Rauschendes Wasser, Kaffee-Geruch, kalter Stein. Ich saß in meiner Lieblings-Stadt auf einem kalten Stein am Fluss. Ich genoß, wie die warmen Sonnenstrahlen mein Gesicht erwärmten, und reckte meine Nase noch höher in Richtung Himmel.
Die Atmosphäre beruhigte mich, und langsam konnte ich mich entspannen. Es war weder bequem, noch leise, doch ich fühlte mich wohl. Sehr wohl. Wie ich es seit Monaten nicht mehr getan habe.
Der laute Schrei einer Möwe drang mir in die Ohren. Was würde ich nur dafür geben, so frei zu sein wie sie. Einfach zu fliegen, und nie wieder damit aufhören, bis ich im Himmel war. Egal, ob lebend und mit großer Anstrengung, oder tot, weil ich nicht aufhörte zu fliegen, und kraftlos auf die Erde fiel.
Ein ohrenbetäubendes Klappern schreckte mich jäh aus meinen Tagträumen auf, und ich öffnete meine Augen, um mich nach dessen Ursache umzuschauen. Es war ein Mann. Mitte 30, in einem gräulichen Anzug, der einen Mülleimer aus seiner Halterung getreten hatte. Abermals blickte jener auf sein Handy. Er las angestrengt für knappe zehn Sekunden etwas auf dem Display, und trat dann nochmals mit voller Wucht auf den am Boden liegenden Mülleimer ein. Der Blechzylinder flog gute vier Meter weiter gegen eine Parkbank, die - Gottseidank - leer war.
Er setzte sich, wie auch ich es getan hatte auf einen großen Stein. Angespannt trank er aus einem der beiden Kaffeebecher, die neben ihm auf dem Stein Platz gefunden hatten. Ich hatte Angst, er würde den Becher aus Pappe zerdrücken, so fest griff er zu. Aber es ging gut, und er stellte ihn zu dem anderen Becher auf den Stein.
Der Mülleimer lag noch immer auf dem Boden, und mit ihm verteilt der ganze Müll: eine Weinflasche, Zeitungen, Bananenschalen und ein Blumenstrauß. Ein Blumenstrauß? Wer würde so einen schönen Strauß wegwerfen?! Da hatte jemand wirklich Liebeskummer gehabt.
Ich drehte mich zu dem Mann um, und schneller als ich denken konnte, kamen Worte aus meinem Mund:
»Wollen Sie nicht den Mülleimer wieder aufheben?«
Er sah auf, und sofort bereute ich, dass ich es gesagt hatte.
»Nein.«
Seine tiefe Stimme überraschte mich, sie war so angenehm, aber doch so rau.
»Warum haben Sie das getan?«
Ich hatte keine Ahnung, weshalb es mich überhaupt etwas kümmerte, aber ich war eben neugierig.
Ich bekam keine Antwort, aber nach einer halben Minute streckte er mir seinen Arm hin, und in seiner Hand war der zweite Kaffee.
»Den brauche ich jetzt nicht mehr.«
Ich stand auf, und ging zu ihm rüber. Neben ihm auf dem Stein war noch genug Platz, also setzte ich mich. Aus seiner Hand nahm ich den Kaffee, und nippte daran. Heiß.
»Für wen war der gedacht?«
Er schluckte.
»Meine Freundin«, gab er zurück.
»Ex-Freundin« korrigierte er dann aber.
»Sie war es nicht wert.«
»Warum sagst du sowas?«
»Ich wollte dich aufmuntern.«
Ups, hatte ich ihn gerade aus Versehen geduzt? Mist.
»Danke.«
»Wofür?«
»Fürs aufmuntern.«
»Danke.«
»Wofür?«
»Für den Kaffee.«
Er lachte. Warum lachte er? Hatte ich was falsches gesagt? Aber es war mir egal, ich mochte sein Lachen, und deshalb kümmerte es mich nicht, warum er lachte. Ich würde nicht lügen, wenn ich sage, dass sein lachen das schönste lachen war, dass ich jemals gehört habe. Mein Blick blieb an seinen Lippen hängen, sie waren so voll und rosig. Er biss mit seinen strahlend weißen Zähnen auf seine Unterlippe.
Ich trank einen Schluck Kaffee, er war süß. Ich hasse süßen Kaffee.»Wenn sie in ihrem Kaffee Zucker mag, bin ich froh für dich, dass ich nichtmehr zusammen seid.«
»Wenn schon Kaffee, dann schwarz.«
Er sprach mir aus der Seele. Ich liebte schwarzen Kaffee.»Sie hieß Diane. Ich kannte sie noch nicht lange.«
»Warum hat sie Schluss gemacht?«
Er schluckte. Das war die falsche Frage, um sie jemanden zu stellen, den man erst seit wenigen Minuten kannte.
Das war auch der Grund, warum ich keine Antwort bekam.»Warum hörst du mir eigentlich zu?«
»Weiß ich selbst nicht.«
Und das stimmte, ich hatte keine Ahnung, warum ich einem 20 Jahre älteren Mann zuhöre, wenn er mir über seine Ex erzählt. Aber ich wollte doch nicht damit aufhören. Er faszinierte mich.Es herrschte Stille, keine unangenehme Stille, sondern einfach Stille. Für mehrere Minuten.
Irgendwann aber brach er die Stille, indem er sich zu mir umdrehte, und mir seine Hand entgegen streckte: »Es war mir eine Freude, dich kennengelernt zu haben.«
Ich gab ihm meine Hand.
»Ganz meinerseits.«
Ich hatte keine Ahnung, wo ich das jemals gehört habe, aber es passte zum Moment.
Der Unbekannte aber verabschiedete sich aber nicht mit einem Händedruck, sondern führte meine Hand zu seinem Mund und gab mir einen sanften Kuss auf den Handrücken. Er hob seinen Kopf und zum ersten mal sah ich ihm direkt in die Augen. Dunkelbraun. Es waren nur wenige Sekunden, aber ich genoss sie. So schnell waren sie aber auch wieder vorbei. Er erhob sich und drehte sich noch ein letztes Mal zu mir um.
»Auf Wiedersehen.«, rief er mir zu.
Und dann verschwand er um die Ecke.
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daddy and babygirl ["The Affair"]
Romance»Ich bin Marcus, aber du kannst mich Marc nennen.« *** Elizabeth und Marc sind so verschieden, und verstehen sich doch so gut. Marcus ist ein großer, alter, gutaussehender Teddy-Bär voller Selbsthass. Es gibt nur einen Menschen für ihn, die noch Lic...