Helfen (9)

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Scheiß drauf, sage ich mir mit dem Gedanken an Schule, drehe um und radle zurück. Und tatsächlich, meine Befürchtung bestätigt sich: Dort liegt jemand am Boden.
Ich trete noch schneller in die Pedale, springe ein paar Meter vorm Verletztem ab und eile zu ihm. Sein Fahrrad liegt verbeult und verdreht auf der Fahrbahn, er selber auf dem Grünstreifen. Vielleicht hat das seinen Sturz abgefedert. Ich hoffe es.
"Hallo? Können Sie mich hören?" Wenn ich eines beim Erste-Hilfe-Kurs gelernt habe, dann, dass Verletzte bei Bewusstsein immer besser sind als Verletzte ohne Bewusstsein.
Ich nehme ein schmerzerfülltes Stöhnen und Husten wahr. Das rechte Bein sieht merkwürdig verdreht aus und ich entdecke Blut an seiner Stirn.
"Ich rufe einen Krankenwagen! Bewegen Sie sich nicht." Er ist kaum älter als ich, stelle ich mit Bestürzen fest. Das könnte ich sein.

Als der Notdienst gerufen ist, weiß ich nicht mehr was ich tun soll. Keine Menschenseele weit und breit. Ich versuche ihn so gut ich kann in eine stabile Seitenlage zu bekommen, für den Fall des Falles. Dann knie ich mich neben ihn, hilflos.
"Bleib am besten liegen. Der Rettungswagen kommt gleich." sage ich unsicher, beiße mir auf die Lippe. Was, wenn ich alles falsch mache?
"Wie heißt du?" frage ich, vielleicht bleibt er bei Bewusstsein, wenn ich mit ihm rede.
"Kris." bringt er mit Mühen hervor.
"Okay Kris. Ich heiße Rosa. Rettung kommt gleich."

Gefühlte Stunden später finde ich mich an derselben Stelle wieder, eine Polizistin legt mir gerade eine Decke um die Schultern. Obwohl es so warm ist, friere ich.
"Komm, du kannst dich bei unserem Bus hinsetzen." Ich lasse mich zum Polizeiwagen führen und beobachte von dort aus, wie der Krankenwagen mit Kris davonrast.
"Wir würden gerne deine Personalien aufnehmen, damit wir später den Zeugenbericht aufnehmen können."....

Wieder einige Stunden später. Ich sitze am Küchentisch, noch immer wie in Schockstarre. Meiner Mutter habe ich alles erzählt, auch Lara, meiner besten Freundin, per SMS.
Ich warte nur darauf, dass das Telefon klingelt, ich etwas tun kann, Neues erfahre.

Einen Tag später sitze ich im Polizeipräsidium und schildere alle Details, an die ich mich noch erinnern kann. Als wir am Ende angelangt sind, meint der Polizist mit sanfter Stimme: "Die Mutter des Opfers hat angerufen, es geht ihm recht gut, er hat ein paar komplizierte Brüche im Oberschenkel und Unterarm und ein Schädelhirntrauma, alles in einem hätte es ihm schlimmer gehen können. Nach dem Fahrer wird bereits gefahndet, da er Fahrerflucht begangen hat. Außerdem möchte der Anwalt der Familie als Nebenkläger auftreten und Schmerzensgeld einfordern. Du könntest bei dem Prozess eine wichtige Rolle spielen, da es kaum andere Zeugen gibt. Könntest du dir vorstellen, vor Gericht auszusagen?"

Wirst du vor Gericht aussagen, damit der Täter verurteilt werden kann (19)

Oder

Möchtest du diesen ganzen Trubel nicht und dich wieder dem normalen Leben widmen (21)?

Was wäre wenn...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt