Kapitel 3

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Dass ich an diesem Tag als letzte aus dem Bus ausstieg, war mein größtes Glück. Denn während des Aussteigens wehten mir durch den starken Wind die Haare ins Gesicht, sodass ich nach links sehen musste, um sie mir aus dem Gesicht streichen zu können.
Und da passierte es!: Links von mir waren die Fahrradständer und Leon mittendrin. Er hatte gerade sein Fahrrad abgestellt und abgeschlossen, nahm jetzt elegant seine Tasche vom Gepäckträger und schwang sie sich genauso anmutend über die Schulter.
Hach, er war einfach sooo perfekt!

Doch da geschah erst das Unfassbare: Leon sah zu mir herüber, direkt zu mir, und zwinkerte mir tatsächlich zu. Doch ich blieb natürlich, wie hätte es auch anders kommen können, wie versteinert stehen und sah ihn wahrscheinlich an, wie ein beklopptes Wiesel auf Nahrungssuche. Zu mindest fühlte es sich so an.
Super, Lilly! Ganz toll gemacht!! Das war wahrscheinlich die Chance meines Lebens und ich verkackte gleich mal wieder so richtig. Manchmal könnte ich mich dafür wirklich selbst schlagen!
Doch die Frage, die sich mir jetzt eigentlich stellte, war: 'War das jetzt so ein: Hey-du-bist-echt-hübsch-und-voll-mein-Typ'- Zwinkern, oder doch nur ein: 'Yes-da-schaut-mich-schon-wieder-die-nächste-an-ich-bin-ja-so-beliebt-und-könnte-sie-alle-haben'- Zwinkern?
Verdammt, wieso kann ich nur keine Gedanken lesen?

Die einzige Person, die mir da einen wirklich guten Rat geben konnte, war wohl meine beste Freundin Nora.
Aber wir hatten uns ja vorhin gestritten!
Naja, wie heißt es so schön: "Beste Freundin: Die einzige Person, auf die du nur kurze Zeit sauer sein kannst, weil du ihr irgendetwas erzählen musst!"
Genauso ging es mir jetzt. Aber vor dem Unterricht würde ich das wohl nicht mehr schaffen, denn es gongte bereits, als Zeichen, dass der Unterricht in zwei Minuten beginnen würde.

Im Treppenhaus herrschte natürlich das übliche Gedränge wie immer. Alle Fünftklässler sprinteten so schnell sie konnten zu ihren Klassenzimmern, aus Angst, sie könnten zu spät kommen. Komisch, die Vorstellung, dass man sich selbst früher genauso verhalten hat.

Als ich im Klassenzimmer ankam - 3 Minuten zu spät, weil mir auf dem Weg nach oben noch meine Tasche runter- und der gesamte Inhalt rausgefallen ist (Nein, Leon kam nicht zufälligerweise vorbei und hat mir beim aufheben und zusammensammeln geholfen!!); Typisch!!!- und die Tür aufriss- hektischer und stärker als gewollt- starrten mich alle an. Super! Erster Schultag nach den Sommerferien und ich kam zu spät und dass nicht sehr unauffällig!

"Großartige Leistung Frau Senner! Erster Schultag und gleich zu spät. Ich wünsche ein Gespräch mit ihnen nach der Stunde. Wir treffen uns vor dem Lehrerzimmer. Vielen Dank, bitte ! !unauffällig! setzen."
Oh nein, schon wieder Herr Pan als Klassenlehrer. Er ist immer so förmlich, man merkte nie, wirklich nie, wann er gleich austicken würde und er hatte die bescheuerte Angewohnheit, jeden, ja, auch Fünftklässler, zu siezen. Er hasste mich und ich ihn (Ich hatte ihn seit der sechsten Klasse in Reli).

Es gab nur noch eine einzige andere Person, die ich mehr hasste als ihn: 'Cleo'
Und sie stand gerade eben genau neben ihm. Sie war Physikklassenbeste und Aushilfe in der Schulbibliothek, weshalb sie 'vorbildlich, wie sie war' *würg* die Schulplaner, so eine Art Hausaufgabenheft, das für alle Schüler unseres Gymnasiums kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, für unsere Klasse vorbeibrachte.
Das schlimmste aber war, sie war die beste Freundin meines Schwarms Leon.
Jetzt hätte man meinen müssen, dass ich sie eigentlich mochte, aber sie versuchte immer, ihn für sich allein zu haben und niemanden anderen an ihn heranzulassen *würg*.
Püh.. Als könnte sie sich einfach so das Recht nehmen, seinen persönlichen Bodyguard zu spielen.

"Könnten sie sich jetzt vielleicht endlich hinsetzen!! Schnell, habe ich gesagt! Um Himmels Willen, Frau Senner. Wo sind sie denn heute mit ihren Gedanken?!!", ermahnte nch Herr Pan.
" 'tschuldigung' ", gab ich nur knapp zurück und sah betreten zu Boden, während ich den Weg zu dem einzig freien Platz im Zimmer ging. Ich war einfach stehen geblieben. Vor der Klasse. Wie konnte mir nur so etwas blödes passieren. Und dass auch noch direkt vor den Augen von Cleo.
Noch peinlicher wurde es aber, als sie auch noch anfing, gehässig und schadenfroh zu 'kichern'.

"Vielen Dank schon mal an dich, Cleo!", bedankte sich Herr Pan bei ihr. Oh, wie großzügig von ihm, sie zu duzen!
"Kein Problem, Herr Pan, soll ich Ihnen noch beim verteilen der Fahrausweise helfen?"
'Schön, klimper bitte noch ein bisschen öfter mit den Wimpern! Kommt ja so unglaublich gut bei meinem werten Herrn Klassenleiter an...' *nochmal-würg*. , dachte ich.
"Aber nicht, dass du dann zu spät zum Unterricht kommst! Hahaha..." OH MEIN GOTT!! Dieser Moment, wenn du zum ersten Mal in deinem Leben deinen Lehrer lachen hörst! UND: Dieser Moment wenn dein Lehrer denkt, unglaublich lustig zu sein.

#doppelfacepalm

Doch ohne auf die Worte und das Gelächter von Pan einzugehen, nahm sich Cleo unaufgefordert und wie selbstverständlich die Fahrkarten und teilte sie aus.

"Hi, Lilly!"
Plötzlich stand sie vor meinem Tisch und lächelte mich an. Ich erschrak. Woher kannte diese b-... sie meinen Namen? Ich sah sie komplett verdutzt an, obwohl ich das nicht einmal wollte. Sie musste meinen Blick auch bemerkt haben, denn sie 'antwortete' auf meine unausgesprochene Frage: "Dein Name steht hier drauf!"
Dann deutete sie mit ihrem pechschwarz lackierten Kunstnagel auf auf meinen Ausweis. Ich verstand.
"Achso..., jaa, klar. Haha, natürlich. Woher solltest du mich auch sonst kennen!?", den letzten Satz nuschelte ich mehr so in mich hinein, aber sie schien mich trotzdem gehört zu haben.
"Naja, ich hab dich schon oft hier gesehen. Bist ja recht auffällig mit deinem Pixie-cut und so!"
Wie, war das gerade ein Kompliment?!! Und bedeutete das vielleicht, dass Leon mich auch schonmal bemerkt hatte?! Aber was, wenn es kein Kompliment war und sie und er vor allem kurze Haare total schrecklich fand?! Cleo hatte lange braune Haare mit Naturwellen und einer dicken roten Strähne und war echt verdammt hübsch. Wie sollte ich da schon mit meinen kurzen blonden Haaren mithalten?

Es gab solche Tage, an denen fand ich mich hübsch, und dann gab es aber auch die, an denen ich in Selbstzweifeln fast ertrank. So zumindest fühlte es sich an. Und heute war so ein Tag...

Broken Love ♡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt