Kapitel 14

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Irgendwann, ich hatte aufgegeben zu zählen, wurde ich endlich aus dem Krankenhaus entlassen, aber nicht allein. Leon leistete mir auf der Hinterbank des Autos Gesellschaft und gemeinsam mit ihm verbrachte ich eine lustige Fahrt, bis zu uns nach Hause. Wer uns fuhr? Nicht mein Vater und auch nicht Amanda. Sondern einer von ihren Angestellten.

Es hatten jeweils von beiden keine Zeit gehabt, was wirklich schade war, aber nun gut. Ich werde sie schon wieder zu Gesicht bekommen.

"Ihre Eltern werden zu acht daheim sein." Seht ihr. Mein ich doch. "Derweil können Sie sich ausruhen oder sich umschauen."

Der Chauffeure hatte, nachdem er uns aus der Limousine entlassen und ins Haus gebracht hatte, sich danach gleich wieder verzogen und stattdessen kamen zwei Dienstmädchen auf uns zu und brachten uns in unsere Zimmer.

Es kam mir alles doch sehr vertraut vor, jedoch konnte ich mich nicht an genaue Ereignisse erinnern, die hier passiert waren. Es juckte mich in den Fingerkuppen, aber die Erinnerungen wollten nicht kommen. Wie war bloß mein Leben vor dem Unfall? Hatte ich eine Beziehung? Wie waren meine Leistungen in der Schule?

Ein Gehirn haben, aber nichts wissen. Wozu? Es brachte mir doch eh nichts.

Mit leeren Gefühlen setzte ich mich auf mein Bett und ließ das alles auf mich wirken. Langsam strich ich mit den Fingern über das Bettlacken, in der Hoffnung eine Erinnerung würde zum Vorschein kommen. Aber es geschah nichts. Frustriert schnaubte ich einmal auf, um danach dann gleich wieder voller Elan aufzuspringen.

Ich verließ mein Zimmer und ging in die Küche, wo gerade jemand das Essen zubereitete. Mit einem kleinen Lächeln grüßte ich den Koch und lief weiter ins Wohnzimmer.

Was mich verwunderte, war, dass ich genau wusste wo alles war. Mich aber an andere Sachen, in Bezug meines Lebens nicht entsinnen konnte.

"Ms. Warrington?"

Erschrocken drehte ich mich um. Es stand das Dienstmädchen vor mir, welches mich vorhin in mein Zimmer begleitet hatte.

"Was ist?" "Mr. Collins wünscht, Sie zusehen." "Oh, ok."

Ich lief nach oben zu Leons Zimmer und als ich das Zimmer betrat, würde ich sofort von ihm überfallen.

"Melli! Sieh dir das an!"

Er zerrte mich zu seinem Regal, wo ein Bild stand. Dort drauf waren Leon und zwei andere Jungs.

"Was ist jetzt so interessant daran?"

Unglaubwürdig schaute er mich an. Seine blauen Augen blitzten auf und ich verlor mich direkt in ihnen. Sie zogen einen schnell in ihren Bann. Schnell wandte ich mich ab und guckte lieber auf das Bild.

"Glaubst du, dass das deine Freunde sind?" ,fragte ich.

"Vielleicht. Warum sollte ich sonst ein Bild von uns Dreien in meinem Zimmer aufgestellt haben?"

Das leuchtete mir ein.

"Findest du es nicht auch Scheisse?"

"Was?"

"So unwissend zusein?"

Meine Gedanken drehten sich die ganze Zeit nur darum. Ich wollte Bescheid wissen! Den Überblick über das Ganze haben! Wissen, welchen Sinn mein Leben hat.

"Es ist nicht toll, dass uns das widerfahren ist, aber wir können es nicht rückgängig machen. Wenn es gehen könnte, würde ich alles dafür hergeben, um mein altes Leben wieder zu haben."

Leon hatte sich ans Regal gelehnt und den Kopf in den Nacken gelegt. Ein Stoßseufzer kam seinerseits und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. So, als müsse er nachdenken.

"Wir sind zwar jetzt noch unwissend, aber das können wir ändern. Mit Hilfe von unserer Familie und unseren Freunden können wir versuchen, unser altes Gedächtnis wieder zubekommen. Vielleicht erfahr ich ja dann, das ich ein super Leben hatte und ein super heißes Girl als Freundin."

Am Ende lachte er über seine Überlegungen.

"Als ob das jemals eintreffen wird" ,meinte ich etwas schnippisch.

Die Art, wie er darüber dachte, gefiel mir ganz und gar nicht.

"Bleib entspannt. Das war doch bloß ein Witz."

Leon kniff mir in die Wange und zwinkerte.

"Idiot" ,nuschelte ich anschließend.

"Das hab ich gehört."

Augenblicklich hatte ich ein Kissen im Gesicht. Das reichte, um eine Kissenschlacht zu entfachen.

Vielleicht wusste ich nicht viel im Moment. Aber eins wusste ich jetzt schon: Leon war ein toller Bruder.

Good Brother or Boyfriend? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt