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"Hey Babe, musst Du dir jetzt schon Junkies hernehmen, damit Du jemanden auf deinem Niveau hast?", fiel jemand spöttisch in unsere kleine Auseinandersetzung. Momentan stand ich mit dem Rücken zu der Stimme, doch alleine die Reaktion von Charo und Choc, die beide gleichzeitig die Augen verengten und sich anspannten, erklärte alles.

In Zeitlupe drehte ich mich um und musterte mein Gegenüber, "Lion."

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Inzwischen war es Mitte Dezember und ab und zu fielen einzelne Schneeflocken auf den Erdboden, doch schmolzen bei Berührung gleich wieder. "Schätzchen ich bin heute Abend wieder daheim, pass auf dich auf", meine Mutter lugte durch den Türspalt, lächelte mich kurz an und verschwand dann. Ich seufzte, in der Wohnung bei meinem Erzeuger war das nicht allzu leicht. Meinen Kopf lehnte ich wieder an die kalte Scheibe und starrte nach außen in die graue, neblige Umgebung. Hier auf dem Fensterbrett war es noch minimal warm da ich die Heizung ein bisschen aufgedreht hatte, doch der Rest der Wohnung erschien wie ein Eisklumpen. Wärme war zu teuer und mein Erzeuger war schon wieder Trinken, anstatt zu arbeiten.

Vor zwei Wochen waren wir in der City Lion in die Arme gelaufen, den wir zum Glück jedoch nur ignoriert hatten und seit dem bin ich sogar wieder in die Schule gegangen und habe mich wie ein normales Mädchen verhalten. Aufträge gab es zur Zeit selten und so wurde die Kohle noch knapper. Von Líz hatten wir immer noch nichts gehört und Charo hat sich seitdem auch nicht mehr blicken lassen, selbst die heilige Schule hat er geschwänzt. Pisser.

Frustriert zündete ich mir eine Kippe an und nahm einen tiefen Zug, ehe ich das Fenster öffnete und mir die eiskalte Luft ins Gesicht blies. Heute war Freitag, das hieß heute Abend war das Treffen unserer Gang.

Während ich genüsslich weiter rauchte, suchte ich mir in der Küche eine Packung Kekse, die ich schnell in meine Tasche stopfte. Die Kippe warf ich aus dem Fenster und schloss es dann wieder.

An der Tür wartete bereits Ellia, ein dunkelhäutiger und gleichzeitig mein Bester Freund. Ich umarmte ihn kurz ehe wir anfingen los zu laufen. Sonst würde ich mit dem Skateboard fahren, aber durch den Schnee war es viel zu matschig und rutschig und damit hatte ich schon genug Erfahrungen gemacht.

Ellia war eigentlich ein ganz lieber, doch wie viele wussten - Schwarze in Amerika waren bei vielen noch immer verhasst und damit hatte auch er zu kämpfen. Er war verdammt schlau und scharfsinnig und das war der Grund warum er dann doch bei vielen beliebt war. Doch nicht selten war er das Hauptziel bei Angriffen und Schüssen. Bisher hatte er Glück, aber jeder der hier lebt weiß wie schnell das Leben zu Ende sein kann. Inzwischen hatten wir sämtliche Straßen überquert und meine Haare klebten inzwischen an meinem Kopf und meiner Stirn, weil sich immer mehr Schneeflocken darin verfingen.

In knappen zwei Wochen ist Weihnachten und selbst ich liebte es dann durch die Straßen zu laufen und die Verrücktesten Hausschmückungen zu betrachten. In den zwei Wochen war in Amerika immer die Hölle los. Einkaufszentren waren heillos überfüllt um Geschenke zu besorgen, Grußkarten an Verwandte wurden verschickt, ebenso wie Einladungskarten. Wollte man einmal durch die City, dauerte es doppelt so lange wie sonst und das war schon lang. Jeder hetzte von einer Ecke in die andere und kam erst an X-Mas wirklich zur Ruhe. Über solche Hektik konnte ich nur den Kopf schütteln, denn gefeiert - Truthahn gegessen oder einen Tannenbaum geschmückt - hatte ich schon ewig nicht mehr. Ich erinner mich noch an früher wo wir glücklich waren und - OK ES REICHT AYLA. Seufzend wandte ich den Kopf zu Ellia "Ich freue mich, wenn überall Schnee liegt und alles still ist", flüsterte ich kaum hörbar, doch ist wusste er hatte es gehört. Zustimmend nickte er und lächelte leicht "Wir sind da."

Über Weihnachten war meistens Waffenstillstand und daher die einzige Woche in der wirklich mal Frieden und Stille herrschte. Die reichen Bonzenkinder saßen zuhause, fraßen Truthahn und Nachtische in sich rein um dann in weiche Federbetten zu fallen und darauf zu warten das Santa Claus über Nacht kam und Geschenke brachte, die sie dann am Nächsten Morgen, den 25. Dezember auspacken konnten. Da gab es dann neue Autos, Smartphones, Tablets und Kohle ohne Ende, für die Älteren - die kleinen Mädchen bekamen Barbies, Puppen, Kuscheltiere und rannten in süßen rosanen Samtkleidern durch das Haus - die Jungs, mit Fliege und süßem Anzug freuten sich über Spielzeugautos, ferngesteuerte Trucks, Helikopter oder Trettraktoren.

My BadgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt