Kapitel 4

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Irgendwie kam mir unser Haus heute komisch vor. Irgendwie anders. In der Mittagssonne wirkte es so grau und voller Schatten. Einfach unheimlich. Aber da darin die schrecklichste Person auf Erden lebte, war das ja nicht verwunderlich. Ich ging an die Haustür und klingelte zwei Mal:"driinngg, driiinnngg", nichts. Ich klingelte nochmals:"driinngg, drriiinnggg". Wieder nichts. War sie nicht zu Hause, oder wollte sie mir einfach nicht die Tür aufmachen. Ich überlegte was ich jetzt tun sollte, ich meine, ich konnte mich wohl schlecht auf den Rasen setzen und warten. Erstens, würde sie mich umbringen, sähe sie, dass ich auf ihrem frisch gemähten Rasen sässe. Zweitens könnte jeden Moment die Rasensprenganlage angehen und ich wäre im nullkommanichts nass.

Plötzlich fiel mir ein, dass Brigitte noch einen Reserveschlüssel unter der Fussmatte versteckt hatte. Ich hob schnell die Matte, nahm den Schlüssel und steckte ihn ins Schlüsselloch. Einmal drehen, zweimal drehen, dreimal drehen... Es war das erste Mal in meinem ganzen Leben, dass ich diese Tür alleine öffnete. Sie hatte es mir nie erlaubt.

Dann endlich ging die Tür auf. Ich spazierte hinein und ging direkt nach oben um mich umzuziehen. In meinem Zimmer angekommen, warf ich meine Clutch auf einen Stuhl und versuchte den Reissverschluss meines Kleides aufzumachen, doch irgendwie klemmte er. Ich versuchte und versuchte es, doch es ging nicht. Irgendwann gab ich es auf. Ich packte mein Kleid am unteren Ende und zog es mir über meine Schultern und schliesslich über den Kopf. Ich warf es mit einem lauten Seufzen aufs Bett. Dann zog ich mir meinen Schmuck aus und ging ins Bad um mich abzuschminken. Als ich allerdings ins Bad ging fiel mir etwas komisches auf. Auf dem Lavabo stand eine Flasche Rattengift. Schon komisch. Was sollte das. Soviel ich weiss hatten wir keine Rattenplage im Haus. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Brigitte unseren Nachbarn oder sonst jemanden Ratten im Haus hätten.

Ich schminkte mich ab und zog mir eine Jeans und ein T-Shirt an und ging direkt nach unten in die Küche. Ich holte mir ein Glas Ice Tea aus dem Kühlschrank und machte es mir auf unserem Sofa im Wohnzimmer gemütlich, während ich in einem Magazin blätterte.

Endlich nach langer Zeit, fühlte ich mich endlich wieder wohl in diesem Haus. Ich glaube es lag daran, dass sie nicht zu Hause war. Da ich gerade so entspannt war, dachte ich mir, ich könnte ja noch ein wenig Fernsehen und mir einen schönen Nachmittag machen. Doch plötzlich hörte ich ein lautes Jaulen. Es kam aus dem Garten. Mir war gleich klar was los war. Sofort stand ich auf und rannte zur Terrassentür die zum Garten führte, machte sie mit voller Wucht auf und stürmte hinaus in den Garten, wo Johnny jaulend da lag. Ich kniete mich zu ihm. Tränen strömten mir über die Wangen. Ich blickte kurz auf sein Fressnapf. Eine grünliche Substanz hatte sich mit seinem Futter vermischt. Er musste davon gekostet haben. Ich fragte mich was das sein könnte... Dann aber schoss es mir wie ein Blitz durch den Kopf: Das Rattengift, das ich im Badezimmer entdeckt hatte. Wir hatten gar keine Rattenplage im Haus, das Gift war für Johnny gedacht. Aber wie? Wie konnte sie ihm nur so etwas antun? Und was hatte er ihr bloss getan? Johnnys jaulen verwandelte sich in ein tiefes, gequältes Atmen. Ich wusste er würde sterben. Nicht einmal der Notarzt konnte ihn jetzt noch retten. Johnny atmete immer langsamer und langsamer, bis sein Herz aufhörte zu schlagen. Johnny war tot. Mein einziger Grund glücklich zu sein war tot. Nun starrte er mich mit leeren Augen. "Ich liebe dich Johnny. Und ich werde dich immer lieben. Du bleibst für immer in meinem Herzen.", flüsterte ich ihm sanft ins Ohr. Dann schloss ich ihm seine Augen. Meine Trauer verwandelte sich in Wut. Meine Tante, mich widerte es an, meine Tante hatte ihn umgebracht. "Ich hasse sie!", schrie ich, "ich hasse sie aus tiefster Seele. Dann weinte ich wieder. Ich weinte und weinte auf meine Knie, bis sich mein Weinen in lautes Schluchzen verwandelte. Ich sass noch einige Minuten still da. Ich wollte weg von hier. Ich musste weg von hier! Vielleicht war das ja ein Zeichen gewesen. Ein Zeichen, dass ich weggehen sollte. Jetzt gibt es nichts mehr was mich halten kann.

Brigitte hatte mir eine Nachricht auf Telefon hinterlassen:

Hallo Rebecca,

Werde heute Abend nicht vor neun Uhr zu Hause sein. Also bis morgen und vergiss nicht wir haben eine Pizza im Kühlschrank. Den Hund musst du auch noch Füttern.

"Den Hund musst du auch noch füttern.", äffte ich ihr nach. Alles nur Taktik. Sie meint wohl sie könne einen auf unschuldig machen. Das hätte sie wohl gern. Und warum sprach sie überhaupt so nett? Wahrscheinlich stand ein zukünftiger Ehemann vor ihr. Das wäre dann schon der zehnte.

Ich stürmte in den Keller und suchte nach einem Koffer, der so gross wie Johnny war. Wenn ich wegging, kam Johnny mit. Ich würde ihn keinesfalls hier lassen. Sie würde ihn verbrennen lassen oder so. Nein, das liess ich nicht zu. Ich würde ihn mitnehmen und ihn an einem schönen Ort begraben. Wo wusste ich noch.

Als ich einen Passenden gefunden hatte, ging ich nach oben und nahm meine Decke und mein Kissen. Ich legte sie in den Koffer und machte daraus ein schönes, gemütliches Bett für Johnny, legte ihn aber noch nicht hinein. Dann kümmerte ich mich um meine Sachen. Noch heute Abend würde ich abreisen. Ich bräuchte einen grossen Rucksack. Den fand ich in einer Schublade. Dann zu Essen. Am besten Sandwiches. Klein, praktisch und sättigend. Dann brauchte ich zu Trinken. Ich nahm mir eine 1,5 Liter Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. Nun brauchte ich eine Decke und ein Kissen für mich. Ich nahm ein kleines herzförmiges Kissen und eine dicke Decke. Nun mein Plüschtier. Das hatten mir meine Eltern gekauft bevor sie mich weggeben hatten. Es ist das Einzige was ich von meinen Eltern habe. Ich habe Brigitte gesagt ich hätte es verloren. Sie hätte es mir sonst hundertprozentig weggenommen und es in den Mülleimer geworfen. Jetzt zerschlug ich mein Sparschwein.  250,60 Dollar hatte ich für meine Flucht gespart. Ich hoffe das reicht. Dann nahm ich mein Gepäck mit nach und öffnete den Koffer und legte Johnny vorsichtig hinein. Dann zog ich den Reissverschluss zu. Nahm meine Jacke von der Garderobe, schnürte mir meine Schuhe und packte noch Mütze, Schal und Handschuhe für den Fall dass es kalt wäre ein. Ich brachte mein Gepäck nach draussen, schaute noch ein letztes Mal ins Haus und schloss die Tür.


Dieses Mal nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt