich zu schminken. Ich fand es jedoch überflüssig. Ich wurde nie richtig von den Anderen angenommen und somit kapselte ich mich immer mehr von allen Anderen ab.

Als ich in der 9. Klasse war, hatte ich mich damit abgefunden, dass meine Klasse scheiße war. Ich hatte zwar zu diesem Zeitpunkt eine beste Freundin, allerdings war sie in meiner Parrallelklasse, wodurch ich sie nur in den Pausen sah. Sie hatte ein Auge auf einen Jungen aus ihrer Klasse geworfen. Liam. Ich muss zugeben er kam echt sympatisch rüber und ich verstand mich gut mit ihm. Er lud uns zu einer Hausparty ein. Ich wollte erst nicht hin aber Kathie, meine beste Freundin, schliff mich natürlich mit. Das war die erste Party auf die ich ging und ich muss sagen ich war schon ziemlich beeindruckt. Es gab natürlich auch Alkohol mit dem ich dann auch nachher in Kontakt kam. Ich war betrunken. Und ich kann mich nicht an diesen Abend erinnern. Ich kenne nur das Video. Irgendwer hatte mich gefilmt, wie ich immer mehr trank und ich anschließend halbnackt auf einem Tisch rumtanzte. Als ich dann am nächsten Tag in die Schule kam, fing ich mir viele verachtungsvolle Blicke ein. Ich hatte ja noch keine Ahnung von dem Video, dass jetzt schon fast über die Hälfte der Schule gesehen hatte.. Als ich in meine Klasse trat, waren 26 Augenpaare auf mich gerichtet und sie wanden sich erst von mir ab, als ich mich auf meinen Platz setzte. Hinter mir wurde stark getuschelt und ich hörte ab und zu meinen Namen herraus. Was war am Wochenende passiert? Worüber reden die denn alle? Fragen über Fragen die ich mir nur beantworten konnte, indem ich meine Mitschüler fragte, was los ist. "Hey, Ella, ganz schön heiße Show hast du da abgeliefert" hallte es aus einer Ecke der Klasse. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass fast alle ihre Augen auf ihr Handy gerichtet hatten, um sich irgendein Video anzusehen. Oh nein. Jetzt konnte ich mich wieder erinnern. Ich hatte eine billige "Stripshow" abgeliefert.. Scheiße. Ich sprang von meinem Platz auf und schrie die ganze zeit Löscht das Video! Aber alle lachten nur über meinen Affenaufstand. Ich fing an zu weinen, als sie irgendwelche Sprüche und Kommentare abließen. Ich rannte aus der Klasse und ging nach Hause.

Einige Monate später redeten sie immer noch darüber. Sie hatten kein anderes Gesprächsthema mehr. Selbst meine 'beste Freundin' hatte sich von mir abgewendet, da sie mich anscheinend jetzt zu peinlich fand. Es wurde mit der Zeit alles nur noch schlimmer. Sie fingen an mich wegen jeder Kleinigkeit auf zu ziehen und mich ohne Grund zu beleidigen. Mein Selbstbewusstsein war so klein geschrumpft, dass ich es nicht irgendwann nicht mehr einsetzten konnte, weil ich einfach zu schwach war. Diese ständigen Mobbingattacken machten mich kaputt. Und so verfiel ich in eine schwere Essstörung. Es war nicht leicht dort wieder raus zu kommen. Aber aus irgendeinem Grund habe ich es geschafft.

Durch die Unterstützung meiner Eltern kam ich da raus. Sie waren es. Sie halfen mir, wenn ich Probleme hatte oder wenn es mir nicht gut ging. Ihnen verdanke ich alles..
Dann, 1 Tag nachdem sie ihre Hochzeitsreise angetreten hatten, kam die Nachricht. Die Nachricht die meine Glaswelt in tausende von Scherben zerspringen ließ. Ihr Flugzeug war über dem Atlantik abgestürzt. Keine Überlebenden. Ich war am Boden zerstört. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich kapselte mich von der Aussenwelt komplett ab. Ich wollte nicht das mich jemand daran erinnerte oder mich darauf ansprach. Ich hätte es nicht ertragen können..

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