Erzfeinde

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[Den Song ⬆️ empfehlen wir von Anfang an beim Lesen laufen zu lassen 😊]

Der Regen strömte auf mich. Ich spürte jeden Tropfen auf meiner Haut aufprallen und fühlte, dass zwei große Hände sich um meine Taille klammerten.
Als ich meine Lippen von seiner Wange lösten, sah ich wie er mit geschlossen Augen lächelte. Erst in diesem Augenblick realisierte ich, dass wir vor unserer Haustür standen.
Am Küchenfenster stand meine Mutter, sie hatte an die Scheibe geklopft und schaute mich schockiert an.

Von Azad konnte ich mich gar nicht verabschieden und mit schlechtem Gewissen eilte ich ins Haus zu meiner Mutter in die Küche.
Vom Fenster, wo sie uns gesehen hatte, beobachtete ich Azad. Er hatte sich kein bisschen vom Fleck gerührt, seine Augen waren immer noch geschlossen und er lächelte.
In der Zwischenzeit redete meine Mutter mir irgendwas ein, aber ich hörte nicht hin.

"Zeliha! Wo guckst du so träumerisch hin" sagte meine Mutter und stupste mich an die Schulter.

Ich: Nirgends!

Mutter: Kızım (Meine Tochter) hörst du mir eigentlich zu?

Ich: Hmm ja ja.

Mutter: Das ist der Sohn von unseren alten Nachbarn, den Tarlans! Wenn dein Vater euch gesehen hätte, wäre die Hölle losgegangen!

Ich: Wie! Warum?

Mutter: Wir sind damals hierher gezogen, damit der ganze Streit aufhört. ... Halt dich fern von ihm, Zeliha.

Meine Handtasche und Azads Geschenk fielen mir aus der Hand.

Mutter: Was ist das?

'Nichts!' antwortete ich, schnappte mir Beides und rannte auf mein Zimmer. Die Sachen schmieß ich auf mein Bett und setzte mich an meinen Schminktisch.

Klopf klopf klopf

Langsam öffnete sich meine Zimmertür und vom Spiegel sah ich Serkan seinen kugelrunden Kopf hervorstecken.

Serkan: Geht's dir gut, Abla (Schwester)?

'Komm her' sagte ich und öffnete meine Arme.

Er kam zu mir und setze sich auf meinen Schoß.

Serkan: Hat Mama mit dir geschimpft?

"Ach nein" sagte ich mit meiner zitternden Stimme und holte sein versprochenes Geschenk vom Bett.

Serkan: Jaaaa eine Carrera-Bahn!

Ich: Komm, zeig es Aykut Abi (Bruder). Er wird es mit dir aufbauen.

Nachdem er voller Vorfreude ins Wohnzimmer gelaufen war, ließ ich mich mit Azads Geschenk in der Hand auf den kalten Boden fallen und erinnerte mich was damals passiert war.

Natürlich! Wieso konnte ich mich nicht früher daran erinnern!?
Unsere Väter waren ernste Rivalen! Sie arbeiteten als Kollegen in einer Firma, dort begang alles. Bei Meetings, Präsentasionen und wenn es um eine Beförderung ging, wandelten sie sich zu Erzfeinden. Ihre Kollegen nannten es den 'Nationen-Kampf' und so wurden die Türken und Aserbaischaner Feinde.
Deren Hass übertrug sich auch auf Aykut und Farhad, dem älteren Bruder Azads. Sie besuchten die selbe Schule und ständig kamen beide mit blauen Flecken oder Nasenbluten nach Hause.
Damit das Ganze ein Ende findet, wechselten beide Väter zu verschiedenen Partnergesellschaften und die Jungs die Schule.
Danach sprachen weder wir mit ihnen, noch sie mit uns und schließlich zogen wir von hierher. Damals war Serkan noch gar nicht geboren und irgendwie kann ich mich an Azad auch gar nicht erinnern.

In meinem Kopf schwirrten die Worte meiner Mutter "Halt dich fern von ihm". Ich meine er ist ein ganz normaler Freund von mir, eigentlich mein erster bester Freund.
Außerdem hat er mir immer aus jeder Panne geholfen, wirklich jedes Mal! Azad ist eine Mischung aus Freund und großer Bruder für mich. Er ist vertrauenswürdig und sorgt sich, wie am Montag, als ich verschlafen hatte oder er mich an Talias Hochzeitstag nach Hause fuhr, damit ich nicht Mitten in der Nacht im knappen Kleid draußen rumstehe. Oder als er mir die Ersatzschlüssel für Talias und Hasans Haus brachte, weil ich so dusselig war und die Schlüssel vergessen hatte.
Zudem ist Azad mein privater Chauffeur, er kutschiert mich überall hin, zur Schule, zur Stadt und zum Frühstück heute.
Bis jetzt hatte ich noch nie einen so guten Freund und nun, wo ich ihn gefunden habe, muss ich ihn gleich wieder verlieren?!

2 Wurzeln ... 2 WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt