Kapitel 3

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Im Cafe angekommen, lief ich direkt auf einer der wenigen freien Tische zu und setzte mich hin, während Janet und Gabe die Inhaberin des Cafes begrüssten. Ich konnte zwar nicht hören über was sie redeten, aber ich wusste es schon: Janet würde ihr Komplimente für das hübsche Cafe machen und Gabe würde über das Wetter klagen und sich den Sommer wünschen. Die Inhaberin, die meines Wissens nach Patricia Lillway hiess, würde sich herzlich bedanken und Gabe trösten und ihm erklären, dass nächste Woche die Sonne scheinen würde. Dann würde Patricia sie beten sich hinzusetzen. Eine Kellnerin würde sie bald bedienen.

Das taten sie auch und setzten sich mir gegenüber. Zuerst war es still niemand sagte etwas. Bis Gabe die Stille unterbrach:" Sag mal, ist deine Tante immer noch so eine Hexe wie früher? Ich weiss noch als wir einmal eine Klassenfahrten gemacht haben. Der Treffpunkt sollte der Bahnhof sein. Wir alle hatten gedacht sie fährt dich. Ich meine du wohnst auf der anderen Seite der Stadt. Doch nein, diese Hexe liess dich alleine durch die ganze Stadt laufen ich meine du warst 11, es war kalt und dazu regnete es noch. Als du bei uns ankamst warst du völlig durchnässt und fast vollkommen eingefroren!"

Janet starrte ihn ungläubig und erschrocken an, dann mich, dann wieder ihn, dann wieder mich. Sie sagte nichts doch ich wusste genau, was in ihrem Kopf vorging:" Hat er das jetzt wirklich gesagt? Wie konnte er nur so etwas sagen? Ist sie wütend? Warum antwortet sie nicht?" Auch Gabes Gesichtsausdruck veränderte sich von positiv zu negativ in weniger als einer Sekunde. Ich glaube er realisierte erst jetzt was er gesagt hatte.

Ich war nicht böse, überhaupt nicht. Ich war eher froh, dass jemand meine ernste Lage realisierte und mir Recht gab. Deshalb antwortete ich so:" Ja, sie ist immer noch eine Hexe. Eigentlich ist sie noch viel schlimmer geworden. Aber man gewöhnt sich daran. Und damals war es echt schlimm, ich musste den ganzen Tag in nasser Wäsche herumlaufen. Dabei erkältete ich mich so sehr, dass ich die nächsten drei Tage im Bett lag und mich kaum bewegen konnte. Heute kann ich darüber lachen, aber damals war das überhaupt nicht lustig.", sagte ich mit einem Schmunzeln. Sie wollten mir gerade antworten, als die Kellnerin kam.

"Hallo zusammen! Willkommen bei Patricias Cafe! Was kann ich euch Ihnen bringen?"

Eine hübsche junge Frau, twa Mitte 20. Sie war schlank und etwa 1.75 Meter gross, hatte langes schwarzes Haar, das sie zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden hatte und grosse dunkelblaue Augen, die von einem schmalen Eyelinerstrich und langen schwarzgetuschten Wimpern umrandet waren.

Sie reichte uns die Karte und nach einem kurzen Blick darauf antwortete Gabe:" Ich nehme einen Cappuccino mit extra viel Sahne, bitte."

"Ich hätte gerne einen Erdbeer-Milkshake und da ich heute noch nichts vernünftiges gegessen habe, auch noch einen Waldbeerencupcake, bitte."

Jetzt war ich dran. Ich überlegte kurz und nahm eine XXL Limonade und dazu noch eine Schale hausgemachten Fruchtsalat. Dann gaben wir die Getränkekarte wieder der Kellnerin zurück, welche uns versprach gleich wieder mit unserer Bestellung zurück zu sein.
Ich wendete mich wieder Janet und Gabe, wobei ich durch das Fenster etwas komisch schimmerndes sah. Es kam mir allzu bekannt vor. Wie ein Spiegel oder ein Diamant oder eine Perlenkette... Eine Perlenkette? Eine Perlenkette! Ich traute kaum meinen Augen und wollte nochmals hinsehen. Doch als ich aus dem Fenster sah, war die mysteriöse Gestalt weg. Ich überlegte nochmals, was ich denn genau gesehen hatte. Um ehrlich zu sein, ging das alles viel zu schnell. Vielleicht hatte ich ja das Glänzen und Spiegeln eines Schaufensters mit dem Schimmern einer Perlenkette verwechselt. Ich war mir noch kurz nicht sicher, was ich glauben sollte. Entschied mich schlussendlich aber doch für die Variante mit dem Schaufenster.
Janet musste bemerkt haben, dass ich mir irgendetwas überlegte, denn sie fragte verwundert:" Ist was?"
"Nein, nein, keine Sorge. Ich habe nur an etwas gedacht..."
"Das muss aber etwas Wichtiges gewesen sein, so konzentriert wie du aus dem Fenster geschaut hast."

" Nein, nein, echt nicht. Keine Sorge. Ich..."

Zu meinem Glück wurde ich von der Kellnerin unterbrochen. Ich hätte nämlich wirklich nicht gewusst, was ich ihnen für eine Ausrede auftischen sollte. Ausserdem war ich wirklich schlecht was Lügen anging.

Einmal als ich sechs war, hatte ich mich ins Bad geschlichen, Brigittes teuren, neuen Lippenstift, von dem sie mit ihrer Freundin darüber geschwärmt hatte, genommen und ihn mir grosszügig auf die Lippen aufgetragen. Also ehrlich gesagt sah ich wie ein Clown aus, aber damals fand ich das noch ganz schick. Natürlich musste ich noch gut riechen. Also schnappte ich mir eines ihrer vielen Parfüms. Zu meinem Pech war das, das teuerste was sie besass. Ich sprühte mich vollkommen damit ein und während ich wie eine Diva im Bad herumstolzierte und leider immer noch das Fläschchen in der Hand hielt , rutschte ich plötzlich aus und landete mit dem Hintern auf dem Boden. Verletzt hatte ich mich nicht, doch als ich bemerkte hatte, dass das Fläschchen zerbrochen und das Parfüm sich überall auf dem Boden verbreitete und sich dabei in eine nach Blumen riechende Pfütze verwandelte, bekam ich Panik. Ich musste mir eine passable Ausrede ausdenken. Würde sie das herausfinden, gäbe sie mir lebenslänglichen Hausarrest und würde mich noch schlechter behandeln als sie es sowieso schon tat. Also erzählte ich ihr, dass der rote Lippenstift mich angegriffen hätte und dem Parfüm Beine gewachsen wären und es also von selbst aus der Vitrine und auf den Boden gefallen wäre. Natürlich kaufte sie mir diese banale Geschichte nicht ab und so bekam ich drei Monate lang Hausarrest und zudem zwang sie mich, als wäre das schon nicht genug, auch an jedem Wochenende in diesen drei Monaten zu einem Event oder zu einer Modenschau gehen. Und ich musste mich ja höflich benehmen, denn jedes Mal wenn ich etwas Falsches sagte oder tat, bekam ich nochmals eine Woche Hausarrest und das bedeutete, dass ich noch ein Wochenende in Arenas verbringen konnte. Als diese drei Monate endlich vorbei waren, konnte man mich als einer der glücklichsten Menschen auf dieser Welt zählen.

Die Kellnerin riss mich aus meinen Gedanken:" Und für Sie junge Lady,  eine extra-grosse Limonade und dazu noch eine Schale hausgemachten Fruchtsalat. Bitteschön.", sagte sie während sie mir meine Bestellung auf den Tisch stellte.

"Danke.", meinte ich freundlich und fang an meine eiskalte und riesige Limonade zu trinken. Nebenbei stocherte ich in meinem Salat herum und versuchte in eine Traube zu stechen. Was echt schwierig war, denn die Traube rutschte ständig weg.

Janet hatte ihren Erdbeer-Milkshake getrunken und ihren Waldbeerenmuffin gegessen. Gabe hatte seinen Cappuccino auch schon ausgetrunken und nun warteten beide darauf, dass ich endlich meine Limonade fertigtrank. Die Früchte hatte ich mir mit Janet geteilt, aber die Limonade wollte sie nicht probieren und Gabe meinte er hasse Zitronen. Also musste ich die Limonade wohl alleine fertig trinken. Ich war so satt, aber konnte ja das Glas nicht einfach stehen lassen. Sie hatten mich eingeladen und es wäre einfach eine Frechheit gewesen, die Limonade halbvoll stehen zu lassen. Also zwang ich mich dazu die Limonade zu trinken. Ich trank und trank und trank, während mich Janet und Gabe mit einem Lächeln anschauten. Irgendwann machte der Strohhalm laut:"gruuuuuuhhhhhh". Ich blickte erleichtert auf mein Glas, das jetzt bis auf wenige Tropfen leer war und erklärte ihnen, dass wir jetzt gehen könnten. Sie willigten ein, Gabe zahlte und wir liefen hinaus. Auf dem Weg zum Auto hörte ich wie es in meinem Bauch blubberte. Ich fühlte mich, als ob ich eine Unmenge an Flüssigkeit in meinem Bauch.

Wir stiegen ein und bevor wir losfuhren, fragte mich Gabe:" Und Beccy, wo sollen wir dich absetzen? Die Show ist wahrscheinlich vorbei, also am besten zu Hause. Oder was meinst du?"

"Ja, ich denke auch, dass das die beste Lösung ist."

Also fuhren sie mich nach Hause.

Bei uns angekommen, parkierte Gabe das Auto auf dem nahegelegenen Parkplatz und bevor ich ausstieg, bedankte ich mich noch bei den beiden für alles. Dann stieg ich aus und lief in Richtung Haustüre.

Dieses Mal nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt