Ihr war kalt. Die kühle Luft die durch das offene Fenster wehte, ließ ihr eine Gänsehaut über die blassen Arme streichen. Doch sie genoss es, auf eine Art – eingewickelt in eine dicke Wolldecke, die ihre Oma ihr extra zum Geburtstag im Januar gestrickt hatte, eingewickelt zu sein und auf dem kleinen, aber gemütlichen Sofa mit einer Tasse heißem Kakao und einem guten Buch zu verweilen.
Wenn es nach ihr ginge, wäre dass das einzige was sie jeden restlichen Tag ihres Lebens tun würde. Doch sie studierte und hatte den beschissenen Teilzeitjob im Wendy's um sich mit ihrer Mitbewohnerin die Miete leisten zu können. Wäre sie doch einfach fort gegangen, so wie sie es eigentlich vor Jahren nach dem Abitur geplant hatte; bis ihre beste Freundin sie dazu überredet hatte Betriebswirtschaftslehre mit ihr zu studieren und sich eine Wohnung zu teilen...Betriebswirtschaftslehre? BWL? Herr Gott nochmal! Wer wollte denn noch diesen Scheiß studieren? Da hätte sie sich direkt mit schwarzem Edding ›KEINE AHNUNG WAS ICH MIT MEINEM LEBEN MACHEN SOLL‹ auf die Stirn schreiben können.
Aber anstatt ihren eigenen Weg zu gehen und Musikerin zu werden, so wie sie es eigentlich wollte, hatte sie sich entschlossen „auf Nummer sicher zu gehen". Doch kaum ein Semester später, hatte ihre „beste Freundin" sie nach einem Streit vor die Tür gesetzt, ohne eine neue Bleibe zu haben. Einen Ort zum wohnen hatte sie nicht, und zu ihren Eltern zurück wollte sie auch nicht – die hätten doch sowieso nur „haben wir es dir doch gesagt" an den Kopf geworfen.Und so verbrachte sie zwei Nächte im Obdachlosenheim, weil sie pleite war.
Als sie es am nächsten Abend nicht zurück dort hin wollte, bat sie einen alten Freund, sie bei ihm übernachten zu lassen – was er sogar tat, doch er tat auch Dinge, um die sie nicht gebeten hatte. Nach dieser Nacht, wollte sie nie wieder bei einem Mann bleiben. Nach dieser Nacht, suchte sie sich ein Zimmer bei ihrer jetzigen Mitbewohnerin – einer 27-Jährigen die Musik- und Tanzpädagogik studierte, die eine Weltreise gemacht hatte – vorm Studium – und dessen Arme zahlreiche Tattoos zehrten. Und alles was sie denken konnte, war ›wäre ich doch bloß gegangen‹.
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namenlos
Short StorySie ist eine Partygängerin. Sie bedauert. Sie verliebt sich in Menschen. Sie steht für andere auf. Sie ließ sich auf einen Kleinstadtjungen ein.