6. Allem ein Ende setzten

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Die Straßen sind Menschenleer.
Niemand ist zu sehen, ich bin allein.
Irgendwie ein schönes Gefühl.
Ich gehe durch die Straßen ohne ein richtiges Ziel vor Augen zu haben.
Wo will ich hin? Eines habe ich beschlossen, ich werde nie wieder einen Fuß in die Schule setzten.
Zurück zu meinem Vater? Nein ganz bestimmt nicht.

Meine Füße tragen mich direkt vor das höchste Gebäude der Stadt.
Mit großen Augen blicke ich nach oben, das Dach ist nicht zu sehen.

Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und trete ein.
Eine große helle Eingangshalle empfängt mich.
Nur ein älterer Mann sitzt am Tresen und liest gelangweilt seine Zeitung.
Ich gehe auf ihn zu.
"Entschuldigen Sie, wieviele Stockwerke hat dieses Gebäude?"
Er blickt hoch und schaut auch mich gelangweilt an.
"26. Aber wenn du rauf willst musst du bezahlen."
Ich ziehe meine Geldtasche aus meinen Rucksack. "Wieviel wenn ich ganz rauf will?"
Der Mann seufzt lautstark und tippt etwas in seinen Computer.
"2.000 Yen." *
Ich öffne die Geldtasche und lege sie ihm auf den Tresen.
"Na dann einmal hoch bitte."
Er grinst mich dämlich an und fügt meinem Satz etwas hinzu. "Und runter."
Er reicht mir das Ticket.
Ich drehe mich um und gehe zum Fahrstuhl.
"Vielleicht.."

Ich drücke auf den Knopf damit sich die Türe öffnet und trete ein.
Die fahrt nach oben fühlt sich an als würden Stunden vergehen.
Nervös spiele ich mit dem Ticket und warte auf das Geräusch das mir sagt dass der Fahrstuhl am Ziel amgekommen ist.

"Ding Ding" Ruckartig bleibt der Lift stehen. Die Türe öffnet sich und ich gehe in einen schwach erleuchteten Gang.
Ich schaue um mich und entdecke eine große Glastüre. Langsam gehe ich auf sie zu.
Es beginnt zu dämmern.

Meine Hand berührt das kalte Glas und dann den Griff. Ich halte einige Momente lang inne und konzentriere mich auf meinen Herzschlag.
Langsam drücke ich den Griff nach unten und öffne die Türe.

Kalte Luft weht mir ins Gesicht und ich befinde mich auf einer großen Dachterrasse.
Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den Anderen und gehe auf den Rand der Terasse zu.
Der Wind wird immer stärker.

Die ganze Stadt ist von hier oben zu sehen und der Anblick raubt mir meinen Atem.
Ich will den wind mehr spüren, dem Gefühl des fliegens näher sein.
Kurz vor dem Abgrund bleibe ich stehen und ziehe meine Schuhe aus.**
Ich stelle sie ordendlich nebeneinander und lege meine Tasche oben drauf.
Ich schließe die Augen und gehe Schritt für Schritt weiter zu dem Abgrund.
Meine Zehenspitzen ragen über den Rand und der Wind weht mir wild durchs Haar.
Meine Arme bewegen sich langsam nach oben und ich atme tief ein.

So fühlt sich also fliegen an? Nein nicht ganz, wenn ich einen Schritt weiter gehe.. Dann weiß ich wie sich fliegen anfühlt.

Mein rechter Fuß bewegt sich langsam nach vorne, der Wind wird immer stärker und ich lächle.

Wenn ich sterbe dann will ich lächeln. Dann weiß jeder dass ich endlich glücklich bin.

Mein Fuß hängt in der Luft, meine Augen sind immernoch geschlossen.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Ich atme noch einmal tief ein.
Die Zeit steht still und ich höre nur den Wind, nur das rauschen.
Ich atme tief aus und...

srpinge..

(* ca 15 euro)
(** in Japan zieht man bei einem Selbstmord die Schuhe aus)

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