Kaltblütiges Feuer

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Es war ein ermüdender Montagvormittag, die Sonne hatte sich hinter dicken, grauen Wolken versteckt, die zu sagen schienen "Ich lass Meere von den Sternen kommen, kaltblütiges Feuer der Sonne durch die Atmosphäre ziehen und den Himmel zerreisen, lasse die Winde sich über euch erheben und Chaos aufwirbeln und das wütende Grollen des Donners durch jeden Winkel der Welt hallen, denn ich könnte die Erde zerreißen und nichts von euch übrig lassen, wenn ich wollte". An manchen Tagen jagte es ihr eine Heiden Angst ein. Doch sie musste unbedingt einen neuen Reisepass beantragen um am Ende des Jahres mit ihrem Freund nach Norwegen fliegen zu können um dort Silvester zu verbringen. Es war einer ihrer größten Träume die Nordlichter zu sehen und als er ihr vor zwei Wochen eröffnet hatte, dass er Tickets für einen Flieger und ein Hotelzimmer gebucht hatte, war sie ihm in die Arme gesprungen und hatte sein ganzes Gesicht geküsst. Sogar einige Freudentränen waren über ihre Wangen gelaufen.
Jedoch brachte ein Urlaub auch immer Probleme mit sich. Was sollte sie mitnehmen? Wann müsste man zum Flughafen los fahren? Welche Route sollte man fahren?
Sie brauchte noch neue Winterstiefel, da sie in diesem Jahr keine gekauft hatte wegen des mildem, deutschen Winter mit seinen seltenen Schneefällen und dafür vielem Regen - was sie dazu verleitet hatte quietschgelbe Gummistiefel zu kaufen. Ihr Freund hatte sie albern gefunden, doch konnte mit ihr darüber schmunzeln, dass er sie sich ab und an in nichts außer den Gummistiefeln vorstellte.
Darüber musste sie immer wieder lachen.
Doch nun saß sie im Einwohnermeldeamt und wartete darauf, dass sie dran war. Neben ihr saß ein Mädchen mit ihrer Mutter die sich auf einer anderen Sprache unterhielten, doch sie konnte dank ihres Syrisch-Sprachkurses den sie für einen Urlaub belegt hatte einige Bruchstücke verstehen.
"Wann ... endlich dran?", hörte sie heraus.
"Wir müssen ... warten.", antwortete die Mutter des Mädchens.
"Aber wir warten ... lange.", nörgelte das Mädchen, doch ihre Mutter drückte nur ihre Hand und lächelte sie an um sich ihre Müdigkeit und Wut nicht anmerken zu lassen. Sie lächelte den beiden aufmunternd zu, was keiner der beiden wirklich wahrnahm.
Das Schild wurde grün als ein Mann eine der kleinen Zellen verließ. Doch die Frau und ihre Tochter standen nicht auf, noch tat sie es. Sie holte ihre brüchigen Syrisch Kenntnisse hervor und sagte:"Sie sind an der Reihe."
Die Augen der Frau weiteten sich etwas, sie ergriff erneut die zierliche Hand ihrer vielleicht neun Jahre alten Tochter und bedankte sich bevor sie aufstand um das grüne Licht wahrzunehmen.
An manchen Tagen was sie erschrocken darüber, wie überrascht Flüchtlinge und Migranten über - ihrer Meinung nach - normale Höflichkeitsgesten waren.
Nur weil sie aus einem anderen Land kamen, waren sie schließlich nicht weniger Mensch.
Viele dieser Menschen hatten die Hölle auf Erden erlebt, Angehörige und Hab und Gut verloren und mussten aus ihrem Land fliehen. Wenn diese Menschen ihrer Meinung nach eins verdient hatten, dass Respekt.
Bevor man über sie urteilte sollte man sich schließlich erst einmal in ihre Lage versetzen und daran denken, was sie auf sich genommen hatte um ihren Kindern und sich ein besseres Leben zu ermöglichen. Ihnen eine Chance zu geben.
Nicht alle Menschen sind gleich.
Kaum 5 Minuten später hörte sie lauter werdende Stimmen, Deutsch und ein Kauderwelsch aus Syrisch und gebrochenem - erst vor kurzem gelernten - Englisch und Deutsch. Sekunden später zog die Mutter ihre Tochter mit sich hinaus aus der Kabine der Frau die sich um ihre Anträge kümmern sollte.
Ohne es zu merken, was sie aufgestanden und stand bereit neben Mutter und Tochter.
"Kann ich irgendwie helfen?", fragte sie. Sowohl der Mutter als auch der Tochter standen Tränen in den Augen. Sie versuchte genau so wie die beiden ruhig zu bleiben, doch als sie erzählt bekam was vorgefallen war, spürte sie, wie die Wut in ihr anstieg. Sie ballte die Hände zu Fäusten und bemerkte wie ihre Wangen sich dunkelrot verfärbten.
Die Frau die die beiden betreut hatte, stand hinter ihr in einer perfekten Position zum herum fahren.
Ruhig bleiben., sprach sie sich gut zu als sie in die blauen Augen der zirka 50 Jahre alten Blondine starrte.
"Was war vorhin das Problem?", fragte sie die Blondine um auch ihre Seite zu hören. Diese schien verwirrt darüber zu sein, das sich jemand einmischte.
"Das geht sie überhaupt nichts an.", sagte diese und strich sich die Haare zur Seite, die ihr in die Augen fielen.
"Ich denke, dass mich das sehr wohl etwas angeht, wenn ein Mensch so behandelt wird.", sie konnte die Wut und ihren Gesprächston nicht zurück halten. Sie war es so leid, wie man mit anderen Menschen umging; egal wer es war.
"Und sie sind wer?", fragte die beim Einwohnermeldeamt beschäftigte.
"Das ist ja wohl total egal, aber so behandelt man keine Fremden! Die Frau ist erst seit kurzem in Deutschland, wie können sie dann so tun, als sei sie einfach nicht in der Lage die Sprache zu lernen und als sei sie unfähig und dumm? Sie soll innerhalb von wenigen Monaten perfekt Deutsch sprechen können? Dann sollten sie doch auch wohl fließend Syrisch und jede weitere x-Beliebige Sprache fließend sprechen können, um endlich ihren Job richtig zu machen. An der Volkshochschule gibt es tolle Sprachkurse! Da können sie sich direkt auch noch für einen in Toleranz und Höflichkeit anmelden.", fauchte sie, wobei sie nicht bemerkt hatte, das nun auch einige andere Angestellten aus ihren kleinen Büros kamen und die Situation beobachteten. "Zur Not kann ich gerne für Sie die Anträge und Papiere übersetzen und nebenbei auch noch höflich sein, wenn sie mir dann nach einer halben Stunde Wartezeit endlich einen Reisepass beantragen würden."

Das war die letzte Kurzgeschichte (für diese Ferien zumindest). Morgen muss ich wieder zur Schule, was heißt, dass ich Nachts wahrscheinlich nicht mehr am schreiben sondern am lernen sein werde, da für mich das Abitur anfängt. Wenn das jemand ließt, dann danke fürs lesen! Ich hoffe das eventuell eine dieser aus der Laune heraus geschriebenen Geschichten ein wenig Anklang findet.

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